Kurden starten Offensive gegen Terrorgruppe

Ein Soldat der kurdischen Peshmerga-Armee
Die Gebiete rund um Mossul sollen durch Peshmerga-Kämpfer gesichert werden.

Kurdische Kämpfer aus dem Irak, der Türkei und Syrien haben am Mittwoch nach Angaben eines politischen Vertreters eine gemeinsame Offensive gegen die Jihadisten in der nordirakischen Region Mossul gestartet. Mitglieder der türkischen PKK und der syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD) gingen in der Region von Sinjar gegen die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) vor.

Irakische Peshmerga-Kämpfer der Kurden versuchten, Gebiete nördlich und östlich von Mossul zu sichern, sagte der ranghohe irakische Kurdenvertreter Hallo Penjveny.

Die radikalsunnitische Bewegung IS verfolgt auch gemäßigte Sunniten, Schiiten und die christliche Minderheit im Irak. Zuletzt drohte die Gruppe zudem mit einer Ausweitung ihrer Herrschaft auf das gesamte autonome Kurdengebiet. Die Jihadisten kontrollieren neben mehreren Regionen im Irak auch Teile Syriens. Für die von ihnen gehaltenen Gebiete haben die IS-Milizionäre ein Kalifat - einen Gottesstaat - ausgerufen. Am Mittwoch bombardierte die irakische Luftwaffe eine Gerichtsverhandlung der IS in Mossul und tötete dabei 60 Menschen.

UNO verurteilt Angriffe auf Minderheit

Der UNO-Sicherheitsrat hat die Angriffe der IS auf Minderheiten im Nordirak verurteilt. Die Verfolgung von Zivilisten aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit oder Religion könne ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, hieß es in einer Erklärung des Gremiums am Dienstag. Die Verantwortlichen müssten zur Verantwortung gezogen werden.

Der UN-Sicherheitsrat wies insbesondere auf die Angriffe auf Angehörige der Minderheit der Yeziden hin. Viele von ihnen seien hingerichtet, entführt oder zur Flucht gezwungen worden.

Kurden starten Offensive gegen Terrorgruppe
Displaced families from the minority Yazidi sect, fleeing the violence in the Iraqi town of Sinjarl west of Mosul, arrive at Dohuk province, August 4, 2014. Iraq's Prime Minister Nuri al-Maliki ordered his air force for the first time to back Kurdish forces against Islamic State fighters after the Sunni militants made another dramatic push through the north, state television reported on Monday. REUTERS/Ari Jala (IRAQ - Tags: CIVIL UNREST POLITICS)

Die IS-Kämpfer hatten die nordirakische Stadt Sinjar am Sonntag eingenommen. Nach Angaben einer yezidischen Abgeordneten wurden seitdem 500 Männer der Glaubensgemeinschaft getötet. 30.000 Familien säßen ohne Nahrung und Wasser in den Bergen fest. 70 Kinder und 30 ältere Menschen seien aufgrund der Unterversorgung bereits gestorben.

Die Yeziden sind eine kurdisch sprechende Minderheit, deren Religion teilweise auf dem Zoroastrismus beruht. Die Jihadisten betrachten sie als "Teufelsanbeter" und haben sie in der Vergangenheit wiederholt angegriffen.

Regierungsbildung könnte scheitern

Gegen starke Widerstände hält Iraks Regierungschef Nuri al-Maliki mit aller Macht an dem Amt fest. Wer gegen den "Kontext der Verfassung" verstoße, der zünde im Irak "das Höllenfeuer" an und verletze den Willen des Volkes, sagte Al-Maliki am Mittwoch in seiner wöchentlichen Fernsehansprache.

Kurden starten Offensive gegen Terrorgruppe

Der schiitische Politiker ist seit 2006 Regierungschef und will sich für eine weitere Amtsperiode wählen lassen. Er beruft sich dabei auf die Verfassung. Diese gibt dem größten politischen Block im Parlament das Recht, einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs zu nominieren.

Fast alle anderen politischen Kräfte lehnen jedoch eine erneute Kandidatur Al-Malikis ab. Sie machen ihn unter anderem für den Vormarsch der Terrorgruppe Islamischer Staat in großen Teilen des Landes verantwortlich. Laut Verfassung muss Staatspräsident Fuad Masoum bis Donnerstag einen Politiker mit der Bildung einer Regierung beauftragen.

Machtverteilung im Irak

Schiiten, arabische Sunniten und Kurden leben im Irak in einer fragilen Balance. Das politische System des Landes versucht mit einer konfessionsgebundenen Ämtervergabe Stabilität zu garantieren. Die Methode ist zwar nicht in der Verfassung verankert, aber seit 2005 Praxis: So erhält das Amt des Parlamentspräsidenten ein Sunnit, Staatspräsident wird ein Kurde und Ministerpräsident ein Schiit.

Im Irak war bereits Ende April ein neues Parlament gewählt worden. Die Partei des Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ging abermals als stärkste Kraft hervor - dennoch fehlt al-Maliki die Parlamentsmehrheit für eine neue Regierung.

Gemäß der Verfassung wurde zunächst der Parlamentspräsident gewählt. Ende Juli wurde nach langem Tauziehen der 76-jährige kurdische Politiker Fuad Masoum zum neuen Präsidenten des Landes gewählt. Am Donnerstag nun läuft für Masoum die Frist ab, den größten Parteienblock, also Al-Malikis Partei, mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Erst dann kann ein Ministerpräsident bestimmt werden.

Im Irak sind die Jihadisten am Donnerstag bis auf 90 Kilometer an die Hauptstadt Bagdad herangerückt. Kämpfer der sunnitischen Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIL/ISIS) eroberten die Stadt Dhuluiyah, nördlich von Bagdad, wie ein Stadtrat, die Polizei und Augenzeugen übereinstimmend berichteten.

Außerdem wurde bekannt, dass die irakische Armee die von der Terrorgruppe beschlagnahmte Stadt Tikrit nach Medienberichten zurückerobert hat. Das staatliche Fernsehen meldete am Donnerstag, die Armee habe wieder die volle Kontrolle über die zentralirakische Stadt, die am Vortag von Kämpfern der Gruppe gestürmt worden war. Auch die Nachrichtenseite Al-Sumaria News meldete unter Berufung auf die Polizei, die gesamte Stadt sei "nach gewalttätigen Auseinandersetzungen" wieder unter Kontrolle der Armee. Ministerpräsident Nuri al-Maliki habe zudem einen Luftangriff angeordnet.

Al-Maliki hatte angesichts des Vormarsches der Terrorgruppe auch die Verhängung des Notstands vom Parlament eingefordert. Viele Abgeordnete lehnen eine Ausweitung der Befugnisse für den umstrittenen Regierungschef jedoch ab. Die Beratungen im Parlament sind daher am Donnerstag gescheitert. Zahlreiche Abgeordnete blieben der Sitzung fern. Somit sei das Mindestquorum für ein beschlussfähiges Plenum nicht erreicht worden - die Entscheidung wurde vertagt.

Kurden nehmen Kirkuk ein

Die Öl-Stadt Kirkuk im Norden des Landes wurde indes von der Armee aufgegeben. Kurdische Sicherheitskräfte hätten die Stadt unter ihre Kontrolle gebracht, teilte einer ihrer Sprecher am Donnerstag mit. In den vergangenen Tagen hatte die extremistische Gruppe Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIL) die zweitgrößte irakische Stadt Mossul und weitere strategische Städte erobert.

Al-Maliki hat bereits die USA um militärische Unterstützung gebeten, Luftschläge wurden aber dem Vernehmen nach abgelehnt. Auch die Türkei erwägt nun einen Militäreinsatz, nachdem am Mittwoch im Irak 80 türkische Staatsbürger als Geiseln genommen wurden.

Minister entging Attentat

Der für die Sicherheitskräfte in der irakischen Kurdenregion zuständige Minister ist indes am Donnerstag einem Attentatsversuch entgangen. Jaafar Mustafa sei von einem Besuch bei sogenannten Peshmerga-Einheiten südwestlich von Kirkuk zurückgekehrt, als beim Passieren seines Konvois eine Bombe explodiert sei, sagte ein kurdischer Militärsprecher. Dabei sei ein Mitglied der Pescmerga getötet worden.

Polit-Chaos ausgenutzt

ISIL dürfte nicht einfach zu stoppen sein. Geschickt nutzt die Terrorgruppe das Chaos im Irak aus. Seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein 2003 regiert die schiitische Mehrheit das Zweistromland. Die Minderheit der Sunniten, einst herrschende Elite, fühlt sich ausgegrenzt und verfolgt. Der schiitische Premier Al-Maliki, seit 2006 im Amt, hat die Spaltung der Gesellschaft aufrechterhalten, etwa durch Massenverhaftungen. In diesem Klima ist die Loyalität zur Regierung nicht allzu groß, bei Stammesführern, Unternehmern und einfachen Leuten, und auch bei Armee und Polizei. Das gilt besonders für Mossul, das bereits nach Saddams Sturz sunnitische Rebellen-Hochburg war und seit dem US-Abzug 2011 wieder ist.

Ohne ein Umdenken der Regierung, so Beobachter, wird ISIL weiter Erfolg haben. Irakische Politiker müssten mehr leisten, warnen auch die USA – "und das gilt auch für Al-Maliki".

Er gehört seit Jahren zu den zentralen Figuren der Kurden-Bewegung in der Türkei und der Kurden-Partei BDP. Seit den Kommunalwahlen im März ist Ahmet Türk Bürgermeister der Stadt Mardin im Südosten des Landes, 40 km von der syrischen Grenze entfernt. Mit Journalisten sprach der 71-Jährige über......

die Situation in Syrien und dem Irak (nach der Offensive der ISIS, einer Islamisten-Truppe, die in Syrien gegen die dortigen Kurden und im Irak gegen die Schiiten-Regierung kämpft)

Sie hätten Mossul nicht einnehmen können ohne Unterstützung von außen. Ein Helfer dabei ist die Türkei. Sie hat beispielsweise alle verletzten islamistischen Kämpfer sofort die Grenze passieren lassen, während das nicht einmal Zivilisten durften.

... die Auswirkungen des Chaos auf die türkischen Kurden

Wir Kurden wurden immer schon geteilt, und unsere Rechte wurden beschnitten. Aber wir kennen die Situation im Mittleren Osten sehr gut. Wir wollen in Frieden zusammenleben. Doch die Türkei wollte uns immer assimilieren, sie hat uns nie als Volk akzeptiert.

... die Ziele der Kurden

Wir wollen in der Türkei als Kurden zusammenleben und mit den Türken in Eintracht.

... den Friedensprozess mit Ankara

Anfangs hatte die Bevölkerung Hoffnung in die Regierung gesetzt, doch jetzt haben die Menschen diese verloren.

... Abdullah Öcalan, den inhaftierten Anführer der Kurden-Guerilla PKK

Obwohl die Spannungen in der Region derzeit sehr hoch sind, kam von ihm jüngst die Botschaft, dass der Friedensprozess weitergeht. Faktum ist: Öcalan vertrauen die Menschen. Ohne seine Freilassung wird es keinen nachhaltigen Frieden geben.

... sein Bürgermeisteramt

Wir versuchen hier demokratische Strukturen zu entfalten, für alle, Araber, Türken, Kurden. Mardin ist ein strategisch wichtiger Platz in Kurdistan. Deswegen macht Ankara alles, um uns zu schwächen. Ein Beispiel: Der Stadt wurden die Kompetenzen für die Verwaltung auch der umliegenden Gebiete übertragen, die bisher die Zentralregierung wahrgenommen hatte. Dafür ist auch die Übertragung von 2168 speziellen Administrationsgebäuden bzw. -flächen vorgesehen. Bisher wurde nur der Friedhof übergeben.

Seit der Machtübernahme der radikal-sunnitschen Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS) in weiten Teilen des Irak droht das Land zu zerfallen. Mit der Ausrufung eines Kalifats hat so etwas wie eine Zeitwende im Nahen Osten eingesetzt.

Die Big Player im Irak-Konflikt bleiben die gleichen: USA, Iran, die Golfstaaten, Türkei und die Kurden. Die Verhältnisse zwischen Ihnen sind aber äußerst komplex und für Laien nur schwer verständlich.

Iran und USA

Rund 35 Jahren, seit der Islamischem Revolution mit dem Sturz des Schahs, der Geiselnahme von 52 US-Bürgern für 444 Tage 1979-1980 und der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran, herrscht diplomatischer Stillstand zwischen den beiden Staaten. In den vergangenen Jahren kam der Streit um das iranische Atomprogramm erschwerend dazu.

Die Machtübernahme der ISIS in machen Teilen des Irak veranlasst die amerikanische und iranische Regierung zu gemeinsamen Gesprächen. Während US-Präsident Barack Obama etwa 800 Militärberater nach Bagdad sendet, kann sich Irans Präsident Hassan Rohani Waffenlieferungen an das irakische Militär vorstellen. Warum? Der hauptsächlich schiitische Iran führt engste Beziehungen zur irakischen Regierung, die ebenfalls schiitisch dominiert ist. Gemeinsam will man die sunnitische ISIS-Bewegung stoppen.

Aber das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran ist trotz der gemeinsamen Vorgehensweise im Irak weiterhin angespannt. Vor allem der Bürgerkrieg in Syrien stellt derzeit eine unüberwindbare Hürde dar. Der Iran untersützt das Regime von Bashar al-Assad, das gegen die sunnitischen Rebellen vorgeht. Die USA hingegen stärken den Oppositionellen den Rücken, was der iranischen Regierung nicht gefällt.

USA und Golfstaaten

Kuwait, Bahrain, Saudi Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Oman (Golfstaaten) wollen gemeinsam mit den USA die Nuklearwaffen-Bestrebungen des Iran stoppen und somit den iranischen Einfluss in Nahost unterbinden.

Vor allem Saudi Arabien (mehrheitlich sunnitisch-wahabitisch) kämpft gegen den schiitischen Iran um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Einer Meinung sind sich die USA und die Golfstaaten auch in Bezug auf den Bürgerkrieg in Syrien: gegen Assad, für die syrischen Rebellen.

Aber die USA sind auf Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi Arabien nicht gut zu sprechen. Diese gelten nämlich als wichtige Finanziers der sunnitisch-militanten Bewegungen im Irak und Syrien.

In Katar ist auch der Sitz des TV-Senders Al Jazeera. Der Emir finanziert die ägyptische Muslimbruderschaft, was zu Spannungen zwischen Saudi Arabien und Katar führte. Die Golfstaaten wiederum lehnen die von den USA unterstützte schiitisch-dominierte Regierung Iraks ab - der irakische Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki ist ihnen ein Dorn im Auge.

Türkei und irakische Kurden

Ablehnend stehen sich die Türkei und die Kurden gegenüber. In den letzten Jahren gab es aber mehrere Annäherungsversuche, was zu einer breiten, finanziellen Beziehungen zwischen ihnen führte.

Der anhaltende Bürgerkrieg in Syrien ist ein großes Problem für die Türkei und für die dort ansässigen Kurden. Die türkische Regierung fürchtet weitere Flüchtlingsströme und neue Kampfhandlungen nahe der syrisch-türkischen Grenzen. Die Kurden fühlen sich von dem Vormarsch der ISIS bedroht - sie könnten kurdisch bewohnte Gebiete in Syrien übernehmen. Man einigte sich deshalb auf eine Zusammenarbeit in Syrien.

Aber die Regierung in der Türkei ist über den Erfolg der Kurden über die sunnitische ISIS im Irak besorgt. Die Türkei befürchtet, dass die Autonomiebestrebung (siehe hier) der irakischen Kurden auf die kurdische Bewegung in der Türkei überspringen könnte. Deswegen misstrauen die Kurden jegliche Intervention der Türkei im Irak - es könnte ein Hinterhalt sein.

Kurden und al-Malikis Regierung

Nachdem der Präsident der autonomen Region Kurdistan im Nordirak, Masud Barzani, in einem BBC-Interview ein Unabhängigkeitsreferendum angekündigt hat, ist das Verhältnis zu al-Maliki noch angespannter. Wenn es um Öl-Gewinne, Grenzen und die Autonomiebestrebung geht, sind Kurden und die irakische Regierung gegensätzlicher Meinung,

Die Mehrheit der Kurden im Nordirak sind Sunniten. Regierungschef al-Maliki macht jedoch keine Anzeichen, für eine Einheitsregierung der Schiiten, Sunniten und Kurden weichen zu wollen. Die politische Partizipation der Kurden in Bagdad bleibt also weiterhin aus.

Aber Kurden und die Regierung al-Malikis machen sich gegen eine sunnitisch-militante Übernahme Iraks und Syriens stark. Gemeinsam gehen sie taktisch gegen die Terrorgruppe ISIS vor.

Golfstaaten und ISIS

Der gemeinsame Feind sitzt in Syrien: Bashar al-Assad. Durch finanzielle Mittel der Golfstaaten (Katar, Arabische Emirate und Saudi Arabien) werden die sunnitischen Rebellen im syrischen Bürgerkrieg unterstützt. Gemeinsam teilen sie auch eine Antipathie gegenüber schiitischen Regeln und dem iranischen Einfluss im Irak und in der Region.

Aber die Golfstaaten betrachten die Terrorgruppe ISIS und das Ziel eines kompromisslosen Kalifats als zu extrem und bedrohlich für den Nahen Osten. Die Rebellen sehen in den Golfstaaten korrupte Machenschaften und unreligiöse Ansichten, die mit einem islamischen Staat nicht vereinbar sind.

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