Griechen-Referendum: Umfrage deutet auf knappes "Ja"

Griechen-Referendum: Umfrage deutet auf knappes "Ja"
Knappe Entscheidung prognostiziert, viele Unentschlossene. EU-Kommission warnt Griechen vor Nein in Referendum.

Das für Sonntag geplante Referendum zum Sparkurs in Griechenland dürfte einer Umfrage zufolge sehr knapp ausgehen. In der am Freitag veröffentlichten Befragung der Zeitung "Ethnos" erklärten 44,8 Prozent der Teilnehmer, mit Ja stimmen zu wollen. Ein Votum gegen die Sparauflagen planen 43,4 Prozent. 11,8 Prozent haben sich demnach noch nicht entschieden (siehe Reportage unten: Der Zorn der Griechen wächst, die Stimmung kippt)

Zudem sprachen sich 74 Prozent der Umfrageteilnehmer für einen Verbleib ihres Landes in der Euro-Zone aus. 15 Prozent sind hingegen für die Wiedereinführung einer nationalen Währung.

Das Referendum entwickelt sich immer mehr zur Schicksalswahl für das vor der Pleite stehende Euro-Land. Bei einem "Nein" stellte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Mitgliedschaft des Landes in der Währungsunion infrage. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis verband seine politische Zukunft mit dem Ergebnis: Stimmten die Griechen für die Sparmaßnahmen, will Varoufakis zurücktreten - und mit ihm womöglich die gesamte Regierung.

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici rief die Griechen indes auf, "Ja" zum Sparkurs zu sagen. "Wir müssen die Gespräche mit Griechenland einen Tag nach dem Referendum wieder aufnehmen", sagte er am Donnerstag in Brüssel. Ein "Nein" würde diese Verhandlungen viel komplizierter machen, mahnte Moscovici. Athen brauche aber weitere internationale Hilfe: "Griechenlands Finanzbedarf wird ja nicht verschwinden."

Das Oberste Verwaltungsgericht wies am Freitagabend eine Klage gegen die Volksabstimmung zurück. "Das Referendum findet statt", sagte Richter Nikolaos Sakellariou. Die Kläger hatten den knappen Zeitraum zur Vorbereitung und eine unklare und zu komplexe Fragestellung moniert.

52 Mrd. Euro bis 2018

Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlichte in Washington eine Schätzung, wonach Griechenland bis 2018 etwa 52 Milliarden Euro benötigt. Griechenland hatte dem IWF eine fällige Kreditrate von 1,54 Milliarden Euro nicht zurückgezahlt und ist damit von weiteren Hilfen zunächst abgeschnitten. Dem Papier zufolge, das noch nicht mit der IWF-Führung abgestimmt ist, muss allein die Eurozone bis Ende 2018 noch einmal rund 36 Milliarden Euro nachschießen.

Gegner der Sparpolitik riefen für indes zu Demonstrationen in mehr als 120 europäischen Städten auf. Die Organisation Blockupy listete für Deutschland Protestveranstaltungen in Berlin und zwölf weiteren Städten. Bereits am Donnerstagabend demonstrierten in Paris mehrere Tausend Menschen für den Kurs der griechischen Regierung im Schuldenkonflikt mit den internationalen Gläubigern.

Zu Wochenbeginn waren in den Supermärkten die Regale leer, weil die Griechen noch schnell einkauften – aus Sorge vor dem, was nach Ende der Finanzhilfe für das Land passiert. Jetzt sind die ersten Supermärkte menschenleer, weil die Bankomaten zu wenig Geld ausspucken, um einkaufen gehen zu können; oder weil man vorsichtig ist mit dem Baren, das man noch hat.

Griechen-Referendum: Umfrage deutet auf knappes "Ja"
A pensioner is helped by a bank manager after collapsing while waiting along with dozens of other pensioners outside a National Bank in Athens, Greece, July 2, 2015. A limited number of banks opened specially to pay out retirement benefits have become a powerful symbol of the misery facing Greece and the problems mounting for Prime Minister Alexis Tsipras. REUTERS/Yannis Behrakis
Dabei gibt es noch alle Produkte, aber wie es in einer Woche aussieht, lasse sich nicht abschätzen, sagen Branchenorganisationen der Importeure. "Zurzeit bekommen wir noch alles von den ausländischen Lieferanten, doch es ist wie am Anfang der Krise vor fünf Jahren – sie wollen zuerst das Geld haben, bevor sie uns etwas schicken", sagt ein Apotheker in Athens Zentrum zum KURIER. Seit Einführung der Kapitalverkehrskontrollen kann man aber nicht mehr einfach Geld überweisen. Ein Bankenrat prüft erst jede Überweisung ins Ausland.

Engpässe erwartet

Griechenland kauft nicht nur Medikamente und Brennstoff, sondern selbst Lebensmittel wie Fleisch und Milch im Ausland. Der Handel rechnet kommende Woche mit ersten Engpässen bei Reis, Bohnen, Käse, Fleisch. Auch die Industrie erwartet Engpässe. Laut Panhellenischer Exporteurvereinigung (PSE) wird die gesamte Einfuhr in den kommenden Wochen um 28 Prozent schrumpfen. Die Exporteure erwarten 80 Millionen Euro Verluste wöchentlich – griechische Lastwagenfahrer sind auf europäischen Autobahnen gestrandet, ohne genug Geld für Maut und Benzin.

Rentner zornig

Zu erschütternden Szenen kam es gestern vor Bankfilialen, die an Rentner 120 Euro pro Person und in bar auszahlen, sofern sie ein Konto haben. "Es ist unmöglich – die Regierung zwingt alte Menschen, in der Hitze auf der Straße stundenlang zu warten", schimpft Panagiotis Vavougias, Präsident des Pensionistenverbands der öffentlichen Angestellten. Am Mittwoch hatten die Pensionisten vor dem Finanzministerium in Athen deshalb protestiert. Sie verlangen auch die volle Auszahlung der Renten. "Wir wollten persönlich mit Minister Yanis Varoufakis sprechen, aber er ist einfach weggegangen", sagte Vavougias zum KURIER. Freitagmittag soll es endlich einen Termin beim Finanzminister geben. Die Pensionistenvertreter pochen darauf zu erfahren, wann die insgesamt 2,35 Millionen Rentner ihr restliches Geld bekommen.

Mittlerweile wirbt die Regierung für Nein-Stimmen beim Referendum über das Hilfspaket samt Reformen am Sonntag. Plakate hängen überall. Ein "Nein" werde ein besseres Abkommen für Griechenland mit den internationalen Gläubigern bringen, hat Premier Alexis Tsipras seinen Landsleuten versprochen. Das scheinen ihm aber immer weniger Wähler abzukaufen. Laut jüngster Umfrage des Meinungsforschers GPO, die am Donnerstag in fast allen griechischen Medien veröffentlicht wurde, werden 47 Prozent der Griechen am Sonntag mit "Ja" abstimmen, 43 Prozent mit "Nein". GPO verwies später zwar darauf, dass die Umfrage nicht repräsentativ gewesen sei. Der Vorsprung der Nein-Stimmen scheint aber tatsächlich von Tag zu Tag knapper zu werden.

Varoufakis will bei "Ja" zurücktreten. Mehr dazu hier.

  • 5. Juli: Die Griechen sollen in einem Referendum über das von den Geldgebern vorgelegte Spar- und Reformpaket abstimmen.
  • 6. Juli: Frühestens am Tag nach der Volksabstimmung könnten Griechenlands Banken und die Börse in Athen wieder öffnen.
  • 10. Juli: Griechische Staatspapiere mit kurzen Laufzeiten (T-Bills) in Höhe von 2 Mrd. Euro werden fällig und müssten durch neue abgelöst werden. Dieser Termin ist vor allem für das Urteil der Ratingagenturen wichtig.
  • 13. Juli: Athen muss eine weitere Rate von knapp 500 Mii, Euro an den IWF zurückzahlen.
  • 17. Juli: Weitere T-Bills in Höhe von einer Milliarde Euro werden fällig.
  • 20. Juli: Athen muss insgesamt rund 3,5 Mrd. Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen. Sollte diese Zahlung ausfallen, dürfte es der EZB laut Experten kaum noch möglich sein, weiter ELA-Kredite an griechische Banken zu vergeben.

Kommentare