Diskussion über Frauen am Steuer „absurd"

Madawi al-Rasheeds Schriften sind in Saudi-Arabien verboten.
Sozialanthropologin Madawi al-Rasheed über Frauenrechte in Saudi-Arabien.

Messerscharf analysiert sie die politische und soziale Lage in ihrer früheren Heimat – und kommt zu einem vernichtenden Urteil. „Saudi-Arabien ist eine absolutistische Monarchie, in der die Menschen ihrer individuellen Freiheiten beraubt sind und Korruption allgegenwärtig ist“, sagt die Sozialanthropologin Madawi al-Rasheed, die derzeit in London eine Gastprofessur hat, im KURIER-Gespräch. Folge der unbeschönigten Sicht auf die Dinge: Ihre Bücher und Artikel sind im Königreich am Golf verboten. Sie selbst war schon 18 Jahre nicht mehr dort, „weil ich nicht weiß, ob sie mich überhaupt wieder ausreisen lassen würden“.

„Kosmetische Reform“

Die von einigen Beobachtern attestierte zarte Öffnung bezeichnet die 51-Jährige bloß als „kosmetische Reform“. Den Machthabern gehe es dabei bloß um ein besseres eigenes Image im westlichen Ausland. „Dass wir im 21. Jahrhundert überhaupt noch diskutieren müssen, ob Frauen selbst Auto fahren dürfen (in Saudi-Arabien ist es ihnen de facto verboten), ist absurd“, so die Wissenschaftlerin, die diese Woche auf Einladung der entwicklungspolitischen Organisation VIDC in Wien war.

Generell skizziert sie ein düsteres Bild der Lage der Frauen in dem Golfstaat. „Mittlerweile sind sehr viele sehr gut ausgebildet, aber sie finden keine Jobs, weil sie die meisten gar nicht ausüben dürfen. 86 Prozent aller arbeitslosen Frauen haben einen Universitätsabschluss – und sind zum Nichtstun verdammt.“

Doch immer mehr Frauen forderten jetzt mehr Rechte ein. „Ich sehe hier zwei unterschiedliche Strömungen und Gruppen“, erläutert al-Rasheed, „die eine ist eher säkular geprägt und pocht auf die globalen Menschenrechte, während die andere innerhalb des islamischen Kontexts und basierend auf dem Koran Gleichberechtigung anstrebt. Ich meine, die zweite Gruppe hat mehr Chancen auf Erfolg.“

Angesprochen auf die Zukunft des Königreiches, in dem seit der Staatsgründung durch Saud ibn Abd al-Aziz 1932 nur dieser selbst und Söhne von ihm regierten und regieren, die aber bald alle tot sind, meint die Anthropologin: „Dann wird es kein starkes einheitliches Gebilde mehr sein, sondern aus vielen kleineren zusammengehörigen Königreichen bestehen. Die Ministerien sind ohnehin schon längst unter den einzelnen Prinzenfamilien aufgeteilt.“

Deal mit Iran trifft Riad

Bereits jetzt aber sei das Land geschwächt. Vor allem der Atom-Deal der internationalen Staatengemeinschaft mit dem Iran sei eine „schwere diplomatische Niederlage für Saudi-Arabien. Die (sunnitischen) Herrscher wollten, dass der (schiitische) Iran bombardiert wird, stattdessen ist er nach Jahrzehnten der Isolation wieder im politischen Spiel – auch als Regionalmacht im Mittleren Osten.“ Das Ganze habe auch einen ökonomischen Aspekt, so al-Rasheed, weil die Abhängigkeit des Westens vom Öl aus der Golfmonarchie sinke.

Die Syrien-Politik Riads stuft die Expertin als verfehlt ein. „Sie setzten voll auf den Sturz von (Machthaber) Assad, doch davon scheint man weit entfernt zu sein.“ Wie Irans Präsident Hassan Rohani habe sich auch der Herrscher in Damaskus mit seiner Zustimmung zur Vernichtung der chemischen Waffen wieder als Verhandlungspartner profilieren können.

Die Entwicklungen in beiden Ländern in der mittelbaren Nachbarschaft seien nicht zum Vorteil Saudi-Arabiens, das im Fall des Iran „plötzlich in einem Boot mit Israel sitzt“.

Frauenrechte in Saudi-Arabien

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