Einheitsregierung im Irak geplatzt

Laut Kerry weicht Maliki nicht von seinen Zusagen an die USA ab. Die Kämpfe gegen ISIS gehen weiter.

Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki will trotz des Vormarsches der ISIS-Terroristen keine neue Einheitsregierung bilden. Eine "Regierung der nationalen Rettung" stelle einen Putsch gegen die Verfassung und den politischen Prozess dar, sagt der schiitische Premier in einer TV-Ansprache am Mittwoch.

Nach Ansicht von US-Außenminister John Kerry weicht Maliki damit nicht von seinen Zusagen gegenüber den USA ab. "In seinen heutigen Äußerungen bleibt er seinen Versicherungen treu, die er in unseren Gesprächen gegeben hat", sagte Kerry nach dem NATO-Außenministertreffen am Mittwoch in Brüssel. Al-Maliki habe sich verpflichtet, die gesetzmäßigen Prozesse zur Bildung einer Regierung voranzutreiben. Er habe auch alle Irakis dazu aufgerufen, Unterschiedlichkeiten beiseitezulassen und sich gegen den Terrorismus zu vereinen. "Das ist genau das, was die USA angeregt haben."

Kerry drängte auf Bildung einer Einheitsregierung

US-Außenminister Kerry hatte am Dienstag nach Besuchen in Bagdad und der kurdischen Autonomieregion im Norden des Landes verkündet, die führenden Politiker des Landes seien zur Bildung einer Einheitsregierung bereit. In ihr sollten Schiiten, Sunniten und Kurden gleichermaßen vertreten sein. Kerry hatte in seinen Gesprächen auf die schnelle Bildung eines solchen Bündnisses gedrungen, um den Zerfall des Landes zu verhindern.

Hinter den Forderungen nach einer solchen Regierung stünden "gefährliche Ziele", sagte Maliki jetzt. Damit sollten "der junge demokratische Prozess" im Irak zerstört und "die Stimmen der Wähler gestohlen" werden. Maliki lehne auch einen Rücktritt ab, meldete der arabische Nachrichtenkanal Al-Arabiya am Mittwoch. Sein Bündnis hatte bei der Parlamentswahl am 30. April bei weitem die meisten Stimmen geholt. Bis heute schaffte er es aber nicht, eine neue Regierung zu bilden, da er dabei auf die Zusammenarbeit mit Konkurrenten angewiesen ist.

Kampf um Öl-Einrichtungen

Die irakische Armee konnte unterdessen die strategisch wichtige Ölraffinerie in dem Ort Baiji nach offiziellen Angaben wieder von den ISIS-Milizen zurückerobern. Elite-Einheiten der Armee hätten alle Zufahrten zur Raffinerie nach Kämpfen mit ISIS-Terroristen unter vollständige Kontrolle gebracht, meldete der staatliche TV-Sender Al-Iraqiya am Mittwoch unter Berufung auf lokale Sicherheitskräfte. Zuvor waren bei irakischen Luftangriffen auf Baiji 16 Menschen ums Leben gekommen und 30 verletzt worden. Der Ort rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad ist strategisch bedeutsam, weil dort eine der größten irakischen Ölraffinerien und ein Kraftwerk liegen. Baiji war laut Medienberichten Anfang der Woche in die Hände der ISIS gefallen.

Dafür nahmen die ISIS-Milizen im Norden eines der größten Öl- und Gasfelder des Landes ein. Aus irakischen Sicherheitskreisen hieß es am Mittwoch, die Terroristen kontrollierten nun das Ölfeld Ajil südwestlich der Stadt Kirkuk.

Hilfe aus den USA

Am Mittwoch bekam die irakische Armee auch Unterstützung von US-Streitkräften. 130 in das arabische Land verlegten Soldaten sollen nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums Stärken und Schwächen der irakischen Streitkräfte prüfen. US-Präsident Barack Obama hatte insgesamt 300 "US-Militärberater" für den Kampf gegen ISIS angekündigt.

Der Iran versetzte seine Truppen an der Grenze zum Irak unterdessen in Alarmbereitschaft. Grund dafür sei der jüngste Vormarsch der ISIS-Terroristen im Nachbarland, sagte Armeesprecher Ali Arasteh am Mittwoch. Der Iran hat eine 1450 Kilometer lange Grenze zum Irak. In dem Konflikt steht der Iran auf der Seite der Regierung in Bagdad.

Die Terrororganisation ISIS ist seit Wochen im Irak auf dem Vormarsch Richtung Bagdad und hat weite Teile im Norden und Westen des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Nach Angaben der Vereinten Nationen töteten die Terroristen im Juni mindestens 1.075 Menschen. Die meisten waren Zivilisten.

Vor mehr als elf Jahren ordnete der damalige US-Präsident George W. Bush den Einmarsch in den Irak an, um Machthaber Saddam Hussein zu stürzen. Die umstrittene Entscheidung kettet beide Staaten bis heute aneinander. Mit der Blitzoffensive der ISIS-Jihadisten sehen sich die USA erneut zum Eingreifen gezwungen.

2003: Militäreinsatz beginnt

Einheitsregierung im Irak geplatzt
U.S. President George W. Bush delivers a speech from the Oval Office in the White House in Washington December 18, 2005. Bush appealed to Americans not to despair about the course of the war in Iraq, insisting U.S. Forces are winning while warning of "more testing and sacrifice" to come. REUTERS/Joshua Roberts

20. März Der US-Militäreinsatz gegen den Irak beginnt. Die Bush-Regierung begründet den Krieg mit Massenvernichtungswaffen, die Saddam Hussein besitzen soll. Später muss sie zugeben, keine solche Waffen gefunden zu haben.

Einheitsregierung im Irak geplatzt
U.S army soldiers board a chinook helicopter at Forward Operation Base Ramagen in Tikrit, Iraq October 23, 2005. A battalion from Army National Guard based in Pennsylvania began on Sunday to make their way back home after one year of service in Iraq. REUTERS/Jorge Silva

9. April Die US-Truppen stehen in Bagdad, die irakische Führung ist gestürzt. Wenige Wochen später erklärt Bush die Kämpfe im Irak für beendet. Die meisten der fast 4500 US-Soldaten, die im Irak ihr Leben lassen, werden aber nach dem offiziellen Kriegsende sterben.

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13. Dezember: Saddam Hussein wird in einem Versteck nahe der Stadt Tikrit gefasst.

13. Dezember Saddam Hussein wird in einem Versteck nahe seiner Heimatstadt Tikrit gefasst.

2004: Bilder aus Abu Ghraib

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epa01982987 (FILE) A handout photo made available by the Washington Post of US soldier woman identified as PFC Lynndie England of the 372nd Military Police Company holding a leash tied around the neck of a naked man in the Abu Ghraib prison, Baghdad, Iraq. US Army Spc. Charles Graner, England's former lover, the reputed ringleader of a band of rogue guards at the Abu Ghraib prison, was condemned by a US military tribunal in Fort Hood, Texas, USA for the abuse of Iraqi detainees on 15 January 2005. He was sentenced to 10 years in prison. January 15, 2010 marks the fifth anniversary of Graner's condemnation by a military tribunal for the tortures committed in the prison of Abu Ghraib. EPA/MANDATORY CREDIT THE WASHINGTON POST / HANDOUT WASHINGTON TIMES OUT, NEW YORK TIMES OUT, USA TODAY OUT, NO RESALES, INTERNET OUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

28. April Bilder von irakischen Gefangenen aus dem Gefängnis Abu Ghraib werden veröffentlicht, auf denen US-Soldaten die Iraker erniedrigen und misshandeln.

2006: Al-Kaida & Saddam Hussein

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BLACK & WHITE ONLY: An undated picture released by the Jordanian police shows one of the senior officials of the Al-Qaeda terror network Jordanian fugitive Fadel Nazzal al-Khalayleh, who is also known as Abu Mussab al-Zarkawi. Jordanian authorities arrested Yasser Fathi Ibrahim of Jordan and Libyan Salem Saad Salem bin Soued, both members of the network, in connection with the October murder of US diplomat Laurence Foley, Information Minister Mohamad Adwan told AFP 14 December 2002. The two men had been in contact with al-Khalayleh.

7. Juni Die US-Armee tötet den Chef des Terrornetzwerks Al-Kaida im Irak, Abu Moussab al-Zarkawi.

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5. November: Saddam Hussein wird von der irakischen Justiz zum Tode verurteilt. Das Urteil wird Ende des Jahres durch Erhängen vollstreckt.

2007: 170.000 Soldaten im Irak

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U.S. Army soldiers with the 101st Airborne Division are passed by an Iraqi police truck during a patrol with Iraqi soldiers in Baiji December 27, 2007. REUTERS/Bob Strong (IRAQ)

10. Jänner Angesichts der anhaltenden Gewalt im Land kündigt die US-Regierung eine Aufstockung der US-Truppen um 30.000 Soldaten an. Im Laufe des Jahres erreicht die US-Truppenpräsenz im Irak mit mehr als 170.000 Soldaten ihren Höchststand.

Einheitsregierung im Irak geplatzt
epa00982669 Iraq's Vice President and Parliament member Adel Abdul-Mahdi (R) speaks during a special parliament session in Baghdad, Iraq 13 April 2007. Leaders from across Iraq's bitter sectarian divide pleaded for unity at a special session of parliament on Friday, gathering in defiance to condemn a suicide bombing that tore through the building the day before. EPA/CEERWAN AZIZ / POOL

27. November Das irakische Parlament stimmt einer Vereinbarung zwischen Washington und Bagdad über den Abzug der US-Truppen zu. Der letzte US-Soldat soll das Land Ende 2011 verlassen.

2009: Green Zone

1. Jänner Nach mehreren Provinzen übernehmen die irakischen Sicherheitskräfte auch die Verantwortung für die "Grüne Zone" in Bagdad, das Regierungs- und Botschaftsviertel. Ein halbes Jahr später ziehen sich die US-Truppen aus den Städten zurück.

2010: US-Kampfbrigade verlässt den Irak

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An Army carry team carries the transfer case containing the remains of Army Sgt. Christian A. Garcia of Goodyear, Arizona, upon arrival at Dover Air Force Base, Del. on Tuesday, April 5, 2011. The Department of Defense announced the death of Army Sgt. Christian A. Garcia who was supporting Operation New Dawn in Iraq. (Foto:Jose Luis Magana/AP/dapd)

19. August Die letzte US-Kampfbrigade verlässt den Irak über die Grenze zu Kuwait. Der Kampfeinsatz "Operation Iraqi Freedom" wird im September durch die Mission "Operation New Dawn" ("Neubeginn") ersetzt. Der neue Fokus liegt auf der Unterstützung irakischer Sicherheitskräfte.

2011: Abzug der US-Soldaten

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Iraq's Prime Minister Nuri al-Maliki (L) welcomes U.S. Admiral Mike Mullen, chairman of the U.S. military's Joint Chiefs of Staff, during Mullen's visit to Baghdad August 1, 2011. Picture taken August 1, 2011. REUTERS/Iraqi government/ Handout (IRAQ - Tags: POLITICS MILITARY) FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS

3. August Die irakische Führung (irakischer Ministerpräsident al-Maliki, li.) erklärt sich zu Verhandlungen über einen Verbleib von US-Truppen (hier US-Admiral Mike Mullen, re.) auch nach Ende 2011 bereit. Bagdad weigert sich dann aber, den US-Soldaten Schutz vor Strafverfolgung zu gewähren.

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epa02975519 US President Barack Obama announces the total withdrawal of US troops from Iraq by the end of the year during a press briefing at the White House in Washington DC, USA, 21 October 2011. US President Barack Obama said 21 October that all US troops will leave Iraq by the end of the year after talks between Washington and Baghdad that would have kept some soldiers in the country longer failed. 'Today I can report that, as promised, the rest of our troops in Iraq will come home by the end of the year,' Obama said. 'After nearly nine years, America's war in Iraq will be over.' EPA/SHAWN THEW

21. Oktober Nach dem Scheitern der Verhandlungen kündigt US-Präsident Barack Obama den Abzug der verbleibenden Truppen bis Jahresende an.

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Soldiers with the 3rd Brigade Combat Team, 1st Cavalry Division perform a security check on their Mine Resistant Ambush Protected (MRAP) vehicles near the Kuwaiti border as part of the last U.S. military convoy to leave Iraq Sunday, Dec. 18, 2011. The last convoy of U.S. soldiers pulled out of Iraq on Sunday, ending nearly nine years of war that cost almost 4,500 American and tens of thousands of Iraqi lives and left a country still grappling with political uncertainty. (Foto:Lucas Jackson, Pool/AP/dapd)

18. Dezember Der Konvoi mit den letzten US-Soldaten verlässt den Irak in Richtung Kuwait.

2014: "Gezielte Militäraktionen" im Irak

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epa04009292 Sunni fighters carry RPG missiles launcher and machine guns as they take up position in Fallujah city, western Iraq, 05 January 2014. According to media reports, militants from the Islamist State in Iraq and the Levant (ISIL) have taken full control of Iraq's city of Fallujah and large areas of Ramadi, two key cities in the western province of Anbar, after government forces cleared out an anti-government Sunni protest camp. EPA/MOHAMMED JALIL

4. Jänner Kämpfer der Extremistengruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS) nehmen Falludscha ein und bringen Teile von Ramadi unter ihre Kontrolle.

27. Jänner Das Pentagon informiert den Kongress über den geplanten Verkauf von Apache-Kampfhubschraubern an den Irak. Außerdem wollen die USA F-16-Kampfjets und Hellfire-Raketen an Bagdad liefern. Anfang März sind Medienberichten zufolge US-Elitesoldaten nach Jordanien verlegt worden, um dort irakische Einheiten im Anti-Terror-Kampf auszubilden.

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U.S. President Barack Obama speaks about the situation in Iraq from the South Lawn of the White House in Washington June 13, 2014. Obama said on Friday he will take several days to review options for how the United States can help Iraq deal with a militant insurgency, saying any action would need significant involvement by Iraq itself. REUTERS/Kevin Lamarque (UNITED STATES - Tags: POLITICS)

13. Juni Angesichts des Vormarsches der ISIS-Kämpfer auf Bagdad kündigt Obama die Prüfung "einer Reihe von Optionen" an. Den Einsatz von Bodentruppen schließt der Präsident aus, die Möglichkeit von Drohnenangriffen hält er sich offen.

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The aircraft carrier USS George H. W. Bush transits the Strait of Gibraltar into the Mediterranean Sea in this February 27, 2014 picture provided by the U.S. Navy. U.S. Defense Secretary Chuck Hagel ordered the aircraft carrier USS George H. W. Bush moved into the Gulf on Saturday, readying it in case Washington decides to pursue a military option after insurgents overwhelmed a string of Iraqi cities this week and threatened Baghdad. REUTERS/U.S. Navy/Lt. Juan David Guerra/Handout via Reuters (SPAIN - Tags: MILITARY MARITIME) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. THIS PICTURE IS DISTRIBUTED EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS

14. Juni Das Pentagon kündigt die Entsendung des Flugzeugträgers "USS George H.W. Bush" in den Golf an.

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Neun US-Soldaten mussten nach Washington zurückkehren. (Symbolbild)

19. Juni Die USA sind Obama zufolge bereit, "gezielte und präzise Militäraktionen" im Irak auszuführen. "Bis zu 300" US-Soldaten sollen die irakische Armee zudem als Berater im Kampf gegen die Dschihadisten unterstützen.

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