"Grillini sind eine große Seifenblase"

epa03671059 Five-Star Movement's leader Beppe Grillo speaks during the press conference of the Five Stars Movement (M5S) in Rome, 21 April 2013. Media reports on 20 April 2013 state that Re-electing outgoing president Giorgio Napolitano amounts to 'a coup,' the leader of Italy's protest party, the Five Star Movement (M5S), said on 20 April 2013, calling on his supporters to take to the streets. EPA/ANGELO CARCONI
In Parma regiert seit einem Jahr ein Parteigänger Beppe Grillos. Seine Bilanz ist eine gemischte.

„Ach, hören wir mit den Grillini auf, die Bewegung ist eine große Seifenblase“, macht Annabella im Caffé San Pietro ihrem Unmut Luft. Die Situation werde täglich chaotischer. „Nicht nur in Parma, im ganzen Land, dabei bin ich keine Pessimistin, sondern Realistin“, sagt die Angestellte einer PR-Firma, die zur gut situierten Mittelschicht der Stadt mit dem Kulturerbe von Verdi bis Toscanini zählt.

Auf Bürgermeister Federico Pizzarotti angesprochen, der vor einem Jahr als Vertreter von Komiker Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) mit knapp 60 Prozent der Stimmen gewählt wurde, schüttelt sie nur den Kopf. Die Leute hatten genug von jahrelanger Misswirtschaft einer rechten Stadtregierung, die 870 Millionen Euro Schulden hinterließ. Ex-Bürgermeister Pietro Vignali wurde mittlerweile wegen Korruption verhaftet. „Es war eine Protestwahl gegen die Privilegien der politischen Kaste, die nur in die eigene Tasche wirtschaftet.“

Familien „bluten“

Pizzarotti, 40, ist der erste M5S-Verteter, der eine Stadt mit 200.000 Einwohnern regiert. Doch binnen weniger Monate rutschte der „Grillino“ laut Annabella auf den „Bananenschalen aus, die er sich selbst gelegt hatte“.

Die Fehler-Liste seiner Kritiker ist lang: Im Wahlkampf versicherte der Ex-Bankberater, die umstrittene Müllverbrennungsanlage werde nur „über seine Leiche“ eingeschaltet – in Kürze nimmt sie ihren Betrieb auf. „Sie versuchten, das heimlich über die Bühne zu bringen“, ärgert sich Annabella. Außerdem wurden die Sozialleistungen für Familien gekürzt. Ein Durchschnittsverdiener zahlt für einen öffentlichen Kindergartenplatz 600 € monatlich.

Eine Gruppe junger Leute schart sich vor der renommierten Hochschule, die zu den ältesten Europas zählt. Eine Uni-Mitarbeiterin ist enttäuscht, dass die für Bildung zuständige Vize-Bürgermeisterin Nicoletta Paci nichts von sich hören ließ. Zu tun gäbe es genug: Von besseren öffentlichen Verkehrsanbindungen zum Uni-Campus im Süden der Stadt, mehr Studentenwohnheimen oder einem Babysitter-Service für studierende Mütter.

Bei „Pepen“, dem Traditionsimbiss im Borgo Ambrogio, ist die Welt für die Zeit der Mittagspause noch in Ordnung. Die saftigen Panini sind in der kulinarischen Hochburg von Parma-Schinken und Parmesan seit Generationen der Renner. Auch Gymnasiallehrer Fabio verbringt seine Mittagspause hier. Der 45-jährige Italiener blättert im Corriere della Sera, der seitenlang über die schwierige Regierungssuche berichtet (siehe rechts). „Grillo ist ein Faschist, seine Art zu agieren, ist unmöglich“, so Fabio. Nur mit Dialog könne man etwas weiterbringen. Mit der Protestbewegung und auch mit Pizzarotti könne er nichts anfangen. Trotzdem relativiert er den Unmut gegenüber der Stadtverwaltung: „Die Unzufriedenheit ist aufgrund der Wirtschaftskrise mit immer weniger Arbeit und Geld generell groß und würde sich gegen jeden richten, der in der Stadt regiert.“

Guru Grillo

Auf der Strada Mazzini baut eine Gruppe von Grillo-Sympathisanten ihren Info-Stand auf. Auf Fahnen, T-Shirts und Foldern prangt das Logo des „Movimento“ und der Webseite ihres „Gurus“ „beppegrillo.it“. Unter den Anhängern finden sich Studenten, Computerfreaks, ein Eissalon-Besitzer und auch Francesco, der die Frage nach seiner Arbeit mit „Sklave“ beantwortet. Er leistet Schichtdienst in einer Fabrik.

Kritik wegen der Müllverbrennungsanlage wehrt der 30-jährige Gemeinderat Roberto Furfaro ab: „Wir haben alles versucht, um die Anlage zu stoppen. Viele unterzeichnete Verträge waren nicht mehr rückgängig zu machen.“ Bei der Aufzählung konkreter Erfolge Pizzarottis gerät Furfaro jedoch ins Stocken.

Student Francesco Potenza eilt zu Hilfe und berichtet, 80 Prozent der von der Gemeinde beauftragten Arbeiter, die seit Jahren auf ihre Gehälter gewartet hätten, seien endlich ausbezahlt worden. Auch die Einbindung der Bürger bei Entscheidungen sei ein Novum. Eine Einschätzung, die der Rezeptionist im Hotel Torino teilt: „Der Stadtrat ist nahe an den Leuten. Momentan versuchen sie, die Budgetlöcher zu stopfen. Die Situation ist besser als früher.“ Die Mülltrennung etwa funktioniert. Bei öffentlichen Dienstleistungen rangiert Parma unter den besten zehn Städten Italiens.

Pizzarotti – legendär für seine Aussage, Parma müsse „zu Lambrusco und Weißbrot greifen, statt zu Kaviar und Champagner“ – sparte 300.000 Euro bei Dienstwagen ein und fährt selbst mit dem Rad in die Arbeit.

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