Gaza: Eskalation als Wahlkampftrick?

Gaza: Eskalation als Wahlkampftrick?
Medien rätseln, warum der Konflikt gerade jetzt eskalieren musste. Kairo strebt nach Feuerpause.

Während am Sonntag weiter Raketen auf Ziele in Israel und Gaza fielen, rätselte man in den Medien über die Gründe, warum der Konflikt sich gerade jetzt zuspitzte. Die Meinungen darüber, welche Seite die aktuelle Eskalation verschuldet hat, gehen ebenso auseinander, wie Spekulationen über die Gründe.

Schnell fiel das Argument, Israels Premier Benjamin Netanyahu wolle mit der Offensive gegen die Hamas, die er 65 Tage vor den Wahlen begonnen hatte, von innenpolitischen Problemen ablenken und den Fokus des Wahlkampfes auf Israels Sicherheit lenken. Ganz so einfach sei es aber nicht, meinen Experten. Die Wahl sei noch zu weit entfernt. Die Offensive könnte eher eine Abschreckung von Israels Gegnern nach dem Arabischen Frühling sein, der die Region neu ordnete. Israel wolle seine Vormachtstellung festigen, um als Staat überleben zu können.

Für die Palästinenserführung im Westjordanland, die Fatah, kommt der Zeitpunkt alles andere als gelegen. Am 29. November plant man in der UNO-Vollversammlung den Antrag auf Beobachterstatus. Palästinenser werfen Israel jetzt vor, dieses Bestreben untergraben zu wollen. Fakt ist, dass der Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen in den letzten Wochen zugenommen hatte. Mit der Tötung des Hamas-Militärchefs am Mittwoch nahm die Eskalation dann ihren Lauf.

Waffenlager gefüllt

Bei vielen werden Erinnerungen an den Gaza-Krieg von 2008 wach. Auch damals flogen Hamas-Raketen nach Israel, auch damals antwortete die israelische Armee mit ihren Geschossen. Auch damals standen die Bodentruppen bereit. Die Abschreckung der Hamas hat kurzfristig funktioniert. Doch zuletzt konnten Islamisten – trotz Blockade – Raketen mit größerer Reichweite in den Gazastreifen bringen. Die gehen jetzt auf Israel nieder. Das Umfeld hat sich geändert. Die Nachbarstaaten sind instabiler und die Verbundenheit der neuen arabischen Regierungen mit den Palästinensern unberechenbar. Die Waffenlager der Hamas wurden – vor allem mit Irans Hilfe – aufgefüllt. Und seit dem Arabischen Frühling sind vor allem aus Libyen weitere Waffen nach Gaza gelangt. Angesichts der unberechenbaren Situation versuchten sich westliche und arabische Staaten als Mediatoren, um eine Waffenruhe auszuhandeln.

US-Präsident Obama sorgte sich, dass Gespräche über eine Zweistaatenlösung nun „in weite Ferne“ gerückt seien. Auch London warnte vor einer weiteren Eskalation: Außenminister Hague bekräftigte, eine Bodenoffensive könnte Israel internationales Ansehen kosten. Der deutsche Außenminister Westerwelle warnte vor „Folgen für die Region“. Der Westen hoffte am Wochenende auf Ägyptens Präsidenten Mursi und dessen Verhandlungsgeschick. Er steht vor der bisher größten Aufgabe seiner Karriere. Am Sonntag empfing er einen israelischen Unterhändler und Vertreter der Hamas zu Gesprächen über eine Waffenruhe. Heute, Montag, soll UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon nach Kairo kommen.

Kein Ende der Gewalt

Unterdessen hat Israel seine Offensive im Gazastreifen auch in der Nacht auf Montag fortgesetzt. Bei erneuten Luftangriffen sind sieben Palästinenser getötet worden. Bei einem Angriff auf ein Auto im Zentrum des palästinensischen Gebiets seien drei Männer ums Leben gekommen, teilten palästinensische Rettungskräfte mit. Zuvor waren bereits bei einem Angriff neuen Angaben zufolge vier Menschen getötet worden, darunter ein fünfjähriges Kind und eine Frau.

Damit stieg die Zahl der seit Beginn der israelischen Offensive am Mittwoch getöteten Palästinenser auf mindestens 84. Bei ihren Angriffen auf das von der radikalislamischen Hamas regierte Gebiet am Mittelmeer zerstörte die israelische Luftwaffe in der Nacht auf Montag zudem die zweitgrößte Polizeistation in Gaza und beschoss von Schiffen aus den Hafen der Stadt.
 

Die Hackergruppe Anonymous hat nach eigenen Angaben aus Protest gegen die israelischen Luftangriffe gegen die Hamas im Gazastreifen israelische Internetseiten angegriffen. Wie die Hacker am Samstag mitteilten, waren von der Attacke mehr als 650 private oder öffentliche Einrichtungen betroffen, darunter die Bank of Jerusalem, eines der größten Finanzhäuser des Landes. "Der Datenbestand ist gelöscht", hieß es in einer über Twitter veröffentlichten Mitteilung neben dem Link zur nicht funktionierenden Website der Bank.

Die israelische Regierung hat zwar Massenangriffe von Hackern auf staatliche Internetseiten eingeräumt, bis auf einen seien aber alle abgewehrt worden. Die Regierung führe angesichts der Cyber-Attacken einen Krieg an "zweiter Front", sagte Finanzminister Yuval Steinitz vor einer Kabinettssitzung. In den vergangenen vier Tagen habe es 44 Millionen Cyber-Angriffe auf Webseiten der Regierung gegeben.

Laut Anonymous sei unter anderem die Website des israelischen Außenministeriums kurzzeitig lahmgelegt worden - aus Protest gegen eine angeblich seitens Israel drohende Unterbrechung der Internet-Verbindungen im Gazastreifen, wie es hieß. In einer Erklärung der Hacker hieß es, "viel zu lang" habe sich Anonymous darauf beschränkt, "verzweifelt die barbarische, brutale und verabscheuungswürdige Behandlung des palästinensischen Volkes" durch Israel zu betrachten. Sollte die israelische Regierung das Internet und andere Telekommunikationsverbindungen im Gazastreifen unterbrechen, werde "grenzenloser Zorn" von Anonymous die Folge sein.

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