Außenministerium warnt vor weltweiter Terrorgefahr

Durch den Kampf gegen den IS erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen. Drei weitere EU-Staaten beteiligen sich an Allianz, USA wollen Tausende syrische Rebellen ausbilden.

Die USA müssen nach Einschätzung ihrer Militärführung mehr moderate syrische Rebellen für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausbilden als bisher geplant. Um die IS-Extremisten aus ihren Hochburgen im Norden und Osten Syriens verdrängen zu können, sei der Einsatz von 12.000 bis 15.000 Oppositionskämpfern notwendig, sagte Generalstabschef Martin Dempsey am Freitag in Washington. Eigene Bodentruppen will man weiterhin nicht einsetzen.

Luftangriffe nicht genug

Der US-Kongress hatte in der vergangenen Woche genehmigt, 5.000 syrische Kräfte auszubilden und auszurüsten. "5.000 waren nie der Endstatus", sagte Dempsey. Er bekräftigte, dass die laufenden Luftangriffe der USA und ihrer Verbündeten allein nicht ausreichten. "Die Kampagne gegen den IS in Syrien muss eine Komponente am Boden haben. Und wir glauben, dass der Weg dahin über die syrische Opposition läuft."

Reisewarnung

Mit Großbritannien, Belgien und Dänemark wollen drei weitere europäische Staaten Kampfflugzeuge gegen die Extremisten im Irak einsetzen. Durch die Luftschläge gegen die IS-Milizen steigt allerdings die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen (mehr dazu unten). Das österreichische Außenministerium hat am Samstag einen weltweiten Sicherheitshinweis veröffentlicht. "Es besteht derzeit weltweite eine erhöhte Gefahr terroristischer Anschläge und Entführungen", heißt es auf der Website des Ministeriums. Vorrangige Anschlagsziele seien Orte mit Symbolcharakter, wie z.B. Regierungs- und Verwaltungsgebäude, Verkehrsinfrastruktur (insbesondere Flugzeuge, Bahnen, Schiffe), Wirtschafts- und Tourismuszentren, Hotels, Märkte, religiöse Versammlungsstätten sowie generell größere Menschenansammlungen. Es könne dabei zu Sprengstoffanschlägen, Angriffen mit Schusswaffen, Entführungen und Geiselnahmen kommen.

Der Grad der terroristischen Bedrohung sei von Land zu Land unterschiedlich, so das Außenministerium. Erhöhte Anschlagsgefahr bestehe insbesondere in Ländern und Regionen, wo bereits wiederholt Terrororganisationen aktiv waren, wo Terroristen über Rückhalt in der lokalen Bevölkerung verfügten oder wo Anschläge mangels effektiver Sicherheitsvorkehrungen vergleichsweise leicht verübt werden könnten. Informationen über Terrorgefahren fänden sich in den länderspezifischen Reise- und Sicherheitshinweisen des Außenministeriums.

Britischer Militäreinsatz

Der IS sei "eine klare und erwiesene Bedrohung für das Leben von Briten", sagte Premierminister David Cameron am Freitag. Der Militäreinsatz werde "eher Jahre als Monate" dauern.

Dänemark werde sieben F16-Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen, wie Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt am Freitag sagte. Außerdem sollen dänische Soldaten im Irak helfen, Iraker und Kurden zu beraten und für den Kampf auszubilden. Der Einsatz sei zunächst auf ein Jahr begrenzt. Belgien entsendet sechs F-16 für Luftangriffe im Irak. Die Maschinen sollen in Jordanien stationiert werden. Der Einsatz sei auf einen Monat begrenzt, könne verlängert werden, berichtete die Nachrichtenagentur Belga.

Russland will Syrien einbinden

Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte die Einbindung der syrischen Regierung in den Kampf gegen die IS. Alle Beteiligten "sollten im selben Team spielen", sagte Lawrow, dessen Rede bei der Generaldebatte für Samstag erwartet wurde, vor Journalisten in New York. "Die syrische Regierung von dem andauernden Kampf auszuschließen (...) verletzt nicht nur internationales Recht, sondern untergräbt auch die Effizienz der Anstrengungen."

Russland sei nicht Teil einer von den USA angeführten Koalition gegen die IS, sagte Lawrow. Russland kämpfe "ständig" gegen Terrorismus, nicht nur wenn "jemand eine Koalition ankündigt".

Kurz will IS-Propaganda verbieten

Außenminister Sebastian Kurz nutzte seinen dieswöchigen Aufenthalt in New York bei der UNO auch für neue Initiativen gegen den Missbrauch der sozialen Medien für die Hetz-Propaganda des IS. In einem Gespräch mit den US- und EU-Verantwortlichen für "public policy" des Nachrichtendienstes Twitter drängte Kurz auf strengere Regeln im Umgang mit IS-Propaganda (mehr dazu siehe unten).

Verstärkte Polizeipräsenz in den U-Bahnstationen in New York, erhöhte Sicherheitsmaßnahmen auf öffentlichen Plätzen in Frankreich, verdoppelte Security auf dem Petersplatz in Rom – und zugleich die Meldung von verhafteten Terrorverdächtigen in Großbritannien und der spanischen Nordafrika-Exklave Melilla: Die wachsende Angst vor Terroranschlägen durch Dschihadisten des „Islamischen Staates“ in Europa und den USA ist deutlich spürbar.

Außenministerium warnt vor weltweiter Terrorgefahr
epa02899960 EU Counter-terrorism Coordinator, Belgian Gilles de Kerchove gives a press briefing at the EU headquaters in Brussels, Belgium, 05 Spetember 2011, on lessons to be learned in the fight against terrorism ten years after the 9/11 attacks in New York. EPA/OLIVIER HOSLET
Erhöht wird sie durch Aussagen wie jener des Anti-Terror-Koordinators der EU, Gilles de Kerchove (Bild): Die Zahl der EU-Bürger, die in Syrien und im Irak aufseiten des „Islamischen Staates“ kämpfen oder gekämpft haben, sei von 2000 zu Jahresbeginn auf 3000 gestiegen, sagte er am Freitag. Und die Luftschläge der USA und deren Verbündeter erhöhe die Gefahr islamistischer Angriffe auf europäische Ziele. Zudem könnten rivalisierende Gruppen wie die El Kaida sich zu neuen Verbrechen veranlasst sehen, „um zu zeigen, dass sie nach wie vor von Bedeutung sind“.

Papst im Visier?

Auch der italienische Innenminister Angelino Alfano hat Ende der Woche erklärt, dass die Gefahr terroristischer Anschläge im Land „ernst“ sei und die Sicherheitsmaßnahmen erhöht würden. In Italien fürchtet man, dass sich Terroristen unter die Flüchtlinge mischen könnten, die täglich in Süditalien landen.

Dass die Sicherheitsvorkehrungen im Vatikan verschärft worden sind, geht auf eine Warnung des irakischen Botschafters beim Heiligen Stuhl zurück, wonach der IS den Papst im Visier habe – „ein Anschlag würde für IS sehr medienwirksam sein“.

Donnerstagabend hatte Iraks Ministerpräsident Haider al-Abadi für zusätzliche Beunruhigung gesorgt, als er am Rande der UNO-Vollversammlung in New York von IS-Attentatsplänen auf U-Bahnen in den USA und Frankreich berichtete. Der Irak habe „glaubwürdige Geheimdienstinformationen“, basierend auf Angaben von in Bagdad festgenommenen IS-Vertretern.

Offiziell reagierten Washington und Paris zurückhaltend: „Wir können diese Hinweise nicht bestätigen. Wir müssen solche Informationen ... erst überprüfen, bevor wir weitere Schritte unternehmen“, sagte Caitlin Hayden, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA.

Auch aus französischen Sicherheitskreisen verlautete, dass keine Erkenntnisse vorlägen, die Abadis Behauptung untermauerten. Allerdings wurden die Sicherheitsvorkehrungen nach der Enthauptung eines Franzosen in Algerien aus Sorge um IS-Attacken schon erhöht.

Außenministerium warnt vor weltweiter Terrorgefahr
epa04418081 Spanish National Police agents arrest one of nine alleged terrorists from a cell linked to IS, in Melilla, the Spanish enclave on the north of Africa, 26 September 2014. Security forces from Morocco and Spain detained nine alleged terrorists who reportedly made up part of an Islamic State-affiliated cell, the Spanish interior ministry said 26 September. One of the nine was an ex-military Spanish man who previously fought in Mali and who was the group's ringleader, according to Spanish daily newspaper El Pais. EPA/F. G. GUERRERO
In Großbritannien sind am Freitag auf der Autobahn M6 zwei weitere Terrorverdächtige festgenommen worden. Schon Donnerstag waren der Polizei bei einer Razzia gegen mutmaßliche islamistische Terroristen neun Männer ins Netz gegangen. Spanien meldete die Verhaftung von neun terrorverdächtigen Islamisten in der Exklave Melilla und der nahen marokkanischen Stadt Nador.

"Lageadäquat"

In Österreich gebe es „aktuell keine Information auf konkrete Gefährdungen“, hieß es gestern aus dem Innenministerium auf Anfrage des KURIER. Die Informationslage werde täglich aktualisiert, die Überwachung sei wie immer „lageadäquat“, und es gebe eine „erhöhte Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes“.

Ein ehemaliger Dschihadist erzählt über seine Vergangenheit.

Außenminister Sebastian Kurz nutzte seinen dieswöchigen Aufenthalt in New York bei der UNO auch für neue Initiativen gegen den Missbrauch der sozialen Medien für die Hetz-Propaganda des IS. In einem Gespräch mit den US- und EU-Verantwortlichen für "public policy" des Nachrichtendienstes Twitter drängte Kurz auf strengere Regeln im Umgang mit IS-Propaganda.

Die Debatte hatte sich zuletzt an der Veröffentlichung von Enthauptungs-Videos entzündet. "Twitter sagt, es habe nur dann die Möglichkeit, bei Bildmaterial automatisch zu löschen, wenn es wie bei der Kinderpornografie illegal ist", so Kurz: "Symbole und Videos der IS von sich aus zu sperren, sehen sie nicht als ihre Aufgabe.

Entsprechenden Hinweisen von Twitter-Nutzen kommen sie nach Überprüfung des Materials aber nach." Von der Aufforderung, automatisch zu löschen, sehe sich Twitter mit Blick auf die weltweit 1,5 Milliarden Tweets pro 48 Stunden auch logistisch überfordert, sagt der Außenminister. Bereitschaft signalisierte das US-Unternehmen allerdings "ähnlich wie beim Verbotsgesetz" (das die Veröffentlichung von Nazi-Symbolen untersagt) ein gesetzliches Verbot von IS-Symbolen auch mit technischen Mitteln zu unterstützen.

Kurz: "Es gibt von Twitter eine hohe Bereitschaft, in diesem Fall mit dem Innenministerium zusammenzuarbeiten." Ein Gesetzesentwurf zum Verbot und härterer Bestrafung islamistischer Verhetzung ist gerade in Begutachtung.

Ähnliche Initiativen gibt es auch in Australien, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien. Die Ächtung von IS-Hetze auf Twitter & Co wird auch Thema des nächsten EU-Innenministerrats in Luxemburg sein.

Zu Gast bei Facebook

Im Anschluss an die Telefonkonferenz mit Twitter-Managern war Kurz in der Facebook-Niederlassung in New York zu Gast. Das 9000-Quadratmeter-Loft in der "Silicon alley" im East Village ist nach der Firmenzentrale im Silicon Valley/Kalifornien die zweitgrößte Facebook-Niederlassung und wird auf zwei Stockwerken als "open- space"-Großraumbüro mit Telefonier-, Koch- und Ess-Inseln geführt. Bei täglich freier Platzwahl wartet auf jeden der 300 Mitarbeiter nur ein uniformer Schreibtisch. Die Wahl der technischen Ausrüstung vom Computer bis zum Handy ist vollkommen individuell.

In Sachen IS-Propaganda fährt Facebook eine rigorosere Politik als der Kurznachrichtendienst Twitter. Das Management ist stolz darauf, dass es Facebook nach dem Fall James Foley gelungen ist, die Veröffentlichung weiterer Enthauptungs-Video erfolgreich auf seinen Seiten zu verhindern. Mit seinem Wunsch, IS-Propaganda noch schärfer ins Visier zu nehmen, rannte Kurz hier offene Türen ein: "Twitter versteht sich als Plattform für jedermann, Facebook aber als Community, die Mitgliedern, die nicht zu ihr passen, von sich aus den Zugang sperrt."

Kurz’ eigene Facebook-Seite stand aus ganz anderen Gründen auch bereits im Visier von Facebook. Kurz nutzt diese bewusst als Bühne zur möglichst breiten Kommunikation seiner Aktivitäten als Politiker und nicht als Diskussionsforum. Der Social-Media-Auftritt ist offenbar auch in den Augen des Unternehmens derart erfolgreich, dass er Facebook als eine von nur drei ausgewählten Politiker-Seiten eine aufwendige firmeninterne Untersuchung ("case study") wert war – und inzwischen bei Facebook als Best-Practice-Modell gehandelt wird. Eine Tatsache, die man dem Minister auch bei seinem Besuch in New York noch einmal gerne in Erinnerung rief.

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