Erdoğan schürt einen "Kalten Glaubenskrieg"

Erdoğan schürt einen "Kalten Glaubenskrieg"
Gespräch mit dem Mitbegründer der Initiative Liberaler Muslime, Amer Albayati, über Islamisierung und Arabisierung der Türkei.

Ja, er habe Angst, sagt Amer Albayati. Der in Wien lebende gebürtige Iraker ist Mitbegründer der Initiative Liberaler Muslime in Österreich (ILMÖ), Imam, Buchautor und Experte für radikalen Islam und Terrorismus. Angst vor Bespitzelung, Angst vor Rache, Angst vor Terroristen, denen er auf der Spur ist.

"Aber ich kann mir nicht wegen meiner Angst den Mund als Aktivist und Islamreformer verbieten. Dann hätten wir verloren!"

Amer Albayati kennt sich aus in der Islam-Szene in Österreich – sollte es diese geben. Auch in der Türkei war er kürzlich. Für eine Studienreise, in der es vor allem um radikalen Islam und Terrorrouten nach Europa ging. Zwar habe sich die Lage in der Türkei nach dem Putschversuch beruhigt, aber stabil sei es noch nicht. "Die Menschen haben Angst, der Wirtschaft, insbesondere dem Tourismus geht es nicht gut. Fachkräfte fehlen wegen der massenhaften Verhaftungen."

"Die Türkei ist auf dem besten Weg, eine islamische Republik zu werden", sagt Albayati. Als symbolhaftes Beispiel dafür nannte er etwa die "Arabisierung". Nämlich, dass Schriftverkehr und Straßenschilder angeblich zunehmend auf Arabisch gehalten werden sollen. Erdoğan spiele sich als "Muslimführer" auf. Das ziehe auch viele Araber an, etwa Pensionisten aus den Golfstaaten, die sich in der Türkei Häuser kaufen. Nicht nur Islamisten fühlen sich angesprochen.

"Kalter Glaubenskrieg"

Außerdem fördere Erdoğan einen "Kalten Glaubenskrieg", wie es Albayati nennt. Auf populistische Weise spiele er Muslime und Nicht-Muslime gegeneinander aus. Er schüre Hass gegen die USA, die Juden und Europa, insbesondere auch Österreich.

Erdoğan und seine Regierung praktizierten eine "radikale Innen- wie Außenpolitik". "Das ist auch für Türken kontraproduktiv und gefährlich!" Erdoğan entpuppe sich als absoluter Diktator. Zwar hätte er laut Wahlen rund 50 Prozent der Türken hinter sich, jedoch habe er sowohl Gegner (Kemalisten, Aleviten), als auch Feinde (Kurden) im Land.

Amer Albayati gibt Erdoğan nur noch wenige Jahre. "Bis 2020 wird er von Feinden umgebracht oder von seinen eigenen Leuten beseitigt", stellt er eine gewagte These auf. Auch innerhalb der AKP gebe es Widerstände, zudem seien nicht alle, die nach dem Putsch inhaftiert wurden zurecht in Haft. "Erdoğan sitzt auf einem Pulverfass!" Ich würde Erdoğan raten – aus Respekt vor dem türkischen Volk – seine Politik zu ändern.

"Muslime, seid loyal!"

"Wir – die Muslime in Europa – wollen hier leben. Nicht die Probleme aus anderen Ländern importieren, keine fremden Konflikte in Wien auf die Straße tragen", sagt der Präsident der Liberalen Muslime. "Ich verlange von jedem Muslim: Sei loyal zu dem Land, in dem du lebst!" Wenn die Muslime zudem den Islam nicht endlich reformierten, "dann können wir nicht in der Moderne leben".

Den Berichten über Bespitzelung in Österreich durch Erdoğan-Handlanger kann Albayati nur zustimmen. Auch er werde "ganz bestimmt" überwacht. "Ich wechsle die Orte, an denen ich schlafe, an denen ich mich bewege", sagt er. Auch Drohungen habe er erhalten. "Erdoğan Geheimdienst ist auch hier sehr aktiv." Auch Albayati selbst sei schon aufgefordert worden, verdächtige Personen bei der türkischen Botschaft zu melden – was er aber abgelehnt habe.

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