Hunderte wateten durch reißende Flüsse über die Grenze nach Mazedonien
Im Morgengrauen seien sie aufgebrochen, wird die Nachricht in der Schlange vor der Essensausgabe weitergereicht. Mehrere Hundert Menschen, später wohl mehr als tausend, machten sich tatsächlich auf den Weg, um über die Berge nach Mazedonien zu kommen. „Die haben sogar einen im Rollstuhl geschoben“, erzählt ein italienischer Sanitäter völlig entgeistert über seine Begegnung mit einer Gruppe, die die Zeltstadt verließ.
Schnee in den Bergen
Das Grenzgebirge zu Mazedonien ist hoch. Der Niederschlag der letzten Tage hat oben Schnee in Massen abgeladen. Überall dort, wo die Grenze zu Fuß einigermaßen erreichbar ist, hat Mazedonien seinen Grenzzaun aufgestellt, vier Meter hoch, in zwei Reihen und mit Stacheldraht oben drauf.
Dennoch schafften es die Flüchtlinge in langen Kolonnen in gebirgige Abschnitte, wo die Grenze unbefestigt ist und Felsabhänge und scheinbar unüberwindbare Gebirgsbäche Wache halten.
Durch einen dieser reißenden Bäche bei Chamilla wateten die Flüchtlinge auf mazedonisches Gebiet, gaben einander die Hand, reichten sich das spärliche Gepäck weiter, trugen Kinder über das Wasser. Auf der anderen Seite wurden sie nach KURIER-Recherchen in einem Großeinsatz der mazedonischen Polizei aufgehalten. Später riegelten auch griechische Einsatzkräfte die Grenze hier ab.
Wenn der Regen Pause macht, sind die Menschen und die Hilfsorganisationen dabei, das Leben hier erträglicher zu machen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen hat begonnen, neue Großzelte aufzustellen, jedes für 150 Menschen. Zwei stehen schon, drei sollen folgen, sobald der schlammige Boden zumindest planierbar ist.
Kampf um Hilfsgüter
Unaufhörlich treffen Hilfslieferungen aus Griechenland und anderen europäischen Ländern ein. An den bis oben beladenen Lastwagen hängen Menschentrauben. Der Mangel an trockener Kleidung, Decken und Schuhen erzeugt auch Konkurrenzkampf, der manchmal recht handgreiflich ausgetragen wird. Vor allem Afghanen und Pakistanis, erzählt eine junge Syrerin, hätten da ihre harten Vorgangsweisen, um sich durchzusetzen. Verständlich wird das, wenn man sich die Geschichten, dieser Afghanen anhört, von den Tausenden Kilometern, die sie zurückgelegt haben, von der Sklavenarbeit, die sie irgendwo im Iran oder in der Türkei geleistet haben, um sich die Weiterreise zu finanzieren. „Die lassen sich nicht ewig aufhalten“, meint der Italiener: „Dafür haben sie schon viel zu viel hinter sich.“
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