Israel: Spirale der Provokation

Radikale Palästinenser und Israelis zündeln fast täglich, die Stimmung ist aufgeheizt.

Plötzlich versperrten vermummte Gestalten die Weiterfahrt, zogen mich aus dem Auto und prügelten auf mich ein. Für mich kam das völlig unerwartet." Jeden Tag fährt Mosche German vorbei an den arabischen Dörfern Taibe und Tira zur Arbeit. Mitten in Israel. Am vergangenen Wochenende wurde sein Auto von einem aufgebrachten Mob verbrannt. Nur die beherzte Hilfe von zwei arabischen Anrainern verhinderte Schlimmeres.

Die Unruhen in den arabischen Ortschaften Israels brachen nach der Erschießung eines Randalierers im nordisraelischen Kafra Kana am Samstag aus. Wie ein Video zeigt: Schüsse in einer brenzligen Lage, doch nicht unbedingt Notwehr.

Moschee in Flammen

Die Stimmung bleibt aufgeheizt: In Murayer bei Ramallah brach ein Brand in einer Moschee aus. Die israelische Polizei schließt eine weitere Provokation radikaler Siedler nicht aus. Augenzeugen sahen nahe dem Tatort zwei israelische Autos. Für die Palästinenser stehen die Täter hingegen schon fest: Israelis.

"Einmal kommt es hier zu Unruhen, dann woanders. Aber es bleibt letztlich ruhig", fasste am Mittwoch Nimmr die Ereignisse zusammen. Neben seinem Restaurant im arabischen Schefaram vor Haifa hatten Unbekannte die Überreste einer uralten Synagoge geschändet. Die seit Jahren von Nimmr ehrenamtlich gepflegt wird. "Wir haben sofort alles gereinigt."

Israels Premier Benjamin Netanyahu kündigte indes verschärfte polizeiliche Maßnahmen an: "Ich weise den Innenminister an, Mittel und Wege zu prüfen, die Staatsbürgerschaft jedem abzuerkennen, der zur Vernichtung Israels aufruft." Eine Droh-Hülse: Ein Gesetz aus dem Vorjahr ermöglicht schon längst bei Landesverrat und Terror-Mord die Aberkennung der Staatsbürgerschaft. Bei so viel Drohgebärden und immer neuen Provokationen auf beiden Seiten grenzt es fast an ein Wunder, dass die Unruhen nur begrenzt aufflackern.

So sah Netanyahu diese Woche den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas als "Terroristen im Dreiteiler mit Krawatte". Er verglich Abbas mit den Islamisten der Hamas. Abbas wiederum beschuldigte Netanyahus Politik, den gesamten Nahen Osten in einen Religionskrieg zu stürzen.

Eindämmungsversuch

Beide stehen unter Druck aus den eigenen Reihen: Abbas lässt seine Polizei weiter gegen Versuche einschreiten, die Unruhen in und um Jerusalem auf das Westjordanland auszuweiten. Doch auch in seiner Fatah-Bewegung häufen sich die Rufe nach Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen.

Nicht die Politik in Jerusalem und Ramallah verhinderte bisher, dass sporadische Feuer zum Flächenbrand wurden. Ursächlicher ist wohl die tief sitzende Einsicht in der palästinensischen Gesellschaft, dass die letzte Intifada einfach nichts gebracht hat. Und so können selbst die rechten Falken in Netanyahus Regierung vorerst keinen Palästinenseraufstand erkennen: "Wir wissen, dass viele auf der Seite der Palästinenser und der Araber Interesse an einer neuen Intifada haben", meint etwa ein Sprecher von Außenminister Avigdor Liebermann, "aber noch sind wir nicht dort".

Israel will sich indes nicht an der UN-Untersuchung zum jüngsten Gaza-Krieg beteiligen. Die von dem kanadischen Jus-Professor William Schabas geleitete Kommission des UN-Menschenrechtsrats (UNHRC) strebe keine Untersuchung an, "sondern formuliert ihre Schlussfolgerungen bereits im Voraus", erklärte am Mittwoch der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahshon. Er warf dem Gremium eine "obsessive Feindschaft" gegenüber Israel vor und verwies auf Äußerungen des Kommissionschefs Schabas. Dieser hatte das Verhalten Israels im Nahostkonflikt in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert.

Der UNHRC hatte am 23. Juli in einer Sondersitzung entschieden, mögliche Kriegsverbrechen beider Seiten zu untersuchen. Während der kriegerischen Auseinandersetzung von Juli bis August wurden mehr als 2.000 Menschen getötet. Der Bericht der Kommission soll im März 2015 vorliegen.

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