EU vertröstet Partner aus Rücksicht auf Russland

Bitte warten: Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine bei Medyka-Shehyni.
Um die Stimmung mit Moskau nicht weiter zu verschlechtern, wird die Annäherung von Ukraine & Co gebremst. Sie müssen auf Visafreiheit warten.

Die Zeiten, in denen man sich seitens der EU von den Gipfeln der Östlichen Partnerschaft bedeutsame Fortschritte erhoffte, sind fürs Erste einmal vorbei. Vor dem Ost-Gipfel Donnerstag und Freitag in Riga wurden die Erwartungen von Brüsseler Seite bewusst nach unten geschraubt: Man möchte vor allem eines, "möglichst kein Drama", wie es hochrangige EU-Diplomaten formulieren.

Denn das Treffen in Lettland soll auch nach außen einen kalmierenden Effekt haben: Man will vermitteln, dass sich die Partnerstaaten nicht (mehr) zwischen West und Ost, zwischen Brüssel und Moskau entscheiden müssen. Ein Signal vor allem an Russland, dass sich der Kreml von der Ost-Partnerschaft nicht bedroht fühlen müsse.

Kaum konkrete Ergebnisse

Dementsprechend wird es von den EU-28 – für Österreich nimmt Bundeskanzler Werner Faymann teil – auch eher vage Zusagen an die Partnerstaaten Ukraine, Georgien, Moldau, Armenien, Aserbaidschan und Weißrussland geben. Die Perspektiven der sechs Staaten auf einen EU-Beitritt etwa sollen nicht behandelt werden: "Diese Frage steht nicht auf der Agenda, wir sagen nicht Ja und nicht Nein, sondern konzentrieren uns auf die politische Assoziierung", sagt ein EU-Beamter. Soll heißen: Man wird den Partnerstaaten sagen, welche Reformen – z. B. in der Wirtschaft, im Kampf gegen Korruption – man von ihnen erwartet, ohne dabei konkrete Versprechen für "Belohnungen" zu machen.

Für die Partner ist das eine Enttäuschung: Lettland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft führt, wollte den Gipfel ursprünglich ehrgeiziger angehen. Die EU-Visafreiheit für Ukrainer und Georgier sollte verkündet werden – doch Brüssel bremst. "Es ist ein Missverständnis, dass ein Gipfel etwas ermöglichen kann", sagt Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Zuerst müssten die Länder objektive Kriterien erfüllen.

Hahn stellt beiden Staaten eine positive Empfehlung der Kommission zu Jahresende in Aussicht. In Brüssel heißt es, sowohl die Ukraine als auch Georgien müssten beim Kampf gegen die Organisierte Kriminalität und in ihren Asylsystemen mehr erreichen.

Georgiens Präsident Giorgi Margwelaschwili warnt vor einem Einknicken gegenüber Moskau: "Leider hat es Russland durch seine Aggression gegen die Ukraine geschafft, der Partnerschaft zu schaden."

Überschattet werden könnte der Ost-Gipfel von Griechenland: Premier Tsipras peilt ein Treffen mit Kanzlerin Merkel an und will im Kreis der Staats- und Regierungschefs eine Lösung in der Schuldenkrise erreichen.

Ja, die Ukraine ist ein großes Land; und ja, die Ukraine hat in vielerlei Hinsicht viele Probleme. Sehr viele. Viele kommen von innen (Korruption, Misswirtschaft, interne Konflikte und daraus resultierende Armut) –, aber vor allem eines kommt von außen: Und das ist die Schengengrenze, an der sich ukrainische Bürger seit Jahren die Stirn blutig rennen. Bei allen Versuchen der EU, aus dieser Grenze mit Projekten und Übergangszonen eine "freundliche Grenze" zu machen – das ist sie nicht. In keinerlei Hinsicht.

Hilfe bei Reformen und Finanzpaketen sind notwendig. Ohne eine Liberalisierung des Grenzregimes aber bleiben sie ein theoretischer Korpus ohne Inhalt. Visaerleichterungen wären ein klares wie vergleichsweise billiges Signal an Kiew, dass man es ernst meint. Vor allem wäre es aber das erste echte Signal an die Bürger, die bisher nur Reformdruck und Auflagen gesehen haben. Dasselbe gilt für Georgien oder Moldau. Und die Angst vor einem Massenansturm ist unberechtigt: Jene, die mit aller Kraft in die EU wollten – ob legal oder nicht –, sind längst hier.

Die Regierungen der genannten Staaten stehen unter massivem Druck der Bevölkerung, zu liefern. Eine Verweigerung der EU, weiteres Zögern, Ausreden wären ein fatales Signal: Dass die Angst vor militärischer Aggression gesiegt hat über Versuche, zu einem normalen Nebeneinander oder vielleicht sogar Miteinander zu gelangen. Wenn die EU weiterhin den Anspruch erheben möchte, Ländern wie der Ukraine, Georgien oder Moldau als Vorbild zu dienen, ist für sie die Zeit gekommen, selbst zu liefern: Andernfalls droht ihr gesamtes außenpolitisches Gewicht zu verpuffen.

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