Historischer Prozess um islamistischen Vandalismus

Dschihadisten zerstören einen Schrein in Timbuktu
Das juristische Nachspiel für die Zerstörungen in Timbuktu beginnt am 22. August vor dem Weltstrafgericht.

Die Verwüstung historischer Mausoleen in der Oasenstadt Timbuktu durch Islamisten löste 2012 Entsetzen aus. Nun hat der Angriff auf das Kulturerbe ein juristisches Nachspiel vor dem Weltstrafgericht - ein bisher einzigartiges Verfahren, das Signalwirkung haben soll.

Für den Internationalen Strafgerichtshof ist es eine historische Premiere. Zum ersten Mal steht ein mutmaßlicher Dschihadist vor den Richtern in Den Haag, ein Rebellenführer des Al-Kaida-Verbündeten Ansar Dine. Und es ist das erste Verfahren zur Zerstörung von UNESCO-Weltkulturerbe - auch das ist ein Kriegsverbrechen.

Mit Schaufeln und Äxten hatten Islamisten vor vier Jahren das jahrhundertealte Kulturerbe von Timbuktu kaputt geschlagen. In Timbuktu im Norden Malis zerstörten Extremisten von Ansar Dine jahrhundertealte Heiligtümer. Ein Aufschrei ging durch die Welt, ähnlich wie im vergangenen Jahr bei den Zerstörungen in der syrischen Oasenstadt Palmyra durch Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Anklage mit Vorbildfunktion

Die Anklage will mit dem am Montag (22. August) beginnenden Prozess ein Zeichen setzen. "Hier geht es nicht nur um Mauern und Steine", erklärte Chefanklägerin Fatou Bensouda. "Es geht um einen eiskalten Anschlag auf die Würde und Identität der Bevölkerung und ihre religiösen und historischen Wurzeln."

Das von Tuareg-Völkern gegründete Timbuktu am Niger-Fluss war im 15. und 16. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum für Handel, Wissenschaft und Religion und spielte eine große Rolle bei der Verbreitung des Islams in Afrika. Die Oasenstadt, auch als "Perle der Wüste" und "Stadt der 333 Heiligen" bekannt, diente lange als Bindeglied zwischen dem Mittelmeerraum und Westafrika.

Historischer Prozess um islamistischen Vandalismus
The rubble left from an ancient mausoleum destroyed by Islamist militants, is seen in Timbuktu, Mali, July 25, 2013. A former trainee teacher accused of damaging monuments in the name of Islam in the ancient Malian city of Timbuktu will stand before the International Criminal Court on March 1, 2016 for a hearing to decide if he should face a landmark trial. Picture taken July 25, 2013. REUTERS/Joe Penney
2012 hatten radikale Islamisten teilweise die Kontrolle über den Norden Malis übernommen. In Timbuktu zerstörten Dschihadisten 14 von 16 mittelalterlichen Heiligengräber - um neun dieser Mausoleen und eine Moschee geht es nun in dem Verfahren in Den Haag. Der Rebellenführer Ahmad al-Faqi al-Mahdi, auch als Abu Tourab bekannt, soll die Zerstörung geplant, vorbereitet und ausgeführt haben.

Hoffnung auf kurzen Prozess

Der etwa Anfang 40-Jährige war im vergangenen Jahr in Niger festgenommen und dem Gericht übergeben worden. Er will sich schuldig bekennen, und auch das ist bisher einzigartig in der Geschichte des Gerichtes. Daher könnte der Prozess schon in einer Woche beendet werden. Das wäre für das Gericht, das wegen seiner schleppenden, oft jahrelangen Prozesse heftig kritisiert wird, endlich mal eine positive Nachricht.

Für die UN-Kulturorganisation UNESCO ist der Prozess ein wichtiger Präzedenzfall - ein Zeichen, dass die Weltgemeinschaft gegenüber den Zerstörungen nicht völlig ohnmächtig ist. "Dies ist ein nachhallendes Signal gegen Straffreiheit, auch mit Blick auf Syrien und den Irak", sagte UNESCO-Chefin Irina Bokowa im Juni bei einem Besuch in Den Haag. Aktuell will die Organisation mit Sitz in Paris sich unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht näher äußern.

Die Bulgarin Bokowa, die sich derzeit um die Nachfolge von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bewirbt, hat in den vergangenen Jahren immer wieder für den Kampf gegen die Zerstörung von Welterbestätten in Konfliktgebieten geworben. Sie verurteilt die Angriffe als Teil einer Strategie der "kulturellen Säuberung". "Die vorsätzliche Zerstörung von Welterbe ist ein Kriegsverbrechen, das als Kriegstaktik eingesetzt wird, um Furcht und Hass zu verbreiten." Bokowa meint: "Die Zerstörung von Erbe ist nicht zu trennen von der Verfolgung von Menschen."

Wiederaufbau geglückt

Die Mausoleen von Timbuktu stehen heute wieder. Frankreich schickte Anfang 2013 auf Bitte der malischen Regierung Truppen, die die Islamisten zurückdrängten - auch wenn im Norden weiterhin Terrorgruppen aktiv sind. Inzwischen bemühen sich die Vereinten Nationen um eine Stabilisierung der Lage. Im Rahmen der UN-Mission sind Soldaten in der nördlichen Stadt Gao stationiert.

Die Heiligengräber wurden mit einem UNESCO-Programm wieder aufgebaut, auch mit finanzieller Hilfe der EU. Kurz vor der Fertigstellung im vergangenen Jahr sagte die Vorsitzende des Welterbekomitees, Maria Böhmer: "In einer Zeit, wo Welterbe von bewaffneten Gruppen angegriffen wird, gibt der Wiederaufbau der Mausoleen von Timbuktu uns Anlass zu Optimismus."

TIMBUKTU: In der Oasenstadt im Norden Malis zerstörten islamische Ansar-Dine-Rebellen 2012 mehrere Jahrhunderte alte muslimische Mausoleen. Sie begründeten ihre Taten damit, die Stätten mit den Überresten islamischer Gelehrter hätten der Heiligenverehrung gedient. Die Mausoleen konnten nach UNESCO-Angaben wieder aufgebaut werden.

PALMYRA: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zertrümmerte im syrischen UNESCO-Weltkulturerbe 2015 unter anderem den rund 2000 Jahre alten Baal-Tempel, den Baal-Shamin-Tempel, mehrere einzigartige Turmgräber sowie den Triumphbogen.

MAR ELIAN: 2015 machte der IS das christliche Kloster aus dem 5. Jahrhundert in Zentralsyrien dem Erdboden gleich. Im Internet zeigten die Extremisten, wie sie mit Planierraupen die Mauern niederrissen.

NINIVE: Anfang 2015 zertrümmerte der IS im Museum der nordirakischen Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive Jahrtausende alte Statuen aus assyrischer Zeit. Die historische Stadt Nimrud südlich von Mossul sollen die Jihadisten mit Bulldozern überfahren haben. Auch Teile der UNESCO-Weltkulturstätte Al-Hadra sprengten sie.

BAMIAN-TAL: In Afghanistan sprengten die radikalislamischen Taliban 2001 zwei monumentale Buddha-Statuen. Die in den Fels geschlagenen Figuren waren Zeugen der präislamischen Vergangenheit Afghanistans.

AYODHYA: Fanatische Hindus verwandelten 1992 die Babri-Moschee im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh in ein Trümmerfeld, um an deren Stelle einen Tempel zu bauen. Angeblich wurde die Moschee 1528 an einem Ort errichtet, wo zuvor ein Hindutempel gestanden hatte.

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