IS-Terroristen wollen Kaaba zerstören

Kaaba
Dabei handelt es sich um ein zentrales Heiligtum des Islam.

Mitglieder der radikalislamischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die in Syrien und im Irak wütet, haben angeblich dazu aufgerufen, das wichtigste Heiligtum des Islam zu zerstören - die Kaaba in Mekka. "Die Menschen gehen nach Mekka, um Steine zu berühren, nicht wegen Gott", soll der mutmaßliche IS-Jihadist Abu Turab al-Mugaddasi laut Medienberichten auf Twitter geäußert haben.

Und deshalb werde man demnächst in Saudi-Arabien einfallen und das Heiligtum schleifen, erklärte Mugaddasi auf dem inzwischen gelöschten Tweet. "Wenn es der Wille Allahs ist, werden wir die, die Steine anbeten, töten und die Kaaba zerstören." Der Aufruf wurde von türkischen Medien aufgegriffen und sorgte für Aufregung in der islamischen Welt.

Nur 15 Autostunden entfernt

Die IS (vormals ISIS/ISIL) plant angeblich die Stadt Arar in Saudi-Arabien nahe der Grenze zum Irak zu erobern. Sie ist nur 15 Autostunden von Mekka entfernt, wo sich die Kaaba befindet. Es handelt sich dabei um einen über zehn Meter hohen schwarzen Würfel aus Granit in der Heiligen Moschee von Mekka. Das zentrale Heiligtum der Muslime gilt als ihr wichtigster Wallfahrtsort. Weltweit beten Muslime in Richtung dieses Gebäudes, die Reise zur Kaaba einmal im Leben gehört zu den fünf Säulen des Islam.

In den von ihnen kontrollierten Gebieten im Irak zerstören die IS-Jihadisten Moscheen, Schreine und Denkmäler - ähnlich den Taliban, die Anfang 2001 im afghanischen Bamiyan zwei riesige Buddha-Statuen sprengten und damit für weltweite Empörung sorgten, wie "Spiegel Online" anmerkt.

Bewohner von Mossul berichteten, mehrere heilige Stätten in ihrer Stadt seien vernichtet worden, darunter das Grab des Propheten Daniel. IS habe außerdem angekündigt, eines der berühmtesten Minarette des Landes, gebaut im zwölften Jahrhundert, zerstören zu wollen.

Die Miliz selbst rechtfertigte sich am Mittwoch per E-Mail und auf ihrer Webseite. "Die Zerstörung von Bauten, vor allem jener, die auf Gräbern errichtet wurden, ist Bestandteil der Reinhaltung unserer Religion", heißt es dort.

HRW: Regierung tue nichts gegen Gewalt

Regierungstreue Schiiten-Milizen haben im Irak nach Angaben von Menschenrechtlern in den vergangenen Monaten Dutzende sunnitische Zivilisten entführt und umgebracht. Die Taten machten deutlich, dass die Gewalt zwischen den Konfessionen im Land eskaliert sei, teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Donnerstag mit. Sie rief die Regierung auf, das Töten zu stoppen.

Allein von Anfang Juni bis Anfang Juli seien in Orten um Bagdad herum 61 sunnitische Männer umgebracht worden, sagten die Menschenrechtler. In einem Fall hätten Schiiten die beiden sunnitischen Besitzer eines Cafes vor den Augen ihrer Kunden mit Kopfschüssen getötet.

"Die Regierung scheint zu glauben, dass sie ihre Hände reinwaschen kann, wenn die Menschen den Milizen die Schuld für die Tötungen geben"

Human Rights Watch warf der irakischen Regierung vor, die Morde gutzuheißen. Ministerpräsident Nuri al-Maliki habe seit Beginn des Vormarsches der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) neue Sicherheitskräfte aus Milizen gebildet. Er unternehme nichts, wenn diese Menschen töteten.

Die islamische Welt brennt. Nirgendwo geht es so gewalttätig zu wie dort: Von Gaza bis zu Syrien und Irak. Andere Kleinkriege im Jemen oder Afghanistan kommen dazu. Neben reellen Raketen bombardieren soziale Medien wie Twitter und Facebook rund um die Uhr: Islamisches Kalifat morgen in Europa? Junger Mann sprengt sich mitten in Europa in die Luft? Muslime, die neue Kriegsgefahr?

In Zeiten der weit verbreiteten und zum Teil berechtigten Ängste ist es gut, den Boden der Realität nicht zu vergessen. Im Nahen Osten sieht die Realität folgendermaßen aus:

  1. Die größten politischen Verbrechen in der arabischen Welt werden heute nicht von islamisch-radikal orientierten Gruppen verübt, sondern von anti-religiösen Herrschern: Unter dem Islamisten-Bekämpfer, dem ägyptischen Präsidenten Sisi, sind laut Menschenrechtsorganisationen mehr als 15.000 Menschen in politischer Haft. Hunderte Todesurteile gegen politische Gegner wurden gefällt. Ähnliche Bilanz in Assads Syrien. Der lange Zeit als "modern" geltende syrische Präsident ist verantwortlich für den Tod von Abertausenden Zivilisten, Millionen Syrer sind auf der Flucht. Assad bekämpfte die gemäßigte Opposition solange, bis nur mehr radikale Muslime übrig blieben. Jetzt klagt Assad, er führe ja nur den Kampf gegen die Islamisten – die er selbst geschaffen hat. Hunderte von ihnen entließ er aus den Gefängnissen.
  2. Nicht alles, was uns schockt, ist islamisch: Vor einigen Tagen erregte die Meldung, die ultra-radikale IS ("Islamischer Staat" im Irak und in Syrien) würde die Frauen-Genital-Verstümmelung einführen. Es war eine Falschmeldung. Diese frauenverachtende Beschneidung wurde in die arabische Welt aus Afrika eingeführt. Sie hat nichts mit Religion zu tun. Selbst christliche Familien in Ägypten beschneiden ihre Töchter. Einige islamische Gelehrte treten gegen diese Tradition auf.
  3. Kopftuchtragen wurde im Nahen Osten nicht von den Radikalen eingeführt. Junge Mädchen tragen es seit Langem aus vielerlei Gründen: Weil sie religiös sind. Weil sie von ihren Familien dazu gezwungen werden. Weil sie sich auf der Straße schützen wollen vor den Männern. Die ersten Vergewaltigungen auf dem Tahrir- Platz in Kairo wurden laut einem ägyptischen Schriftsteller nicht von Islamisten organisiert – der Geheimdienst war es, um so rebellische junge Frauen einzuschüchtern.
  4. Junge europäische Muslime, die nach Syrien gehen, um dort zu kämpfen, sind eine verschwindende Minderheit. Ein ehemaliger britischer Geheimdienst-Chef, Richard Dearlove, warnte vor Kurzem vor einer Hysterie bezüglich der Radikalen. Das Problem werde übertrieben: "Besser wir ignorieren diese Leute."
  5. Die islamische Welt ist nicht auf dem Vormarsch, im Gegenteil. Sie bricht in sich zusammen. Kein Staat im Nahen Osten hat mehr eine halbwegs funktionierende Armee – abgesehen von Israel. Radikale Gruppen träumen von der Weltherrschaft. Bisher ist jedes islamische Kalifat – ob in Afghanistan oder sonstwo – an Unfähigkeit gescheitert. Der sowjetische Diktator Josef Stalin fragte einmal, wie viele Divisionen der Papst habe? Er wollte damit sagen, er fürchte einen wie den Papst nicht. IS im Irak und Syrien hat genauso wenige Divisionen wie Papst Franziskus.
  6. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist nicht das Hauptproblem des Nahen Ostens. Er ist der übliche Blitzableiter für soziale Missstände. Wer so tut, als wären die Israelis an allem Schuld, hilft nur Assad und den Radikalen.
  7. Ob es uns gefällt oder nicht, Religion spielt im Nahen Osten bei der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Bei einer Umfrage sagten 80 Prozent der Ägypter, sie seien fromm (nur ein Viertel der Deutschen ist heute religiös). Islam bedeutet aber mehr als Beten. Islam ist der soziale Kitt. Moscheen sind an vielen Orten "Sozialministerien". Islamische Gruppen verteilen Lammfleisch an Bedürftige. Im Gazastreifen ist Hamas der größte Arbeitgeber. Es gibt keinen anderen. Islamische Parteien nennen sich nicht umsonst oft "Gerechtigkeitsparteien".
  8. Viele Muslime glauben, der Westen sei zu materialistisch. Jeder sei nur auf sich bedacht. Im Gegensatz dazu würden im Nahen Osten unverändert Familie, Glaube, Tradition zählen. Radikale treiben diese Kritik noch auf die Spitze. Sie verlocken verunsicherte Jugendliche mit der Idee, man müsse noch mehr in der Vergangenheit leben. So wie zu Zeiten des Propheten Mohammed – im 7. Jahrhundert.
  9. Radikale Islamisten haben trotz ihrer Verführungen nicht mehr Zuspruch als vor zehn Jahren. Seit den September-Anschlägen 2001 in den USA haben sie an Unterstützung verloren. Proteste pro El Kaida gibt es kaum. Ohne massive Unterstützung von Iraks mächtigen Stämmen und Anhängern des gestürzten Saddam Hussein würde IS keine Stellung halten können.
  10. Ist die arabische Welt eine Welt des Mittelalters, dann vor allem in der Wirtschaft: "Oben" sitzt eine kleine, gut ausgebildete, meist reiche Nomenklatura. Sie heißt Mubarak-Clan, Assad-Clan, Gaddafi-Clan. Steuern zu zahlen, kennt sie nicht. Korruption ist weit verbreitet. Soziale Verantwortung ist ihr meistens fremd – die überlässt sie den Moscheen. Diese Elite sorgte, auch mit Unterstützung des Westens, jahrzehntelang für Ruhe und Ordnung in der arabischen Welt. Auf Kosten der Menschenrechte, auf Kosten der Demokratie.
  11. Das Ergebnis sehen wir heute. Es gibt weder das eine noch das andere: Keine Demokratie. Keine Ordnung. Nur Chaos und Gewalt.
IS-Terroristen wollen Kaaba zerstören
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Antonia Rados, ehemalige ORF-Journalistin, ist RTL-Chefreporterin und bereist vor allem Nah- und Fernost.

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