US-Experte: "Kobane wird ein Opfer sein"

Experten zweifeln daran, dass die Stadt noch gehalten werden kann. Die UNO warnt vor einem Massaker an Zivilisten.

Die Kämpfe um Kobane gehen weiter: Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat ihre Angriffe auf Kobane in Syrien nahe der türkischen Grenze am Samstag weiter intensiviert, nach Angaben kurdischer Aktivisten gab es in der Nacht heftige Kämpfe im Süden, Westen und vor allem Osten der Stadt. Experten zweifeln immer häufiger daran, dass die Stadt noch gehalten werden kann. Manche sagen sogar, die USA hätten die Stadt längst aufgegeben. So der US-Experten Jackson Janes von der Johns Hopkins University: "Kobane wird ein Opfer sein", sagte er dem Sender Deutschlandradio Kultur. Ein Signal dafür sei, dass die von den USA geführte Militärkoalition gegen den IS erst am kommenden Dienstag zu Beratungen über die Krise zusammenkomme.

Selbst ein drohendes Massaker an Zivilisten ähnlich wie in Srebrenica würde nicht dazu führen, dass die USA ihre Strategie änderten und Bodentruppen einsetzten, sagte Janes. In den USA herrsche nach dem Irak-Krieg die Haltung, keine Truppen zu entsenden, solange nicht die unmittelbaren Nachbarn in der Region aktiv werden. Und die Türkei, an deren Grenze Kobane liegt, ist dazu noch nicht bereit. "Das ist ein schwerwiegendes Argument", sagte der Direktor des American Institute for Contemporary German Studies.

"Es ist blamabel, es ist eine Katastrophe."

Nach einer Eroberung von Kobane durch den IS werde es gegenseitige Schuldzuweisungen geben, da die Türkei darauf bestehe, keinen alleinigen Vorstoß zu machen, und Washington zunächst die Kräfte in der Region am Zug sehe. "Wenn selbst die unmittelbaren Nachbarn nicht eingreifen, warum sollten wir das tun?", sei die vorherrschende Meinung in der US-Öffentlichkeit und im Kongress. Ohne Bodentruppen sieht Janes die Grenzstadt verloren: "Selbst eine Supermacht ist nicht in der Lage, so eine Krise zu lösen, ohne den Einsatz von Truppen. Es ist blamabel, es ist eine Katastrophe", aber momentan wohl "eine gegebene Tatsache (...), man nimmt das in Kauf".

Kurdische Kämpfer wehrten offenbar Angriff auf Stadtzentrum ab

Die kurdischen Milizen in Kobane haben am Samstag offenbar einen Vorstoß der Dschihadisten auf das Zentrum der nordsyrischen Stadt gestoppt. 90 Minuten sei heftig gekämpft worden, dann hätten sich die Dschihadisten zurückgezogen, erklärte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Militärchefs der Anti-IS-Koalition treffen sich in Washington

US-Experte: "Kobane wird ein Opfer sein"
A Kurdish refugee family from the Syrian town of Kobani rests in a camp in the southeastern town of Suruc, Sanliurfa province October 10, 2014. The U.S. military conducted nine airstrikes against Islamic State militants in Syria during the past two days, including seven strikes near the border town of Kobani, U.S. Central Command said on Friday. REUTERS/Umit Bektas (TURKEY - Tags: CIVIL UNREST MILITARY CONFLICT POLITICS SOCIETY IMMIGRATION)
Die internationale Militärkoalition gegen IS kommt am Dienstag zu Beratungen in Washington zusammen. Die mehr als 20 Militärchefs wollen bei dem Treffen über die bisherigen Erfolge der Luftangriffe auf IS-Stellungen diskutieren, wie ein Vertreter der US-Armee am Freitag sagte. Ein weiterer Schwerpunkt ist demnach auch die Ausbildung der irakischen Regierungstruppen sowie moderater syrischer Kämpfer. Für die USA nehmen den Angaben zufolge Generalstabschef Martin Dempsey und der Chef des für den Nahen Osten zuständigen US-Militärkommandos Centcom, General Lloyd Austin, an den Gesprächen teil. Auch die Militärchefs der an dem Einsatz beteiligten europäischen und arabischen Länder sowie Australiens werden nach Angaben von US-Behördenvertretern erwartet.

Warnung vor Massaker

Die internationale Militärallianz unter Führung der USA fliegt seit Wochen Luftangriffe auf Stellungen des IS im Irak und in Syrien, allerdings mit wenig Erfolg. Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, warnte vor einem "Massaker" an den eingekesselten Zivilisten.

Schlechte Nachrichten auch aus dem Irak

Nicht nur im Norden Syriens, auch im Westen des Irak trotzt der IS den Luftangriffen der US-geführten Allianz und setzt die Regierungstruppen unter Druck. Die Lage in der Provinz Anbar sei "gefährlich", sagte ein ranghoher Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Freitag in Washington. Ein zweiter Offizieller kritisierte die irakischen Streitkräfte: "Sie starten einen Einsatz, und nach einem Kilometer stoppen sie wieder", sagte er. "Das ist keine gute Situation."

Seit mehreren Wochen bombardieren die USA und mehrere Verbündete IS-Stellungen im Nord- und Westirak, um den Vormarsch der islamistischen Extremisten zu stoppen. Weitere größere Gebietsgewinne konnten so in der Anbar-Provinz westlich der Hauptstadt Bagdad verhindert werden, auch der strategisch wichtige Staudamm in Haditha und die Stadt Ramadi wurden von den Regierungstruppen gehalten. Allerdings konnten diese auch kaum Positionen vom IS zurückerobern.

Die Lage im Norden des Landes, wo kurdische Peschmerga gegen die sunnitischen Extremisten kämpfen, sei anders, sagten die Pentagon-Vertreter. "Die Kurden kommen voran, sie erobern Städte und Gebiete zurück, und wir können uns mit ihnen abstimmen", sagte einer der Offiziellen. Die kurdischen Kämpfer seien wesentlich besser als die irakischen Regierungstruppen, es gebe "keinen Vergleich" zwischen diesen.

US-Experte: "Kobane wird ein Opfer sein"
A Syrian Kurdish refugee woman with her daughter waits for transportation after crossing into Turkey from the Syrian border town Kobani, near the southeastern Turkish town of Suruc in Sanliurfa province October 2, 2014. More than 150,000 refugees have fled Kobani over the past two weeks alone, with a steady exodus continuing. Officials from Turkey's AFAD disaster management agency said some 4,000 crossed on Wednesday, and a similar figure the day before. REUTERS/Murad Sezer (TURKEY - Tags: POLITICS SOCIETY IMMIGRATION CIVIL UNREST CONFLICT TPX IMAGES OF THE DAY)

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