Türkei droht mit Eingreifen in Syrien

Türkischer Präsident Erdogan
Erdogan bestätigte auch die Drohung, massenweise Flüchtlinge nach Europa zu schicken.

Die Türkei hat mit einem Eingreifen in Syrien gedroht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Donnerstag, irgendwann werde das Land "die Geduld verlieren". Dann werde die Türkei gezwungen sein, aktiv zu werden.

In seiner Rede bestätigte Erdogan, dass er bereits bei einem Treffen mit der EU-Spitze im vergangenen Jahr damit gedroht hatte, Flüchtlinge nach Europa zu schicken. Er habe damals gesagt, dass die Türkei die Flüchtlinge an der Grenze nach Europa aufhalte. Doch eines Tages könne es sein, dass die Türkei "das Tor aufmacht und ihnen gute Reise wünscht", sagte Erdogan.

Erdogan droht mit Abschiebung

Erdogan stellte in den Raum, man könnte syrische Flüchtlinge massenweise in andere Länder schicken. Die Flüchtlinge könnten in Länder geschickt werden, aus denen derzeit "gute Ratschläge" zur Öffnung der Grenze wegen der Lage in der syrischen Stadt Aleppo kämen, sagte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu.

In den vergangenen Tagen hatten die UNO und mehrere Länder die Türkei aufgerufen, die Grenze am Übergang Öncüpinar, rund 60 Kilometer nördlich von Aleppo, zu öffnen und zehntausende syrische Flüchtlinge ins Land zu lassen. Erdogan sagte in seiner Rede vor einem Verband von Jungunternehmern, einige Länder hätten lediglich ein paar hundert Flüchtlinge aufgenommen. Die Türkei dagegen gewährt 2,5 Millionen Syrern Zuflucht. "Tut mir leid, aber wir haben kein Schild mit der Aufschrift 'Dummkopf' auf unserer Stirn", sagte Erdogan.

Erdogan kritisierte die UNO wegen des Appells zur Grenzöffnung und sagte, die Weltorganisation solle diesen Appell auch an andere Länder richten. Anschließend sollten die Flüchtlinge in diese Länder geschickt werden. Die Kämpfe um Aleppo könnten bis zu 600.000 Menschen in die Flucht treiben. Seit dem Beginn der von russischen Luftangriffen unterstützten Offensive syrischer Regierungstruppen in Aleppo sind breits ehntausende Menschen an die Grenze zur Türkei geflohen. Dort harren sie seit Tagen in überfüllten Lagern aus, da die Türkei ihnen die Einreise verweigert.

Wiederaufnahme der Syrien-Gespräche?

Die internationale Gemeinschaft lotet in München die Chancen für eine Wiederaufnahme der Syrien-Friedensgespräche aus. Im Land schlagen Angriffe der russischen Luftwaffe und syrischer Regierungstruppen um Aleppo Zehntausende in die Flucht. Die Türkei lehnt eine Öffnung der Grenze für alle Flüchtlinge ab.

Türkei droht mit Eingreifen in Syrien
 

50.000 aus Aleppo vertrieben

Bei den Kämpfen um die syrische Stadt Aleppo sind nach Schätzungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) jüngst 50.000 Menschen vertrieben worden. Außerdem seien Versorgungsrouten unterbrochen, teilte das IKRK am Mittwochabend in Genf mit. Das Rote Kreuz versuche, medizinische Hilfe, Wasser und Essen zu den Menschen zu bringen. UN-Organisationen hatten am Dienstag davor gewarnt, dass bis zu 300.000 Menschen in Aleppo von Hilfslieferungen abgeschnitten werden könnten.

Türkei droht mit Eingreifen in Syrien
Kontrollierte Gebiete im Nordwesten Syriens, Flüchtlingslager in der Türkei GRAFIK 0142-16, 88 x 108 mm

Syrien-Gespräche in München

Die internationale Gemeinschaft lotet am Donnerstag in München die Chancen für eine Wiederaufnahme der Syrien-Friedensgespräche aus. An der Konferenz nehmen Außenminister und andere hochrangige Vertreter aus 17 Staaten teil, darunter die USA, Russland, Saudi-Arabien, Iran und die Türkei. Diese fünf Länder haben eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen um ein Ende des seit fünf Jahren andauernden Bürgerkriegs. Deutschland wird von Außenminister Frank-Walter Steinmeier vertreten (siehe unten).

Russland hatte mit Luftangriffen auf die Opposition in der Region Aleppo die Kämpfe wieder intensiviert. Im fünfjährigen Bürgerkrieg in Syrien sind laut einem aktuellen Bericht rund 450.000 Menschen ums Leben gekommen.

Gespräche in Genf unterbrochen

"Die Kämpfe setzen den Menschen stark zu. Die Temperaturen sind extrem niedrig. Die Vertriebenen versuchen, ohne Schutz, Wasser und Nahrung unter sehr gefährlichen Bedingungen zu überleben", sagte die Leiterin der Syrien-Delegation des IKRK, Marianne Gasser. In den vergangenen Tagen sei es gelungen, Essen für rund 10.000 Familien in der umkämpften Region zu verteilen. In der Großstadt Aleppo selbst seien die Menschen auf die 100 vom IKRK eingerichteten Wasserstellen angewiesen.

Die Friedensgespräche in Genf waren vor einer Woche nach nur fünf Tagen abgebrochen worden und sollen möglichst am 25. Februar fortgesetzt werden. In München sollen nun die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Es wird vor allem um eine bessere humanitäre Versorgung notleidender Menschen und die Vorbereitung eines Waffenstillstands gehen.

"Brutaler, menschenverachtender Zynismus"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Bombardements Russlands in Syrien seien "brutaler, menschenverachtender Zynismus". Auch der "Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit" sei erfüllt, sagte er der Welt (Donnerstag). Der deutschen Außenpolitik warf der CDU-Politiker vor, die Entwicklungen in Nahen und Mittleren Osten zu lange ignoriert zu haben. Deutschland habe es versäumt, sich für größere europäische Entschlossenheit einzusetzen und nehme "noch immer eine Zuschauer- und Mitläuferrolle ein".

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hatte am Mittwoch erneut die Forderung nach einer Grenzöffnung für Zehntausende Flüchtlinge aus Syrien als "Heuchelei" zurückgewiesen. Manche "Kreise", darunter der UN-Sicherheitsrat, würden "für die Lösung der Syrienkrise keinen einzigen Finger krumm machen", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Anadolu. Gleichzeitig fordere man von der Türkei eine Öffnung der Grenze. Davutoglu forderte zudem eine eindeutige Verurteilung der russischen Luftschläge in Syrien.

Eine Syrien-Konferenz in München soll am Donnerstag den festgefahrenen Friedensprozess in Syrien wieder in Gang bringen. Es trifft sich die "International Syria Support Group" (Internationale Syrien-Unterstützergruppe), die erstmals im November 2015 in Wien zusammenkam.

Neben der Arabischen Liga, der Europäischen Union und den Vereinten Nationen sind 17 Länder beteiligt: Ägypten, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Irak, der Iran, Italien, Jordanien, Katar, der Libanon, Oman, Russland, Saudi-Arabien, die Türkei, die USA sowie die Vereinigten Arabischen Emirate.

Nicht zu verwechseln sind die Verhandlungen im "Wiener Format" mit den Genfer Friedensgesprächen zwischen dem syrischen Regime und der Opposition, die Anfang Februar vertagt wurden. In Syrien tobt seit fast fünf Jahren ein von außen befeuerter Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Präsident Bashar al-Assad und aufständischen Gruppen.

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