"Herr Feingold, kann es noch einmal einen Hitler geben?"

Unermüdlich diskutiert Marko Feingold (bald 103 Jahre alt) mit Schülern über die Gräuel des Holocausts
Ein 103-jähriger Überlebender gab Open-Air Hunderten Schülern Unterricht in Zeitgeschichte.

Hunderte Gymnasiasten aus Österreich sitzen vor einer Baracke des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im Gras und hören Marko Feingold angespannt und neugierig zu. Der bald 103-jährige Überlebende des Holocausts erzählt den Schülern wie es damals war. "Das Ärgste war der Appellplatz. Nach unbeschreiblich harter Arbeit mussten wir uns bei jedem Wetter in der Häftlingsuniform vor den Nazi-Schergen aufstellen. Stundenlang wurden wir von Scheinwerfern angestrahlt. Ein kleines Zucken bedeutete den sofortigen Tod." Feingold hält kurz inne, blickt die Schüler an und sagt mit klarer Stimme: "Auschwitz war der Vorhof zur Hölle."

Geduldig fährt er fort und erwähnt, dass alle gehungert haben. "Es gab nur einmal am Tag etwas zu essen – und oft nicht einmal das."

Unbeirrt

"Herr Feingold, kann es noch einmal einen Hitler geben?"
Auschwitz_Fotos Ouriel Morgensztern Photographer Morgenstern Bei Nennung HONORARFREI zur freien Verwendung lt Frau Zimmermann /IKG
Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde von Salzburg lässt sich nicht beirren als die österreichische Delegation, die beimMarch of The Livingteilnahm, zu seiner Open-Air-Debatte kommt. Er redet weiter und beantwortet die Frage, wie man die Nazi-Gräuel überleben konnte: "Ich hatte nur einen Gedanken: durchzustehen und nach Hause zu kommen." Das gab ihm Kraft, er war aber auch verzweifelt und hat sich immer gedacht, "das schaffe ich nicht". Feingold überlebte drei Konzentrationslager Auschwitz, Dachau und Buchenwald.

Ein Schüler wollte wissen, wie die Heimkehr nach Österreich war? "Wir wurden nicht mit Schokolade empfangen." Nach der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald ließ sich Feingold in Salzburg nieder.

Seither will er eines: Mit jungen Menschen reden, denn nur ihre Überzeugungen können Unmenschliches verhindern. Für die Überlebenden und die Nachkriegsgeneration gilt Auschwitz als Symbol für die Ermordung von Juden und die Grausamkeit des Nationalsozialismus.

Die Diskussion beschäftigte sich aber nicht nur mit dem Unfassbaren, dem Unmenschlichen der Nazi-Diktatur, sondern auch mit der Zukunft: "Kann es das alles wieder geben? Kann es noch einmal eine machtbesessene Figur wie Hitler geben?"

Schlimmes verhindern

Für Feingold ist klar: Information und Diskussion können Schlimmes verhindern. Die Schüler sind sich nicht so sicher: "Wir sehen, dass jetzt die Islamistische Terrormiliz Andersgläubige ermordet", erwidert eine 17-Jährige. Ein Kollege aus Wiener Neustadt ist hoffnungsvoller. "Ich glaube schon, dass die Europäische Union das verhindern kann." Felix P. wünscht sich Lehrer, "die historische und aktuelle Themen ansprechen" und für die es "kein Tabu" gibt.

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