Chaos in Ungarn - Zug gestoppt

Chaos in Ungarn: Zahlreiche Menschen weigern sich ein Flüchtlingslager transportiert zu werden.

Die Verwirrung um die Sonderzüge, die mit Hunderten Flüchtlingen am Donnerstag aus Budapest losfuhren, ist perfekt: Kurz nach seiner Abfahrt ist einer der beiden Züge einem Medienbericht zufolge in der Nähe eines der größten Aufnahmelager Ungarns wieder gestoppt worden. Zuvor hatte es geheißen, der Sonderzug werde die Flüchtlinge über Sopron Richtung München bringen.

Die Polizei räumte den Zug, die Menschen wurden angewiesen, den Zug in Bicske rund 40 Kilometer westlich von Budapest zu verlassen. Von dort seien sie mit Bussen in das nahegelegene Flüchtlingscamp gebracht worden. Rund 100 Menschen, die wegen Krieg und Verfolgung aus ihren Ländern flüchten mussten, haben sich geweigert in die Busse zu steigen. Sie drängten zurück in den Zug, andere versammelten sich in der Unterführung des Bahnhofs, von wo sie durch die Polizei zurück auf den Bahnsteig gedrängt wurden. Zuvor hatte ihnen die Polizei mittels Dolmetscher erklärt, dass sie ohne gültige Reisedokumente nicht in den Westen fahren könnten.

Chaos in Ungarn - Zug gestoppt
Karte Wien-Budapest, Bahnlinien, Strecke des Flüchtlingszugs Grafik 1016-15-Ungarn.ai, Format 88 x 55 mm

Zug in Graz erwartet

Zuvor hatten sich chaotische Szenen am Budapester Ostbahnhof abgespielt: Die Polizei hatte sich in der Früh vom Bahnhof Keleti zurückgezogen und ihn überraschenderweise wieder freigegeben. Dort hatten ja rund 3.000 gestrandete Flüchtlinge ausgeharrt, um über Österreich nach Deutschland zu gelangen. Daraufhin strömten Tausende in das Innere des Bahnhofs. Vormittag wurde schließlich verkündet, dass Flüchtlinge mit Zügen an die österreichische Grenze fahren können, um von dort aus nach München weiterreisen zu können. Zwei Züge wurden von den Flüchtlingen gestürmt, in der Hoffnung, Ungarn verlassen zu können. Sie sollten in Sopron halten. Bei den ÖBB wurde allerdings nicht um Übernahme am Grenzübergang angesucht.

Am Donnerstagabend wird zudem ein Zug aus Budapest in Graz erwartet. Wie die ÖBB mitteilten, handle es sich aber nicht um einen Sonderzug, wie kolportiert, sondern um eine von vier regulären Verbindungen von Budapest über Jennersdorf nach Graz. Es sei ein Direktzug, der gegen 22.00 Uhr am Grazer Hauptbahnhof ankomme. Noch sei unklar, ob und wie viele Flüchtlinge mit ihm kommen, denn der Zug fährt erst gegen 16.00 Uhr in Ungarn los. Ein Krisenstab sei vorsorglich eingerichtet worden, um sich auf eine höhere Anzahl von Asylsuchenden vorzubereiten.

Chaos in Ungarn - Zug gestoppt
Migrants wait on a platform for a train at the Keleti train station in Budapest, Hungary, September 3, 2015 as Hungarian police withdrew from the gates after two days of blocking their entry. REUTERS/Leonhard Foeger

Orban und das "deutsche Problem"

Chaos in Ungarn - Zug gestoppt
epa04910135 President of the European Parliament, Martin Schulz (R) welcomes Hungarian Prime Minister Viktor Orban (L) prior to a meeting at European Parliament in Brussels, Belgium, 03 September 2015. Orban is in Brussels for meetings with top-level EU politicians for discussions on the migrant and refugees crisis. EPA/OLIVIER HOSLET
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban weilt indes in Brüssel, wo er um Finanzhilfen ansucht. Er bleibt bei seiner Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik und verteidigt zugleich den Bau des ungarischen Grenzzauns. Am Donnerstag bezeichnete er zudem die aktuelle Krise als eine deutsche. "Das Problem ist nicht ein europäisches Problem, das Problem ist ein deutsches Problem", sagte Orban am Donnerstag bei einem Besuch in Brüssel. Keiner der Flüchtlinge wolle "in Ungarn bleiben", "alle wollen nach Deutschland gehen". Eine Annahme, die in Deutschland, gelinde gesagt, Empörung auslöste.

Ungarn möchte laut EU-Kommission eine Nothilfe von acht Millionen Euro erhalten, um ankommende Flüchtlinge zu versorgen. Orban kündigte nach einem Treffen mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz auch neue Maßnahmen an. Ratspräsident Donald Tusk forderte gleichzeitig die Verteilung der Flüchtlinge: Mindestens 100.000 sollten in der EU verteilt werden.

Tausende Aufgriffe - trotz Zaun

Auch am Mittwoch hat die ungarische Polizei erneut 2.061 neue illegale Einwanderer aufgegriffen. Die meisten davon seien trotz des neuen Grenzzauns über die serbische Grenze gekommen, berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI am Donnerstag. Unteressen starb laut einem Polizeibericht von Donnerstagmorgen bei einem Unfall auf der Autobahn M5 von Szeged nach Budapest allen Anzeichen nach ein Flüchtling. Zwei weitere Personen wurden teils schwer verletzt, nachdem ihr Wagen gegen eine Leitplanke gerast war. Sie wurden in ein Spital transportiert. Ein ungarischer Schlepper beging Fahrerflucht, wurde aber inzwischen von der Polizei gefasst.

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