Flüchtlingshelfer: "Liebe EU, was zum Teufel soll das?"

Flüchtlingshelfer: "Liebe EU, was zum Teufel soll das?"
Freiwillige auf Lesbos sind empört. Chaos werde sich legen, beschwichtigt die Politik.

Pedro zieht sich eine knallorange Schwimmweste über, schnappt sich ein Transparent und hält es über seinen Kopf: "Liebe EU, was zum Teufel soll das?", steht da in roten Großbuchstaben. Noch wollen sie nicht aufgeben, die freiwilligen Helfer von Lesbos. Am Donnerstag haben sie vor dem Registrierungslager Moria demonstriert. Es sei ein Gefängnis, der EU/Türkei-Deal habe Menschenrechtsverletzungen und den Bruch der Flüchtlingskonvention zur Folge.

Hunderte Helfer aus aller Welt sind auf der griechischen Insel im Einsatz. Pedro kam im Jänner aus Deutschland. Von einem Tag auf den anderen fühlen er und die anderen sich aber nicht mehr erwünscht. Denn alle privaten Lager räumt die Polizei, die Flüchtlinge werden in Aufnahmezentren auf dem Festland gebracht. Wer neu ankommt, muss seit Sonntag zur Registrierung nach Moria, dem EU-Hotspot, und wird dort festgehalten, bis das Asyl-Erstverfahren geklärt ist. Wie lange das dauert, kann niemand sagen. Die Menschen einfach auf unbestimmte Zeit einzusperren, das kritisieren nicht nur die Freiwilligen, sondern auch UNHCR und Ärzte ohne Grenzen. Sie haben Mitte der Woche einen Teil ihrer Arbeit aus Protest niedergelegt.

Auch aus dem Büro von Lesbos’ Bürgermeister kommen Bedenken. Die Flüchtlinge sollten nicht länger als notwendig festgehalten werden. Man müsse ihnen sagen können, was sie erwartet, sagt sein Stellvertreter und Pressesprecher Marios Andriotis. Doch derzeit sind den lokalen Behörden die Hände gebunden, Moria wird direkt vom Ministerium für Immigration und der EU-Grenzschutzbehörde Frontex geführt.

Helfer verlassen Insel

Die Freiwilligen sind sauer. "Man hat uns einfach aus Moria rausgeschmissen, die Behörden kooperieren nicht mehr. Das ganze System ist kollabiert durch den EU/Türkei-Deal, der einfach nur lächerlich ist", schimpft Ayesha, eine Britin, die seit November auf der Insel hilft. Ein Camp hat sie mit aufgebaut. Seit Mittwoch ist es geschlossen. Dabei waren es vor allem die vielen Freiwilligen und NGOs, die sich um die Versorgung der Flüchtlinge, um Essen und medizinische Hilfe kümmerten.

Noch protestiert Ayesha gegen die neuen Regeln. Doch sie weiß, dass ihre Zeit auf Lesbos ein Ende hat. Wie die meisten anderen geht sie aufs Festland, um dort in einem anderen Lager zu helfen. Sie sei kein emotionaler Mensch, erzählt sie. Aber heute habe sie geweint. "Lesbos und das Camp sind mein Zuhause. Die Helfer und die Flüchtlinge meine Familie. Nun ist alles kaputt."

Mangelnde Information und keine Details zur Umsetzung des Deals beklagen auch die Politiker in Lesbos. Marios Andriotis kann die Kritik der Freiwilligen aber nicht vollends mittragen. Das Chaos werde sich legen, sagt er. Lesbos habe zu Spitzenzeiten fast 10.000 Neuankünfte pro Tag versorgt, das neue System werde man auch bewältigen. Es brauche einfach ein paar Tage, bis es funktioniere.

Kaum Ankünfte mehr

Seit Sonntag kamen nur tausend Menschen an, gestern sturmbedingt sogar gar keiner. Dass durch den Deal die Flüchtlinge komplett ausbleiben, glaubt er aber nicht. "Solange Krieg ist, kommen Verzweifelte zu uns. Und wir werden ihnen helfen."

Genau das sorgt Maria, eine Griechin, die am Rande der Demonstration steht. "Wenn die alle gehen," sagt sie und zeigt auf die Dutzenden Helfer in ihren orangen Schwimmwesten. "Wer hilft uns dann mit den neuen Flüchtlingen?"

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