EU berät verschärfte Sanktionen gegen Russland

Die Außenminister könnten heute den Druck auf Kreml-Chef Putin erhöhen. Doch es gibt auch Gegenstimmen.

Bei dem Referendum über den zukünftigen Status der Krim haben sich laut offiziellem Endergebnis 96,6 Prozent für die Eingliederung der ukrainischen Halbinsel in die Russische Föderation ausgesprochen. Das teilte der Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow am Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der Westen hält die Volksabstimmung (mehr dazu hier) für illegal und erkennt das Ergebnis nicht an.

Verschärfte Sanktionen

"Wir haben die Konfrontation nicht gesucht. Aber wenn Russland nicht in letzter Minute einlenkt, werden wir am Montag im Kreis der EU-Außenminister eine entsprechende Antwort geben." Das sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der Welt am Sonntag – noch vor Bekanntgabe des Ergebnisses des Abspaltungsreferendums auf der Krim, die ja bekanntlich den Anschluss an Moskau sucht. Im Klartext: Die Chefdiplomaten der Union könnten in engster Abstimmung mit den USA heute die Sanktionen gegen Russland verschärfen, das de facto in die zur Ukraine gehörende Halbinsel einmarschiert ist. Außenminister Sebastian Kurz dazu gestern zum KURIER: "Ob das passieren wird, ist noch offen."

Kontosperren und Reisebeschränkungen

EU berät verschärfte Sanktionen gegen Russland
APA17448598-2 - 13032014 - LAIBACH - SLOWENIEN: ZU APA-TEXT AI - Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (l.) und sein slowenischer Amtskollege Karl Erjavec (r.) am Donnerstag, 13. März 2014, während einer Pressekonferenz im Rahmen eines Arbeitsbesuches in Laibach, Slowenien. APA-FOTO: DRAGAN TATIC
Im Gespräch waren Kontensperren und Reisebeschränkungen für bis zu 130 russische Top-Leute, darunter engste Vertraute von Kreml-Chef Wladimir Putin. Es soll jene treffen, die für den Krim-Separatismus samt Volksentscheid verantwortlich sind, den weder Kiew noch Washington und Brüssel anerkennen. Kurz: "Was wir bisher wissen, entsprach das Referendum nicht demokratischen Anforderungen."

Im Ö1-Morgenjournal bekräftigte Kurz das Vorhaben der EU, konkrete Sanktionen verhängen zu wollen. Er erwarte, dass die EU-Außenminister bei ihrem heutigen Treffen in Brüssel Sanktionen gegen russische "Einzelpersonen" aus dem "politischen und militärischen" Bereich erließen.

Geldflucht

Das angedrohte Einfrieren russischer Vermögen im Ausland hat aber bereits Wirkung gezeigt. Aus Furcht vor einer derartigen Maßnahme wurden allein in der Vorwoche 100 Milliarden Dollar aus den USA transferiert – das ist für diesen begrenzten Zeitraum das Dreifache des normalen Wertes. Experten gehen davon aus, dass diese Steigerungen auf russische Magnaten zurückzuführen ist.

Wie berichtet, hatte die EU in der Vorwoche ein dreistufiges Vorgehen beschlossen, um Putin zur Räson zubringen. In einem ersten Schritt wurden bereits die Gespräche über Visa-Erleichterungen für Russen auf Eis gelegt, heute geht es um die oben erwähnten Sanktionen, und auf dem Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag werden auch Strafmaßnahmen, die die russische Wirtschaft treffen, nicht mehr ausgeschlossen.

Allerdings ist der Spielraum hier sehr begrenzt, da die Volksökonomien der Union und Russlands eng verzahnt sind. 36 Prozent der Gasimporte der EU und 31 Prozent der Rohölimporte stammen aus Putins Reich. Umgekehrt fließen 80 Prozent der russischen Ölexporte und 70 Prozent der Gasexporte nach Europa. Allein das bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und der Russischen Republik liegt bei 76 Mrd. Euro jährlich.

Aus diesem Grund warnte der Geschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Klaus Olbricht, bereits: Umfassende Exportbeschränkungen würden "an die Substanz gehen", ein Importstopp von russischem Gas die Kosten für die Verbraucher massiv erhöhen. Und der Chef des deutschen Energieversorgers E.ON, Johannes Teyssen, appelliert, die in Jahrzehnten aufgebaute Partnerschaft mit Moskau nicht "leichtfertig aufs Spiel zu setzen".

Und der Präsident der des deutschen Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, Anton Börner, warnte davor, dass Moskau Sanktionen mit Enteignungen ausländischer Unternehmen beantworten könnte, wie sie derzeit in der Staatsduma diskutiert würden.

"Gelackmeiert"

Sogar aus der Politik kommen mahnende Stimmen. So meinte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im deutschen Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), dass Russland auch bei scharfen ökonomischen Strafmaßnahmen der Europäischen Union die Handelswege nach China weiter offenstünden – "die Gelackmeiertesten wären wieder einmal wir Deutschen".

Obama droht mit weiteren Sanktionen

US-Präsident Barack Obama hat noch am Abend mit Wladimir Putin telefoniert und klar gemacht, die Abstimmung nicht anzuerkennen. Gleichzeitig drohte er mit weiteren Sanktionen. Moskau müsse mit "zusätzlichen Kosten" wegen der Krim rechnen, sagte Obamas nach Angaben des Weißen Hauses. Obama habe Putin auch gesagt, dass die Krise nach wie vor diplomatisch gelöst werden könne. Das russische Militär müsse aber erst damit aufhören, in die Ukraine "einzufallen".

Umgekehrt bezeichnete Putin das Referendum in dem Telefonat als "rechtmäßig". Die Volksabstimmen stehe in "voller Übereinstimmung mit den Normen des Völkerrechts", sagte Putin nach Angaben des Kreml bei dem Gespräch am Sonntagabend, das auf Initiative Washingtons geführt worden sei.

Kontensperren und Reisebeschränkungen für bis zu 130 Personen sind angedacht. Auf der Liste könnten unter anderen folgende Russen stehen:

Verteidigungsminister Sergej Schoigu, Geheimdienstchef Alexander Bortnikow, Stabschef Sergej Iwanow, der Sekretär des Sicherheitsrates, Nikolai Patrushew, Sergej Iwanow und Wladislaw Surkow, zwei der engsten Berater von Präsident Wladimir Putin, Vize- Premierminister Dmitri Rogozin sowie die Chefs der größten Energiekonzerne Gazprom, Aleksei Miller, und Rosneft, Igor Sechin.

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