Netanyahu: "Dem Iran ist nicht zu trauen"

Netanyahu vor US-Kongress mit scharfer Kritik an Obamas Iran-Politik.

Wenn der Regierungschef eines alliierten Staates zu Gast ist und die Regierung des Gastlandes das Weite sucht, dann knarrt etwas im bilateralen Gebälk. So geschehen am Montag und Dienstag in Washington: Da war Israels Premier Benjamin Netanyahu zu Besuch. US-Präsident Barack Obama empfing ihn nicht, Vizepräsident Joe Biden hatte sich schnell eine Dienstreise nach Guatemala organisiert. Und bei Netanyahus Rede im Repräsentantenhaus am Dienstag fehlten viele demokratische Mandatare. Der Sprecher der Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hatte den Besuch am Weißen Haus vorbei eingefädelt. Dazu kommt, dass am 17. März in Israel vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden und es das Weiße Haus vermeiden wollte, Netanyahu Wahlkampfhilfe zu leisten.

Empfangen wurde der israelische Regierungschef von den verblieben, überwiegend republikanischen Mandataren am Dienstag mit stehenden Ovationen. Nach einleitenden Worten, in denen Netanyahu demonstrativ Obama und dessen Verdienste lobte, kam er dann zwar erwartungsgemäß aber doch sehr eindringlich auf den eigentlichen Punkt seines Besuchs zu sprechen: Den Iran und dessen Atomprogramm. Und da gehen die Vorstellungen zwischen Obama und Netanyahu auseinander.

Netanyahu warnte vor dem iranischen Atomprogramm und einem schnellen Deal mit Teheran. Ein solcher stoppe den Iran nicht, seine nuklearen Kapazitäten auszubauen; viel eher ebne er den Weg dahin. Vor allem, weil die atomare Infrastruktur bestehen bliebe. Und: Weil alle vorgesehenen Einschränkungen von Beobachtern überwacht werden sollen. Netanyahu: "Beobachter beobachten, sie verhindern nicht." Dem Iran sei nicht zu trauen. Eine Demontage nuklearer Einrichtungen sei nötig. Und letztlich brauche auch der Iran angesichts des niedrigen Öl-Preises ein Abkommen.

Aber Netanyahu betonte vor allem auch eines: Israels Bereitschaft, unilateral tätig werden zu können: Die Tage in denen die Juden passiv der Gefahr des Genozids ins Auge gesehen hätten, seien vorüber. Auch wenn Israel alleine stehen sollte, Israel werde stehen.

In den beiden republikanisch dominierten Kammern des US-Parlaments dürften die Kassandra-Rufe Netanyahus auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Viele dort beäugen die Bemühungen Obamas skeptisch, mit dem Iran einen Kompromiss zu finden. Ziel der derzeit intensiv geführten Verhandlungen in der Schweiz ist es, bis Monatsende ein Rahmenabkommen zu haben und bis Ende Juni einen endgültigen Kompromiss.

Obama in der Defensive

Noch ehe Netanyahu in Washington das Wort ergriff, hatte Obama seinen Standpunkt in der Causa erneut dargelegt. In einem Interview forderte er unter anderem, dass Teheran sein Programm zehn Jahre lang einfrieren müsse. Aus dem Iran kam dazu postwendend ein klares Nein (siehe unten).

Auch andere Vertreter der derzeitigen US-Administration hatten versucht, Netanyahu den Wind aus den Segeln zu nehmen. "Die Vereinigten Staaten werden niemals zulassen, dass der Iran Atomwaffen erhält. Punkt", formulierte etwa UN-Botschafterin Samantha Power. Und die Nationale Sicherheitsberaterin Obamas, Susan Rice, ergänzte: "Ein schlechtes Abkommen ist schlimmer als kein Abkommen. Und wenn das die Wahl ist, dann wird es kein Abkommen geben." Israels Forderung nach einem vollständigen Stopp der Urananreicherung im Iran wies sie zurück. "Niemand kann Teheran dazu bringen, die wissenschaftliche Nuklear-Expertise zu verlernen, die es bereits besitzt."

Mit einer politischen Erfolgsmeldung wollte er dem unliebsamen Gast zuvorkommen. Noch ehe Israels Premier Netanyahu vor dem US-Kongress seine Warnung vor den atomaren Plänen des Iran und vor jeder möglichen Einigung mit dem Mullah-Regime ablieferte (siehe oben), meldete sich Obama zu Wort. In Interviews erklärte er, eine Einigung mit dem Iran, die dessen Atomprogramm für mindestens zehn Jahre auf Eis lege, sei die "beste Sicherheit, die wir bekommen können".

Doch von diesen zehn Jahren will man in Teheran nichts wissen. Sein Land werde diese "übermäßigen und unrealistischen Forderungen" nicht akzeptieren, machte Außenminister Javad Zarif deutlich, außerdem habe der US-Präsident seine Forderungen in einer "inakzeptablen und bedrohlichen Weise" präsentiert.

Ein Rückschlag für den US-Präsidenten, der im politischen Konflikt mit dem Iran ohnehin die Mehrheit der Republikaner im Kongress gegen sich hat. Deren außenpolitische Meinungsmacher, wie Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain, drängen auf härteres Vorgehen im Atomstreit und wenn nötig auch Militäroperationen gegen Teheran.

Die Obama-Regierung dagegen setzt weiterhin auf eine Verhandlungslösung. Gerade gegenüber der seit zwei Jahren in Teheran amtierenden gemäßigten Regierung von Präsident Rohani bemüht man sich, Kompromissbereitschaft zu signalisieren, statt ständig mit militärischer Gewalt zu drohen.

Doch auch der versöhnlichere Ton der Verhandler auf beiden Seiten hat den Durchbruch zu einer Einigung über das Atomprogramm noch nicht gebracht. Die Zeit aber drängt. Bis Ende März müssen zumindest die Eckpfeiler eines endgültigen Abkommens stehen, bis Ende Juni alle Details ausgearbeitet und abgesegnet sein.

Zarif und US-Außenminister John Kerry sind am Dienstag im schweizerischen Montreux zu weiteren Gesprächen zusammengetroffen. Zuletzt, hieß es aus US-Verhandlerkreisen, habe man deutliche Fortschritte erzielt. Für den US-Präsidenten, das machte seine Nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice deutlich, gebe es "keine Alternative" zu Verhandlungen. Die Sanktionen des Westens hätten jedenfalls Teheran nicht davon abgehalten, sein Atomprogramm voranzutreiben.

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