Ex-Geisel: IS-Kämpfer "mehr dumm als böse"

Als Gefangener der Extremisten merkte Nicolas Henin, dass Syriens Machthaber Assad das größere Übel sei.

Der Franzose Nicolas Henin war zehn Monate lang Gefangener der Dschihadisten vom "Islamischen Staat". 300 Tage, von Sommer 2013 bis April 2014. Jeder Tag hätte sein letzter sein können. Einer der "Gefängniswärter" war kein anderer als Mohammed Emwazi, bekannt unter "Jihadi John", der vergangene Woche bei einem Drohnenangriff getötet worden sein soll.

Ex-Geisel: IS-Kämpfer "mehr dumm als böse"
ATTENTION EDITORS - REUTERS PICTURE HIGHLIGHT TRANSMITTED BY 1355 GMT ON APRIL 20, 2014 PAR105 Nicolas Henin (L), former French hostage and journalist, is greeted by his family moments after a transfer by helicopter from Evreux to the military airbase in Villacoublay. REUTERS/Philippe Wojazer ATTENTON EDITORS FRENCH LAW REQUIRES THAT THE FACES OF MINORS ARE MASKED IN PUBLICATIONS WITHIN FRANCE REUTERS NEWS PICTURES HAS NOW MADE IT EASIER TO FIND THE BEST PHOTOS FROM THE MOST IMPORTANT STORIES AND TOP STANDALONES EACH DAY. Search for "TPX" in the IPTC Supplemental Category field or "IMAGES OF THE DAY" in the Caption field and you will find a selection of 80-100 of our daily Top Pictures. REUTERS NEWS PICTURES. TEMPLATE OUT

Nach den Anschlägen in Paris schreibt Henin im britischen Guardian, dass die Anhänger der Terrormiliz sich im Internet zwar als Superhelden präsentieren, doch abseits der Kamera seien sie "erbärmlich, Straßenkinder, beseelt durch Ideologie und Macht". In Frankreich, so der 41-Jährige, sagt man: dumm und böse. "Ich fand sie jedoch mehr dumm als böse."

Henin: Mit Assad ist nichts möglich

Die Extremisten hätten mit den Geiseln gespielt, ihnen gedroht, sie umzubringen, zu köpfen. "Sie hatten Spaß mit uns, sie lachten. Es war lächerlich." Aber als sie Bilder aus Deutschland gesehen haben, Bilder auf denen Menschen ankommende Flüchtlinge willkommen hießen, wurde es ruhig und ernst. "Das widerspricht dem Weltbild der Extremisten, denn für sie können Muslime nicht mit anderen Gruppen zusammenleben", so Henin.

Doch während seiner Zeit in Geiselhaft hätte er bemerkt, dass nicht die Terrormiliz das größte Übel in Syrien ist, sondern Präsident Bashar al-Assad. Obwohl der "Islamische Staat" abgrundtief böse ist, der syrische Präsident sei verantwortlich für den Aufstieg der radikal-islamistischen Gruppe: "Und so lange Assad an der Macht ist, kann der IS nicht ausgelöscht werden."

Fluchtursache Assad

Während viele vermuten, die meisten Flüchtlinge fliehen vor dem IS, ergab eine umfangreiche Befragung (nicht repräsentativ) syrischer Flüchtlinge, dass Assad die eigentliche Fluchtursache sei. Die Demokratieaktivisten von Adopt a Revolution, die die Befragung durchgeführt haben, interviewten von Ende September bis Anfang Oktober knapp 900 syrische Flüchtlinge vor Erstaufnahmeeinrichtungen, Registrierungsstellen und Flüchtlingsunterkünften in Deutschland.

Ex-Geisel: IS-Kämpfer "mehr dumm als böse"

Mehr als zwei Drittel gaben an, ihr Land wegen unmittelbarer Lebensgefahr verlassen zu haben. In diesem Zusammenhang nannten drei Viertel der Befragten, dass sie Angst vor Festnahmen durch das Assad-Regime haben, 42 Prozent sagten, sie fürchten Entführungen durch den IS. Für 13 Prozent waren die ökonomische Gründe ausschlaggebend für ihre Flucht. Die Furcht vor Rekrutierung durch die Streitkräfte nannten rund acht Prozent als Grund.

Für Henin, der zusammen mit dem Journalisten Pierre Torres, ebenfalls Ex-Geisel, ein Kinderbuch veröffentlichte, sei aber wichtig, dass die französische Regierung nun nicht voreilig mit weiteren Luftschlägen handle. Denn der "Islamische Staat" fürchte keine Bomben. "Die Terrormiliz fürchtet Einheit."

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