"Ich war einmal die Zukunft"

Letzte Fragestunde für Premier Cameron im Parlament, jetzt ist Th. May am Zug
Ära von Premier Cameron ist vorbei. Nachfolgerin May muss nun den EU-Austritt abwickeln.

"Manche behaupten, ich könnte Larry nicht leiden", sagte David Cameron, "aber das ist unwahr, und ich habe fotografische Beweise dafür." Er sprach von dem im Haus des Premierministers in der Downing Street 10 wohnenden Kater, der dort auch noch residieren wird, wenn Theresa May und ihr Mann Philipp eingezogen sind. Das Foto, das Cameron mit Larry auf seinem Schoß zeigt, hielt er im Unterhaus den Labour-Abgeordneten entgegen.

Es war seine letzte Fragestunde im Parlament nach sechs Jahren berüchtigt harter Schlagabtausche von einem Rednerpult zum anderen. Man hätte glauben können, Großbritannien sei eine große glückliche Familie, kein gespaltenes Land ohne klaren Plan betreffs seines eigenen Fortbestehens als Vereintes Königreich und seinen künftigen Platz in der Welt.

Seine letzte Pointe im Unterhaus richtete Cameron allerdings – sehr britisch – gegen sich selbst: "Ich war einmal die Zukunft." Jene gnadenlose Zeile hatte der 49-Jährige vor elf Jahren am selben Ort als frischgebackener Oppositionsführer dem damaligen Premier Tony Blair entgegengeworfen ("Er war einmal die Zukunft!"). Nun badete er in stehenden Ovationen, wie sie ein Mann erhält, der niemandem mehr schaden kann. Der Nachklang war das Eingeständnis seines persönlichen Scheiterns.

Gemischte Bilanz

Beim Amtsantritt seiner konservativ-liberalen Koalition im Jahre 2010 hatte Cameron viel von seinem Traum einer "Big Society" der nationalen Wohltätigkeit geschwärmt. Von da an aber sorgte der harte Austeritätskurs seines Schatzkanzlers George Osborne für ein Klima der Härte im britischen Wohlfahrtsstaat.

Cameron hinterlässt das Land zwar mit einer Arbeitslosenrate von nur fünf Prozent, doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich ein Großteil der seit der Finanzkrise geschaffenen Beschäftigungen als gering entlohnte Scheinselbstständigkeit und Nullstundenverträge, Symptome einer Ära sinkender Reallöhne und zunehmend obszöner sozialer Ungleichheit.

Eine unbestreitbare Stärke Camerons war sein wendig riskantes Taktieren zum Erreichen kurzfristiger Ziele. Zum Beispiel, als er 2014 vorübergehend ein Bündnis mit seinem Labour-Vorgänger Gordon Brown einging und schon am nächsten Morgen die im Gegenzug versprochenen Zugeständnisse an die Schotten von neuen regionalen Rechten für die Engländer abhängig machte. Das ruinierte schlagartig Labours Glaubwürdigkeit bei schottischen Wählern und sicherte so indirekt Camerons Sieg bei den Wahlen im Vorjahr.

Doch auf dem Weg dorthin hatte er den Euroskeptikern in seinen eigenen Reihen bereits jenes verheerende EU-Referendum versprochen, das letztlich drei seiner größten Projekte – die Einheit der britischen Union, die wirtschaftliche Erholung nach der Finanzkrise und die Vision Britanniens als Hort liberaler Modernität – auf einmal aufs Spiel setzen sollte.

Brexit-Minister kommt

Nun liegt es an Theresa May, hinter einem Premier aufzuräumen, der keinen Plan dafür hatte, was passiert, wenn er eines seiner größten Gambles verlieren sollte. Ihre Strategie, einen eigenen Ministerposten für Brexit-Angelegenheiten einzuführen, verrät zumindest langfristiges Vorausdenken. Und sei es nur im Sinne der vorsorglichen Abwälzung künftiger unangenehmer Verantwortlichkeiten.

In einem Aspekt hat die zweite weibliche Premierministerin Großbritanniens sich jedenfalls bereits aus dem Schatten Margaret Thatchers gelöst: Während die Iron Lady sich in ihrer Sonderrolle als einzige Frau am ovalen Kabinettstisch am wohlsten fühlte, sind in Mays Regierung nicht nur beide Lager des EU-Referendums, sondern auch Frauen und Männer gleich verteilt.

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