Frankreich nimmt Kampf gegen Dschihad im Klassenzimmer auf

Hunderte erschreckende "Zwischenfälle" in Schulen haben Frankreichs Politiker – im Bild Präsident Hollande – aufgerüttelt.
Pariser Regierung will Terror-Sprüche an Schulen ausmerzen.

Jetzt muss was geschehen." Nach diesem Motto mischen französische Politiker die teilweise verzagte und überforderte Lehrerschaft auf – die weiterhin mit begrenzten Mitteln die angespannte Situation der Schulen in Krisenvierteln bewältigen muss.

Den Anlass lieferten die erschreckenden Reaktionen einiger Schulkinder aus muslimischen Familien auf den Terror in Paris Anfang Jänner. An rund 200 Schulen war es zu "Zwischenfällen" (so ein Behördenbericht) gekommen. Einige waren vergleichsweise harmlos: Etwa wenn ein paar Kinder meinten, sie würden "nicht verstehen", wieso die (ermordeten) Karikaturisten von Charlie Hebdo das Recht gehabt hätten, "den Islam zu beleidigen". In anderen Fällen war es härter zugegangen: Die vom Unterrichtsministerium angeordnete Schweigeminute für die Terroropfer wurde durch Pfeifen und Gegröle verhindert.

Manchmal provozierten Halbwüchsige mit dem Ruf "Allahu Akbar". Einige versprachen, sollte Charlie "weitermachen", wären sie bereit, das "Werk der Brüder Kouachi (die Attentäter) zu vollenden". Einige äußerten unverhohlen Freude über die Geiselnahme im koscheren Supermarkt an der Pariser Stadtgrenze, bei der vier Juden erschossen worden waren.

Anteilnahme

Stellenweise kam es aber auch zu einer ergreifenden Annäherung zwischen Schülern verschiedener Konfessionen. Dem Autor dieser Zeilen berichtete ein – jüdischer – Schüler eines Gymnasiums, das sich in Sichtweite des überfallenen koscheren Supermarkts befindet: Seine Klassenkameraden hätten große Anteilnahme gezeigt, auch jene, mit denen er zuvor nur schwer zurecht kam. Hunderte Schüler dieses berufsbildenden Gymnasiums hinterlegten Blumen vor dem jüdischen Supermarkt – "die Mehrheit meiner Mitschüler sind Muslime", so der Bursch, dessen Mutter oft in diesem Supermarkt einkaufen ging.

Freilich: Je mehr der Schock in den Hintergrund trat, desto mehr Schüler versteiften sich in sozialen Randvierteln auf Verschwörungstheorien, die sie aus dem Web bezogen. Es würde sich um ein "Komplott" handeln, um "die Muslime anzuschwärzen". Manchmal beklagten muslimische Eltern ihre Hilflosigkeit gegenüber der Haltung ihrer Kinder, in anderen Fällen wirkten die Eltern als Verfechter dieser Theorien.

Präsident François Hollande reagierte mit einem Plädoyer für mehr Strenge: Die Schule dürfe "keinen einzigen Vorfall" mehr dulden, bei dem "die Autorität, die Werte der Republik, die Gleichheit zwischen Mädchen und Burschen in Frage gestellt werden". In dieselbe Kerbe schlug die marokkanisch-stämmige Unterrichtsministerin Najat Vallaud-Belkacem: "Das Absingen der Marseillaise" (Nationalhymne) und der Respekt der Autorität an der Schule müssen ernst genommen werden". Die Ministerin präsentierte einen Maßnahmenkatalog, darunter eine Verstärkung des bereits bestehenden "Moral- und Bürgerunterrichts", mehr Beachtung für "Höflichkeitsregeln", Weiterbildung der Lehrer, um sie zu einer besseren Vermittlung der "Werte der säkularen Republik" zu befähigen. Dazu auch noch eine vage Empfehlung für "mehr soziale Durchmischung" und neue Fördermittel für "armutsgefährdete Kinder".

Säkularismus

Neu ist das alles nicht. Die "Laicité" (Frankreichs strikter Säkularismus) wurde schon 2004 durch das Verbot aller "auffälligen religiösen Zeichen" an den Schulen, darunter des islamischen Kopftuchs, verschärft. Im Endeffekt hängt viel vom pädagogischen Engagement und menschlichen Gespür des jeweiligen Lehrerteams ab – und von den Klassengrößen und sozialen Rahmenbedingungen.

Tipp

Am Dienstag hält Danny Leder im Republikanischen Club (Rockhg. 1, 1010 Wien) um 19 Uhr einen Vortrag. Thema: Die Gefährdung der Juden in Frankreich.

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