Ein Krieg, der nicht zu gewinnen ist

Mohnanbau zur Opiumgewinnung: Trotz aller drogenbekämpfenden Maßnahmen gewinnt Afghanistan heute mehr Opium denn je – selbst Kinder arbeiten mit.
Nicht nur in den USA setzt sich immer mehr durch: Entkriminalisierung statt extremer Härte.

Keine Kämpfer für die Freigabe von Cannabis waren es, sondern die London School of Economics: "Den Krieg gegen die Drogen beenden", titelte die honorige Institution ihren jüngsten Bericht und schloss damit auch gleich eine umstrittene Forderung an. Es sei an der Zeit, die seit Jahrzehnten praktizierte Politik des "Krieges gegen die Drogen" über Bord zu werfen.

Exekutionen von Drogenhändlern in Ostasien; Einsatz von Pflanzenvernichtungsmittel, die auch alles in der nächsten Umgebung töten; massive US-Militär- und Finanzhilfe für die lateinamerikanischen Verbündeten Washingtons im Kreuzzug gegen die Drogen – und "was sind die Erfolge dieser harten Linie?", fragen die Londoner Wirtschaftsexperten.

In den Ländern, wo Drogen überwiegend konsumiert werden, in den USA etwa, sind es Massenverhaftungen und überfüllte Gefängnisse. Von den rund zwei Millionen Gefangenen in den USA sitzt derzeit jeder vierte Haftinsasse wegen eines Drogendeliktes ein. Weltweit befinden sich derzeit rund neun Millionen Menschen in Haft – 40 Prozent wegen Drogenvergehen.

Ein Krieg, der nicht zu gewinnen ist

Explosion der Gewalt

In den Ländern, wo Drogen hergestellt werden, ist hingegen die Gewalt explodiert. Allein Mexikos Mordrate hat sich innerhalb von vier Jahren verdreifacht. 80.000 Menschen kamen seit 2006 ums Leben, 20.000 werden vermisst. Erst vorgestern kamen bei einer Schießerei zwischen Polizeitruppen und Mitgliedern eines Drogenkartells im Westen Mexikos mindestens 40 Menschen ums Leben. Die Verhaftungen von einzelnen Drogenbossen wiegen dagegen gering. Für Korruptionsforscher Edgardo Buscaglia von der Colombia-Universität in New York kein Grund zum Aufatmen: "Die Kartelle funktionieren wie Unternehmen. Wenn jemand aus dem Direktorium aussteigt, wird er ersetzt."

Und auch wenn die Koka-Anbauflächen in Lateinamerika reduziert wurden, nahmen die Opium-Anbauflächen in Afghanistan wieder dramatisch zu. Das Land am Hindukusch baut heute so viel Mohn für die Opiumproduktion an wie nie zuvor – und das, obwohl allein die USA acht Milliarden Dollar für Drogenbekämfungsmaßnahmen ausgegeben haben.

Auch die Zahl der Drogenkonsumenten sank nicht. Mehr als 200 Millionen Menschen konsumieren laut UN Office on Drugs and Crime jährlich illegale Drogen; 200.000 Todesopfer pro Jahr sind zu beklagen.

"Der Krieg gegen die Drogen ist verloren", hatte denn auch Ex-US-Verteidigungsminister Robert Gates bilanziert. In den USA beginnt man allmählich umzudenken. Weg von der reinen Bestrafungs- und Kriegerpolitik in Richtung Waffenstillstand. Das haben allein schon die Liberalisierungen im eigenen Land bewirkt: In vier US-Bundesstaaten wurde das Verbot von Cannabis aufgehoben.

Entkriminalisierung

In Lateinamerika ist man noch weiter: Von Kolumbien über Peru, Bolivien und Mexiko wird eine Trendumkehr angedacht. Von einer "Entkriminalisierung als ersten Schritt" für Drogenkonsumenten spricht Mexikos Innenminister Lopez Bonilla. "Das heißt nicht, den Kampf gegen die Drogen aufzugeben, aber ihn wirksamer zu machen." Denn der Plan, radikal gegen das Angebot vorzugehen und so die Drogen-Nachfrage zu drosseln, habe sich als wirkungslos erwiesen. Den größten Schritt setzte Uruguay: Dort ist seit März der Erwerb von Cannabis in Apotheken erlaubt.

Strenger als bisher geht man hingegen im Osten vor: Indonesien und Malaysia setzen auf Abschreckung, Drogenhändler werden exekutiert. Russland vollzieht zwar keine Todesstrafe, verweigert aber in extremer Härte in Drogenfragen sogar die Ersatzdroge Methadon. Dabei hat Russland 1,2 Mio. HIV-Infizierte – zehn mal mehr als vor zehn Jahren. Und auch China lehnt jedes Überdenken der bisherigen Drogenpolitik ab. Im Juni, wenn die UN-Staaten den "Internationalen Tag gegen den Drogenmissbrauch" begehen, könnte Peking wieder mit einer Runde Exekutionen von Drogendelinquenten mitwirken.

In Österreich vergeht beinahe keine Woche, ohne dass die Polizei von größeren Drogenfunden oder häuslichen Cannabisplantagen berichtet. Letzteres soll bald keine Sache der Polizei mehr sein, zumindest wenn es nach 30.000 Österreichern geht, die für eine parlamentarische Bürgerinitiative unterschrieben haben. Die soll es möglich machen, dass schon 16-Jährige zehn Gramm Cannabis kaufen dürfen.

Ganz so weit soll die geplante Änderung des Suchtmittelgesetzes nicht gehen, doch sie sieht immerhin vor, dass Personen die mit geringen Mengen Suchtgift erwischt werden, nicht mehr automatisch mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft rechnen müssen. Nur die Gesundheitsbehörde soll verständigt werden, die den Konsumenten dann Kontrollen auferlegt.

Eine Million Kiffer Laut einer Schätzung des Hanfinstitutes gibt es in Österreich 500.000 regelmäßige Konsumenten und 500.000 Gelegenheitskiffer. Diese rauchen – steuerfrei – durchschnittlich 15 bis 74 Joints im Jahr. Würde man diese 50 bis 250 Tonnen Cannabis wie Bier besteuern, so würde sich das schon im ersten Jahr mit insgesamt 125 bis 325 Millionen Euro positiv auf den österreichischen Staatshaushalt auswirken.

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