Wird aus dem Groß- ein Kleinbritannien?
Zugegeben, es ist verwirrend. Zum Eurovision Song Contest schickt Großbritannien alljährlich einen gemeinsamen Teilnehmer. Bei der Fußball-Europameisterschaft sind England, Wales und Nordirland einzeln vertreten, aktuell äußert erfolgreich (Schottland konnte sich nicht für die Endrunde qualifizieren). Zu den Olympischen Spielen? Da tritt "Team GB" wiederum mit Athleten aus dem ganzen Vereinigten Königreich an. It's complicated - wenn es nur so einfach wäre.
So weit, so unübersichtlich. Noch unterschiedlicher sind freilich die politischen Absichten, wie es mit dem "United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland", kurz UK, nach dem Brexit weitergehen soll.
Die eine Frage für alle lautete: Wollen wir in der EU bleiben? Engländer und Waliser stimmten beim Referendum mehrheitlich für eine Zukunft außerhalb der EU, Schotten und Nordiren sprachen sich mehrheitlich für den Verbleib in der Gemeinschaft aus.
Die andere Frage nach der Abstimmung für die Schotten, Nordiren und Waliser: Wollen wir im Vereinigten Königreich bleiben?
Schottland: Ja zur EU, Nein zum UK
Das Votum ist eindeutig: In jedem einzelnen Wahlbezirk Schottlands stimmten die Menschen für den Verbleib in der EU. Anders verhält es sich mit dem Vereinigten Königreich - da wollen die Schotten jetzt wieder raus. Wie geht das zusammen?
Die schottische Regierungspartei SNP trachtet nach dem Brexit-Referendum nach einem zweiten Volksentscheid zur Loslösung vom Königreich. Die europafreundliche SNP war 2014 mit einem ersten Versuch, die Unabhängigkeit von Großbritannien zu erreichen, knapp gescheitert. Der Clou: Bei einem Brexit soll eine Loslösung von Großbritannien den Wiedereintritt Schottlands in die EU ermöglichen.
Die Front ist breit. Alle fünf Parteien im Parlament in Edinburgh hatten für den Verbleib in der EU geworben. Die Schotten schätzen unter anderem das EU-Arbeitsrecht und neigen eher zur Wahl der Labour Party, deren Chef Jeremy Corbyn für einen Verbleib in der Europäischen Union kämpfte.
Nordirland
Die Nordiren stimmten deutlich gegen den Brexit - es nützte nichts. Die Furcht, alte Gräben - etwa zwischen Protestanten und Katholiken - könnten wieder aufgerissen werden, geht um. Die Insel wurde 1921 nach dem irischen Unabhängigkeitskrieg in die Republik Irland und in Nordirland geteilt. Noch immer fühlen sich viele als "Unionisten", andere als Iren.
Dagegen hätte auch die Sinn-Fein-Partei nichts, die ohnehin eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland anstrebt. Sinn Fein ist verwurzelt unter den Katholiken und in beiden Inselteilen - Irland und Nordirland - vertreten. Die Mehrheit in Nordirland stellen aber die Protestanten - die Teil Großbritanniens bleiben wollen.
Die EU, die Reisefreiheit und der freie Warenverkehr auf der Insel seien wichtige Faktoren für die friedliche Zeit auf der grünen Insel gewesen, warben erst kürzlich die früheren britischen Premierminister Tony Blair und John Major gegen einen Brexit.
Wales: Trotz Vorteilen lieber raus aus der EU
Bleibt noch Wales. Wales ist die ärmste Region Großbritanniens und traditionell eine Hochburg der Labour Party. Ebenso wie Nordirland profitiert es von EU-Geldern in Milliardenhöhe, dennoch entschieden sich die Waliser mehrheitlich für den Ausstieg aus der EU.
Die wichtigsten Entwicklungen des Tages
- Die Mehrheit der Briten hat in einem Referendum für den Brexit gestimmt. Der Fahrplan zum EU-Austritt.
- Der britische Premier David Cameron hat seinen Rücktritt angekündigt.
- Die EU und Großbritannien müssen nun ihre Beziehungen neu regeln. Vier Modelle werden diskutiert.
- Aufwind für EU-Skeptiker: Das Nein der Briten könnte auch in anderen EU-Staaten zu Volksabstimmungen führen.
- Der Finanzhauptstadt London droht ein Bedeutungsverlust. Das Pfund fiel massiv, an den Börsen kam es zu deutlichen Kursverlusten.
- In Großbritannien sorgen sich Auslandsösterreicher um ihre Zukunft.
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