Faschistischer Islam: "Herr über Leben und Tod"

Abdel-Samad (42), als Student in Kairo Muslimbruder, kam 1995 nach Deutschland
Der muslimische Politologe Hamed Abdel-Samad über den Faschismus im Islam und warum es keinen moderaten Islam gibt.

Hamed Abdel-Samad, Sohn eines ägyptischen Imams und deutsch-ägyptischer Politologe, hat sich mit Islam-kritischen Thesen eine Todes-Fatwa (Mordaufruf) eingehandelt. Sein Buch "Der islamische Faschismus" sieht er bestätigt.

KURIER: Die Welt steht im Bann der Grausamkeiten des "IS" – ist das der faschistische Islam?

Hamed Abdel-Samad: Der Inbegriff, absolut. Diese Ideologie entsteht, beim Faschismus wie beim Islamismus, indem man die Welt in Gut und Böse aufteilt und der Gegner entmenschlicht wird. Nach islamischen Riten werden auch die Tiere mit dem Ruf "Allahu akbar" und dem Wegreißen des Kopfes geschlachtet.

Faschismus, wie wir ihn in Europa verstehen, hat doch andere Wurzeln und Ziele?

Der Faschismus war identitätsstiftend für Nationen, die sich von der Welt gekränkt fühlten. Die islamistischen Bewegungen entstanden fast zeitgleich mit dem deutschen und italienischen Faschismus aus dem gleichen Geist heraus: Der Zusammenbruch des osmanischen Reiches führte zur Identitätskrise und Kränkung und zum Traum der Wiederherstellung des Imperiums. Faschismus ist nicht nur Ideologie, sondern politische Religion – mit charismatischen Führern, heiligen Wahrheiten.

Streben die Islamisten nach Weltherrschaft?

Das ist ja die Attraktivität des IS. Die El Kaida begrenzte sich auf ein paar Selbstmordanschläge gegen die USA. Aber der IS bietet den jungen Muslimen ein attraktives Projekt des Mitmachens: Sie sollen nicht als Selbstmordattentäter, sondern als Welteroberer nach Syrien und in den Irak. Und sie können schon in diesem Leben durch den Sieg über die Ungläubigen das Paradies erlangen.

Die Weltkarte des IS reicht bis tief nach Europa: Ein Kalifat überall dort, wo Muslime leben.

Und gelebt haben. Das ist ein alter Traum: Das heilige Versprechen, dass der Islam am Ende siegt, weil er die letzte Religion ist, die letzte Botschaft, die Gott an die Menschen gerichtet hat.

Wieso ist der IS noch einmal brutaler, steinzeitlicher als alles, was man bisher kannte?

Es gibt die religiöse Dimension. Die beruft sich auf den Koran, die Eroberungsgeschichte und den Propheten. In Sure 48 steht, dass Mohammed und seine Anhänger untereinander barmherzig sind und gegenüber dem Ungläubigen hart. Der angebliche Befehl Gottes, wie mit den Ungläubigen umzugehen ist – "und schlagt auf ihre Hälse" und "tötet sie, wo auch immer ihr sie findet" –, darauf beziehen sich die IS-Leute.

Gibt es auch eine politische Erklärung der Brutalität?

Die ist: Sie müssen nicht überall kämpfen, sie handeln frei nach Mao: Töte einen, erziehe 100.

Sie meinen die Propaganda das Grauens?

Ja, sie enthaupten irakische Soldaten und veröffentlichen Videos davon – dann fliehen die Menschen aus dem nächsten Ort, ehe die IS-Männer einziehen. Das steht auch im Koran: Die Ungläubigen in Angst und Schrecken versetzen. Hätten sie die Tötungsmaschinerie wie andere faschistische Bewegungen früher, würden sie keine Minute zögern, auch die einzusetzen.

Sie schreiben, es droht eine Schlacht apokalyptischer Dimension.

Der IS wächst wie ein Schneeball, weil er einen Traum vieler perspektivloser Muslime repräsentiert, die in ihrer Heimat nichts gelten und im Irak und in Syrien Herr über Leben und Tod sind. Ein Viertel der IS-Kämpfer kommt aus dem Westen, der, der den US-Journalisten enthauptet hat, sprach perfekt britisches Englisch. Warum? Weil beim IS der politische und finanzielle Erfolg lockt – ein junger Ägypter warb um Kämpfer mit der Erzählung, dass beim IS durch die Eroberungen bis zu 5000 Dollar pro Tag zu verdienen sind.

Und die Schlacht?

Ich glaube nicht, dass wir bald große islamische Armeen vor Wien stehen haben. Aber die Gefahr liegt darin, dass sich diese Dschihad-Idee verselbstständigt ...

... und die Kämpfer nach Europa zurückkommen.

Genau. Wenn die USA den IS bombardieren – und ich sehe dazu keine Alternative –, und die kommen zurück, enttäuscht, weil der Gottesstaat nicht erreicht ist, destabilisieren sie den Westen.

Was wäre denn das Rezept gegen den IS?

Leider kommt man mit der klassischen Demokratie, mit Meinungsfreiheit, Verfassung, gegen diese Leute nicht weiter. Man muss diese Gruppen in Europa verbieten – wieso sind Nazi-Symbole verboten und IS-Symbole nicht? Man muss die Moscheen in Europa streng kontrollieren – wenn für den Dschihad geworben wird, wird sie geschlossen, Ende der Freiheit!

Und wie stoppt man den IS im Nahen Osten?

Wir brauchen einen neuen Churchill. Einen, der eine klare Position zum Faschismus hat, der weiß, dass Dialog und Appeasement nur zu noch wilderen Auswüchsen führt. Man braucht eine gemeinsame Linie, die Bewegung muss plattgebombt werden, und die, die zurückkommen, müssen schon am Flughafen als Mitglieder einer terroristischen Organisation verhaftet werden.

Der moderate Islam, wie geht der mit dem IS um?

Es gibt keinen moderaten Islam. Das ist eine Erfindung westlicher Islamwissenschaftler. Es gibt die spirituelle Dimension des Islam, das ist die Mehrheit der Muslime – aber die ist für mich irrelevant, weil sie nichts tut. Und innerhalb der politischen Dimension des Islam gibt es keine moderate Bewegung. Vergleicht man die Reaktion der Muslime auf die Opfer in Gaza und auf jene der IS in Syrien und im Irak, dann sieht man die Heuchelei der ach so moderaten Muslime: In Scharen gehen sie gegen das Töten in Gaza auf die Straße, – aber warum empfinden die Muslime nicht die gleiche Empathie gegenüber den Opfern des IS? Weil für uns Muslime offenbar nicht das Opfer entscheidend ist, sondern der Täter – und wenn der muslimisch ist, dann nehmen wir das hin.

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