Höchststrafe für Manning auf 90 Jahre reduziert

Das genaue Strafmaß soll noch im August verkündet werden.

Dem mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning droht ein geringeres Strafmaß als angenommen. Richterin Denise Lind gab einem Antrag der Verteidigung statt, einige der Anklagepunkte zusammenzulegen und dadurch die mögliche Höchststrafe von 136 Jahren auf 90 Jahre Haft zu reduzieren. Das teilte das Militärgericht in Fort Meade bei Washington am Dienstagabend (Ortszeit) mit. Nach Ansicht von Beobachtern kam die Entscheidung Linds überraschend, da sie im Militärprozess eher der Argumentation der Staatsanwaltschaft gefolgt war.

Die Richterin befand, einige der Manning zur Last gelegten Spionagevorwürfe seien Ergebnis jeweils ein und der selben Handlung gewesen. Sie sollten deshalb zusammengezogen werden, um eine "unvernünftige Vermehrung von Vorwürfen" zu vermeiden. Lind kam damit der Verteidigung entgegen, die vor einer übertrieben hohen Strafe gewarnt hatte. Die Richtern wies jedoch den Vorwurf der Anwälte zurück, die Anklage wolle eine derartige Strafe erreichen.

Keine "Unterstützung des Feindes"

Lind hatte Manning am 30. Juli in 19 von 21 Anklagevorwürfen für schuldig befunden, weil er der Enthüllungsplattform Wikileaks in den Jahren 2009 und 2010 Hunderttausende Geheimdokumente der Streitkräfte und des diplomatischen Dienstes zugespielt hatte. Manning hatte gestanden die Dokumente an Wikileaks weitergereicht zu haben. Die Richterin sprach den Obergefreiten jedoch vom Hauptvorwurf der Unterstützung des Feindes frei. Allein dafür hätte dem 25 Jahre alten Soldaten eine lebenslange Haft gedroht.

Das genaue Strafmaß soll noch im August verkündet werden. Eine Entlassung Mannings aus dem Gefängnis vor Ablauf seiner Haftstrafe ist rechtlich möglich.

Der Vater des Obergefreiten, Brian Manning, zeigte sich trotz der Begrenzung der möglichen Haftdauer erschüttert. Auch der Freispruch im wichtigsten Anklagepunkt - Unterstützung des Feindes - bringe seinem Sohn keine wesentliche Erleichterung. "Ich habe kopfgerechnet", sagte Mannings Vater dem Sender CNN. "Und damit dürfte er 90 oder 100 Jahre alt sein, ehe er das Tageslicht wieder sieht."

Wikileaks-Informant: Hochverrat oder Heldentat?

Bis zu 136 Jahre Haft, höchstwahrscheinlich aber mindestens 100. Das wird das drakonische Strafausmaß sein, das der 25-jährige amerikanische Obergefreite Bradley Manning am Mittwoch vor Gericht erfahren wird. Sein, aus der Sicht des US-Militärgerichtes ungeheuerliches Verbrechen: Manning hatte der Enthüllungsplattform Wikileaks 700.000 Geheimdokumente zugänglich gemacht.

Für diesen Tabubruch wird die US-Regierung an Manning ein Exempel statuieren. Und nicht nur an ihm. Die Obama-Administration hat gegen sieben Amerikaner Anklage wegen Spionage erhoben – mehr als alle Vorgängerregierungen zusammen. Edward Snowden ist einer von ihnen, und auch er wird angesichts der Tragweite seiner Enthüllungen kaum je wieder einen Fuß in Freiheit setzen, sollte der NSA-Whistleblower je vor einem amerikanischen Gericht landen.

Was unter Ex-Präsident George Bush als „Krieg gegen den Terror“ begann, entwickelt sich unter seinem Nachfolger zu einem „Krieg gegen die Leaker“. Da werden Whistleblower als Staatsverräter und Gefährder der amerikanischen Nationalen Sicherheit dämonisiert – unter überraschender Leugnung ur-amerikanischer Werte wie der individuellen Freiheit seiner Bürger. Freiheit oder Sicherheit, das darf in Demokratien nie ein Entweder/Oder sein, sondern hat sich in Balance zu halten. Jede Demokratie braucht ihre Geheimnisse, ihre Geheimdienste und deren wertvolle, wenn auch oft umstrittene Arbeit, um Bedrohungen aufzuspüren. Um aber die in jeder noch so blühenden Demokratie unvermeidlichen Missbräuche aufzudecken, braucht sie auch ihre Leaks.

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