EU-Grenzeinheit Frontex soll Flüchtlinge retten

Eine italienische Fregatte bringt Hunderte Flüchtlinge an Land.
Ab November soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex das überforderte Italien bei der Rettung der Tausenden Flüchtlinge aus dem Mittelmeer ablösen.

Europa und Italien sprechen bei ,Frontex Plus‘ zwei verschiedene Sprachen“, titelt die Mailänder Tageszeitung Il Sole 24 Ore. Während Innenminister Angelino Alfano die neu geplante europäische Grenzeinheit „Frontex plus“ als Nachfolger der italienischen „Mare Nostrum“-Rettungsmission präsentiert, ist Brüssel zurückhaltender.

Italien hatte zuvor wiederholt betont, die Einsätze der Marine zur Flüchtlingsrettung, die neun Millionen Euro pro Monat kosten, nicht mehr alleine bewältigen zu können. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström stellte jedoch klar, dass „Frontex Plus“ den Umfang der „sehr ehrgeizigen Mare Nostrum-Aktion“ nicht erreichen werde: „Wir wissen nicht, ob wir die Mittel zusammenbekommen, um genau das Gleiche zu tun, was Italien getan hat.“

Finanzierung und Umfang des gemeinsamen Projekts der EU-Länder sind unklar. Die Innenminister Deutschlands, Frankreichs und Spaniens sicherten Alfano Unterstützung zu, aber ohne Details zu nennen.

120.000 Flüchtlinge

Während sich „Mare Nostrum“ mit vollem Einsatz auf die Flüchtlingsrettung im Mittelmeer konzentriert – erst gestern wurden erneut 4000 Bootsflüchtlinge an Land gebracht, seit Jahresbeginn 120.000 – ist Frontex als restriktive Grenzschutzpatrouille berüchtigt.
Daher warnen humanitäre Organisationen vor einer drastischen Zunahme von Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer. „Man kann den neuen Plan aus Brüssel auch als überwachtes Ertrinken bezeichnen“, sagt Aktivist Massimo Marnetto. Die europäische Marine werde vor allem mit Hubschraubern in lokalen Hoheitsgewässern tätig sein. Deren einzige Aufgabe sei, die Position von Flüchtlingsbooten ausfindig zu machen, ohne Rettungseinsatz. Diese Aufgabe werden dann Handelsschiffe in der Nähe übernehmen müssen.

„Es scheint klar, dass Frontex Plus als Abschreckung dient, um die Zahl der Schiffbrüche zu erhöhen und Leute vor der Überfahrt abzuschrecken. Europa braucht mehr ertrunkene Personen, damit weniger Flüchtlinge kommen“, so Marnetto.

Vor dem Ertrinken retten

„Wir haben noch keine ausreichenden Details zu Frontex Plus, um eine genaue Einschätzung zu geben“, erklärte die UNHCR-Sprecherin für Südeuropa, Carlotta Sami, dem KURIER. Die Operation müsse so fortgesetzt werden, dass Leute vor dem Ertrinken gerettet werden. „Wir sind sehr besorgt über die Situation in Libyen, wo Krieg herrscht. Die letzten Unglücke haben sich knapp vor der libyschen Küste und in internationalen Gewässern ereignet“, so Sami. Der UNHCR habe EU-Länder dazu aufgefordert, Wege zu suchen, damit die Leute bereits vor der Abfahrt einen Asylantrag stellen und auf legale Weise nach Europa kommen können.

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