Fieberhafte Suche nach britischem IS-Kämpfer

New Scotland Yard
Medienberichten zufolge soll der Dschihadist Anführer einer Gruppe englischsprachiger IS-Terroristen sein.

Vor laufender Kamera wurde der US-Reporter James Foley von der IS-Terrorgruppe ermordet. Nach dem Tod des Journalisten geht die Suche nach dem IS-Terroristen mit britischem Akzent weiter. Die britische Zeitung The Guardian berichtet am Donnerstag, dass sich der Dschihadist "John" nennt und Anführer einer englischsprachigen IS-Gruppe sei, die sich um ausländische Gefangene "kümmert". Insgesamt seien die Geiselnehmer zu Dritt und befinden sich laut Quellen des Guardian in der syrischen Stadt Raqqa. Identifiziert wurde "John" von ehemaligen Geiseln der Terrormiliz.

Gruppe wurde "The Beatles" genannt

Wegen ihrer Nationalität seien die drei englischsprachigen Dschihadisten von den Geiseln "The Beatles" genannt worden. "John", der Anführer, sei außerdem intelligent, gebildet und ein strenggläubiger Islamist. Die US-Bundespolizei FBI, der britische Inlandsgeheimdienst MI5 und Scotland Yard versuchen jetzt, "Johns" Identität zu lüften. Bereits freigelassene Geiseln sollen bei der Aufklärung helfen.

Zu den Aufgaben dieser Gruppe gehöre, die Familien der Gefangenen zu kontaktieren und Lösegeldforderungen vorzugeben. Diese Diskussionen würden über das Internet stattfinden, so eine Ex-Geisel. Auch vor Foleys Ermordung benachrichtigten die Entführer, darunter auch "John", die Familie des US-Reporters, wie der Chef der GlobalPost, Philip Balboni, dem US-Fernsehsender MSNBC sagte. Die Geiselnehmer seien mehrere Wochen lang mit der Familie und der Website in Kontakt gewesen. Dann sei der Kontakt aber abgebrochen.

Die New York Times berichtet indes, dass der IS für den Journalisten ein Lösegeld in Höhe von 100 Millionen Dollar (75 Mio. Euro) gefordert hatte. Die US-Regierung habe eine Zahlung abgelehnt.

Experte: Multikulturelles London-Englisch

Nun melden sich auch immer mehr Linguistik-Experten zu Wort. Paul Kerswill, Professor an der Universität von London, glaubt, dass der Dschihadist ein "multikulturelles London-Englisch" spricht. Dieser Dialekt komme am Häufigsten im Osten Londons vor.

"Er hat wahrscheinlich einen Fremdsprachenhintergrund, aber es klingt nach einem multikulturellen London-Englisch."

„John“ soll laut Experten einer von rund 500 in Großbritannien geborenen Dschihadisten seien, die durch die Kämpfe in Syrien und dem Irak immer gewaltbereiter werden. Der frühere Leiter der Anti-Terror-Abteilung des britischen Geheimdienstes, Richard Barrett, sieht immerhin gute Chancen, dass der Mörder Foleys früher oder später gefasst wird. Die Ermittler könnten auf Hinweise aus dem Umfeld des Täters in seiner Heimat hoffen, sagte Barrett am Donnerstag der BBC. Auch wenn der Bürgerkrieg in Syrien eine Festnahme erschwere, werde der Dschihadist am Ende vor Gericht landen.

Einfluss auf den Westen

Warum wurde "John" für die Hinrichtung ausgewählt? Dass ein Dschihadist mit englischem Akzent im Hinrichtungsvideo von Foley auftrat, ist für Peter Neumann kein Zufall. Der Direktor des Internationalen Zentrums für Radikalisierungsforschung am Kings College in London, kommt zum Schluss: Die Terrorgruppe will zeigen, welchen Einfluss sie auf den Westen hat. "Das ist bedeutend für die IS, weil sie somit zeigt, dass sie auf den Westen hinabsieht. Sie sagen, wir kommen zu euch, wenn ihr weiterhin Bomben auf uns abwerft."

Bekannt ist auch, dass die Terrormiliz nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 4000 Gefangene in Syrien in ihrer Gewalt hat. Darunter seien auch "einige Dutzend Ausländer", sagte ein Sprecher der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Rund 20 Gefangene seien Amerikaner und Europäer.

Wegen den anhaltenden US-Luftschläge im Irak, folgte eine Drohung der Terrormiliz: Sollten die USA ihre Angriffe fortsetzen, würden sie einen zweiten Gefangenen umbringen: Den Journalisten Steven Sotloff. Der US-Amerikaner verschwand 2013 in der Nähe von Aleppo.

Vor gut einer Woche hat der heimische Öl- und Gaskonzern OMV die letzten Mitarbeiter von den Testbohrungen im Nordirak wegen des anhaltenden Konflikts nach Wien zurückgeholt. Fünf Österreicher arbeiteten zuletzt noch am Bina Bawi-Gasfeld östlich von Erbil.

Die Gasförderung aus dem Feld ist nach Angaben der OMV noch nicht angelaufen. Im Vorjahr hat es zwar einige erfolgreiche Probebohrungen gegeben. Seit rund einem dreiviertel Jahr aber sei die Suche eingestellt. Die ersten Ergebnisse hatte OMV-Explorationschef Jaap Huijskes damals als "sehr vielversprechend" bezeichnet. Noch aber sei nichts sicher, die Daten würden von den Experten analysiert, um zu sehen, ob es kommerziell sinnvoll sei, in Bina Bawi Gas zu fördern. Dieser Analyse-Prozess könne Jahre dauern, betonte OMV-Sprecher Johannes Vetter. Der Stopp der Arbeiten im Bina-Bawi-Feld sei daher keine große Belastung für den Konzern. Die OMV hat die Gas-Exploration im Nordirak vor Jahren begonnen. Damals war noch der Bau der Nabucco-Gaspipeline ein Thema. Über diese Leitung hätte das nordirakische Gas nach Europa transportiert werden sollen.

Die OMV betreibt die Gas-Exploration am Bina-Bawi-Feld nicht allein. Mit an Bord ist die britisch-türkische Genel Energy mit 44-Prozent-Anteil, die vom Ex-BP-Chef Tony Hayward geleitet wird. Die OMV hält 36 Prozent, die kurdische Regionalregierung 20 Prozent.

Die meisten Flüchtlinge konnten nur ihr nacktes Leben retten. Von den knapp 600.000 Menschen, die in den vergangenen Wochen im Nordirak vor den Dschihadisten der IS ("Islamischer Staat") flohen, besitzt die Mehrheit nur das, was sie am Leib trägt.

Obgleich in der autonomen Kurden-Region in Sicherheit, hat der Überlebenskampf der Vertriebenen aufs Neue begonnen: Viele lagern einfach neben Straßen, in leeren Hallen, auf Baustellen oder in Parks. Oft teilt sich ein Dutzend Menschen einen Pappendeckel, um darauf zu schlafen. Die Kurdenregierung in Erbil ist angesichts des derzeit größten Flüchtlingsdramas der Welt heillos überfordert.

Und die Zeit drängt: In spätestens zwei Monaten kann es im Nordirak bereits empfindlich kalt werden. Bis dahin muss die riesige Flüchtlingszahl versorgt sein, um den nahenden Winter zu überleben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR startete deshalb diese Woche seine größte Hilfsaktion seit einem Jahrzehnt. Von Jordanien aus fliegt derzeit täglich eine Boeing 747 nach Erbil ein mit jeweils 100 Tonnen Hilfsgütern an Bord. Hunderte Lastwagen rollen von der Türkei, dem Iran und Jordanien aus in die Krisenregion. Geladen haben sie Zelte, Decken, Geschirr-Sets, Benzinkanister, Medikamente, Nahrung, Wasser.

Österreich hilft mit

Auch Österreich beteiligt sich an dieser Hilfsaktion: Eine Hercules-Transportmaschine des Bundesheeres transportierte gestern knapp zehn Tonnen Hilfsgüter nach Leipzig. Dort wurden die Hilfsgüter umgeladen und von der Bundeswehr nach Erbil geflogen.

Doch die Flüchtlingskatastrophe hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Mehr als zehntausend jesidische Flüchtlinge verstecken sich in unzugänglichen Regionen vor den Islamisten und sind von jeder Hilfe abgeschnitten. Und auch Tausende Christen haben ihre Dörfer im Ninive-Tal Hals über Kopf in Richtung Kurdistan verlassen. Die einmarschierenden Islamisten hätten die leer stehenden Kirchen dort alle verwüstet, berichtet der irakische chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael I.. Alle Dokumente und Manuskripte seien zerstört worden, manche von ihnen waren 1500 Jahre alt.

Wie ein "Schwarm" seien sie über das Dorf hereingebrochen: Ein "Kavallerieangriff", dem Selbstmordattentäter mit sprengstoffbeladenen Wagen vorausgeeilt seien: Wer Berichte von Augenzeugen aus dem Nordirak über die Angriffe der Organisation "Islamischer Staat" (IS) liest, fühlt sich an die Attacken mittelalterlicher Reiterhorden erinnert. Dahinter aber steckt überlegte moderne Taktik.

Seit der Prediger Abu Bakr al-Baghdadi 2010 die Führung der damals unbedeutenden islamistischen Miliz übernahm, begann er, die Truppe militärisch zu reorganisieren. "Eine professionelle, militärische Haltung", schreibt der renommierte US-Experte Charles Lister dem IS gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu. Dafür wurden Profis engagiert. Saddam Husseins wichtigster General Issat Ibrahim al-Duri soll seit 2010 für den Aufbau der Truppe verantwortlich sein, mit ihm Dutzende andere Offiziere aus der Armee des Ex-Diktators.

Bevor also die scheinbar mittelalterlichen Horden über die Dörfer herfallen, sorgt ein Netzwerk von Informanten und großzügig bestochenen Überläufern für die Vorbereitung. Dazu gehört etwa die konsequente Verbreitung von angstmachender Propaganda unter der Bevölkerung. Wie gut die funktioniert, zeigen die Berichte über Dörfer und ganze Städte, die dem IS kampflos überlassen wurden. Die Panik vor den Gräueltaten der islamistischen Fanatiker hatte die Menschen in Panik flüchten lassen. Selbst die als kampferprobt geltenden kurdischen Milizen leisteten vielerorts keine Gegenwehr.

Zugleich wird in den zu erobernden Gebieten genau ausgeforscht, was dort an Infrastruktur und Ressourcen vorhanden ist. Ob es sich nun um Getreide- oder Ölfelder, aber auch einen Staudamm handelt: Was der IS für sein sogenanntes Kalifat brauchen kann, wird nicht zerstört.

Und nicht nur das, es wird umgehend wieder gewinnbringend eingesetzt. Von den von den Kurden übernommen Ölquellen läuft der Schmuggel in Richtung Türkei quasi lückenlos weiter.

Milliardenbudget

"Eine wesentliche Quelle der Finanzierung" nennt der deutsche Nahost-Experte Günter Meyer gegenüber der Deutschen Welle diesen Ölhandel. Es ist bei Weitem nicht die einzige Geldquelle.

Den derzeit größten Brocken ihres Vermögens hat der IS mit der Einnahme von Mossul und der Plünderung der dortigen Filiale der irakischen Zentralbank an sich gerafft. Mehr als 300 Millionen Euro sollen ihm dabei in die Hände gefallen sein. Insgesamt aber, so schätzen irakische Regierungsvertreter, soll Al-Baghdadis Organisation mehr als zwei Milliarden Euro Budget haben. Ein Gutteil davon soll aus den Staaten der Arabischen Halbinsel, allen voran Katar, Kuwait und Saudi-Arabien, fließen. Was die Scheichs in diesem Fall besonders großzügig stimmte, war der Kampf des IS gegen das Assad-Regime in Syrien. Ähnlich wie bei El-Kaida gibt es im weiteren Umfeld der Herrscherhäuser genügend reiche Finanziers für die Dschihadisten, auch wenn sich die saudische Führung inzwischen offiziell von ihnen distanziert.

Bedroht fühlt sich das Königreich vor allem durch die Tausenden saudischen Kämpfer, die für den IS an der Front in Syrien und im Irak stehen. Auch in der Rekrutierung ausländischer Kämpfer ist Al-Baghdadis Organisation effizienter als jede islamistische Terrorgruppe vor ihr.

Bis zu 3000 der mehr als 10.000 Dschihad-Söldner kommen aus Europa – auch aus Österreich. Anwerbung und Transport an die Front sind gut organisiert. Erfahrene Kämpfer werden nach Europa geschickt, um den Nachwuchs – samt Spenden aus deren Umfeld – zu dirigieren. Ein Netzwerk, so solide organisiert, dass es auch militärische Rückschläge aushält. "Der IS ist mittlerweile so stark geworden", so US-Experte Lister, "dass jede Gegenstrategie Jahre brauchen wird".

Lesen Sie in der Chronik über die Verhaftung islamistischer Kämpfer in Österreich.

Zeigen oder nicht zeigen? Das IS-Video, das die Enthauptung des US-Journalisten Foley zeigt, hat die Debatte über den Umgang mit derart bestialischen Bildern neu aufflammen lassen: Im Feuilleton und im Netz wurde unter dem Hashtag #ISISmediaBlackout gefordert, die Verbreitung des Materials zu unterlassen.

Das Argument: Man bediene schließlich die Propaganda-Maschinerie der Terrorgruppe – denn die Dschihadisten ebnen sich ihren Weg nicht nur im Kampf, sondern auch mit viralen Strategien. So produziert man etwa Kriegsfilme, die in ihrer Hochglanz-Optik jedem US-Blockbuster Konkurrenz machen: Zuletzt wurde "Das Klirren der Schwerter IV" hunderttausendfach angeklickt, bevor Youtube es gelöscht hat – in dem Film mischen sich reale Szenen der IS-Dschihadisten mit gestellten Aufnahmen, die frappant an US-Filme wie „Zero Dark Thirty“ oder „The Hurt Locker“ erinnern; Slow-Motion und professionelle Nachbearbeitung inklusive.

Die perfekte Waffe

Auf Youtube ist das Video zwar nicht mehr zu finden, dafür aber auf diversen anderen, unbekannteren Seiten. Um Sperren auf den großen Portalen zu umgehen - die dafür zwar ohnehin einige Zeit brauchen, aber für den medialen Feldzug der Kämpfer unabdingbar sind -, hat die Gruppe eine App namens "Dawn of the Glad Tidings" (deutsch: Dämmerung der guten Neuigkeiten) entwickelt: Mithilfe dieser App, verfügbar für iPhone wie Android, können die Kämpfer ihre Propaganda über die Twitter-Accounts ihrer Sympathisanten verbreiten – hat man die Applikation einmal heruntergeladen, haben die Dschihadisten Zugriff auf das soziale Netz des Nutzers. Die perfekte Waffe nahezu - damit umgeht IS nämlich auch das ewige Spiel des Account-Löschens, Account-Neu-Eröffnens auf Twitter.

Dschihad-Katzen

Doch auch auf Facebook und Instagram zeigt die Terrormiliz Präsenz – dort oft über die Accounts der Kämpfer selbst, die sich dort mit Kampf-Fotos oder Aufnahmen aus dem privaten Umfeld zeigen. Höchst beliebt sind seit geraumer Zeit Fotos mit Katzen: „Cats of Jijhad“ nennt sich der Trend, man posiert mit Waffen, in Montur und seinen felinen Freunden; eine Reverenz an Mohammed, der selbst ein großer Katzenfreund gewesen sein soll.

Dies soll vor allem – Stichwort Vorbildwirkung – der Rekrutierung neuer Kämpfer dienen, der Coolness-Faktor der Bilder fördert dies natürlich. Aber auch abschrecken will man damit: Ankündigungen, welches Ziel als nächstes angegriffen werde, haben schon oft zur Flucht der Bevölkerung und auch der gegnerischen Einheiten geführt. Zu jenem Zeitpunkt, als IS auf dem bisherigen Höhepunkt ihres Vormarsches ankündigte, Bagdad erobern zu wollen, fand man auf Twitter unter dem Hashtag #Baghdad ausschließlich Material der IS-Propagandisten.

Schmaler Grat

Viral ist derzeit auch ein anderes Video – und zwar die mehrteilige Reportage von Vice, die die IS-Terroristen in Syrien zeigt: Reporter des Portals, das für seine eigenwilligen Zugänge zu Geschichten bekannt ist, haben die Kämpfer bei all ihren, teils unmenschlichen Aktivitäten begleitet. Dass dies in all seiner Schrecklichkeit gezeigt wird, hat Vice nicht nur Lob eingebracht; auf der anderen Seite machten sich viele stark für die Reportage, da es bisher kein anderes Medium gewagt hatte, sich so nah an die Terroristen heranzuwagen.

Die Debatte, wie sehr man sich selbst zum Mitläufer macht, wenn man Material der IS zeigt, wird also mit Sicherheit noch weitergehen. Twitter hat übrigens auf den "Blackout"-Aufschrei reagiert: Alle Accounts, die das Enthauptungs-Material verbreiten, werden nun kurzerhand gesperrt.

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