Die "Rockstar-Diplomatin" ist müde

Hillary Clinton, mit Abstand populärste Ministerin in Obamas Team, will ihren kräfteraubenden Job nicht länger machen.
Der Abgang der US-Außenministerin ist fix – ihre Rückkehr in die Politik nicht ausgeschlossen.

Sie will ihre Ruhe haben und sieht müde aus auf dieser ungeplanten Reise nach Jerusalem, Ramallah und Kairo. Trotzdem hat sie einen Erfolg erzielt. Am Ende ihrer Karriere als US-Außenministerin steht ein hart errungener Waffenstillstand in Nahost, zu dem Hillary Clinton mit persönlichem Engagement beigetragen hat. „Manchmal gibt es keine andere Wahl, als selbst vor Ort zu sein, wie die Außenministerin sagt“, erklärte ihre Sprecherin Victoria Nuland.

Das sei typisch Hillary Clinton, die sehr hart arbeite, ohne auf politischen oder persönlichen Profit zu achten. „Sie sagt nie ‚es wäre gut, das zu machen, aber ich bin beschäftigt‘ oder müde. Oder: ‚Lass das jemand anderen machen.‘ Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Arbeit sie bewältigt. Ihre Frage ist immer: Was können wir noch machen?“, erzählt ein höherer Beamter der Obama-Regierung dem KURIER. Er kennt Hillary Clinton persönlich und will ungenannt bleiben.

Oberste Diplomatin in der nächsten Administration von Barack Obama möchte sie aber nicht mehr sein. „Geistig und körperlich ist der Job des Außenministers erschöpfender als jeder andere in der US-Regierung, und Hillary Clinton ist gerade 65 Jahre alt geworden“, meint John Sitilides, ein republikanischer politischer Stratege und Experte in Regierungsangelegenheiten aus Washington zum KURIER.

Im Rampenlicht

Sie selbst nennt ihre Karriere eine „Hochseilaufführung.“ Seit 20 Jahren steht Hillary Clinton im internationalen Rampenlicht und hat turbulente Zeiten als öffentliche Figur und auch als Frau erlebt. Nachdem ihr Mann Bill Clinton 1992 US-Präsident geworden war, begann für sie eine intensive Zeit als engagierte First Lady. Sie führte einige erfolgreiche überparteiliche Initiativen an, etwa für Erleichterungen des Adoptionsverfahrens und die Reduzierung der Jugendschwangerschaften, und initiierte ein Gesundheitsprogramm für Kinder. Doch sie scheiterte beim Versuch, die Gesundheitsreform ihres Mannes durch den Kongress zu bringen.

Die Monica-Affäre Um diese Zeit musste sie auch mit der öffentlich gewordenen Untreue von Bill Clinton zurechtkommen, als seine Sex-Affäre mit Monica Lewinsky ans Licht kam. Die gedemütigte Ehefrau stand zu ihrem Mann.

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Nachdem beide aus dem Weißen Haus ausgezogen waren, wurde Hillary 2000 als erste ehemalige First Lady zur Senatorin gewählt. „Als sie in den Senat kam, hielt sie ihren Kopf niedrig und mied die Öffentlichkeit“, erzählt ein aufmerksamer Beobachter ihrer Karriere. Auch er will lieber anonym bleiben.
Doch bald habe sie sich zu einer respektierten Stimme entwickelt, besonders in Militärangelegenheiten. Nach zwei erfolgreichen Mandaten als Senatorin von New York machte sie als Präsidentschaftskandidatin weiter und trat 2008 in den Primaries, den Vorwahlen der Demokratischen Partei, gegen Barack Obama an.

Hillary Clinton ist eine enorm talentierte Frau“, sagt Sitilides, der seit 2006 als externer Auftragnehmer für das US-Außenministerium arbeitet. Sie wurde in Chicago in die republikanische Familie des Textilhändlers Hugh Rodham geboren, entwickelte sich aber in eine andere politische Richtung – zur Demokratin. Hillary studierte Jus an der Eliteuniversität Yale, wo sie ihren Mann Bill traf.
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Nach ihren weithin als brillant angesehenen Jahren im Senat und der knappen, schmerzvollen Vorwahlniederlage gegen Barack Obama schaffte Clinton den Bogen zur respektierten Außenministerin. Sie wurde eine starke Stimme der USA im Ausland.

"Hillaryland"

Nur Wochen vor ihrem Abschied aus dem Amt wimmelt es in der großen Eingangshalle des Außenministeriums von Menschen. „Hillaryland“ – so wurde das State Department in den vergangenen Jahren genannt. Man werde sie hier vermissen, sagen viele Mitarbeiter. Wenn sie darüber abstimmen dürften, würden alle ihre Chefin weiter im Haus behalten. „Sie hat eine große Spur in diesem Gebäude hinterlassen“, sagt ein höherer Beamter. Man respektiere sie sehr für ihr Wissen und Erfahrung.

Und Hillary sei auch ein großartiger Mensch: Kürzlich nahm sie sich trotz ihres anstrengenden Non-Stop-Programms Zeit, um sich bei den Mitarbeitern mittleren Rangs persönlich zu bedanken. Die hatten auch während des Hurrikans Sandy gearbeitet, um Clintons Balkan-Reise vorzubereiten, erzählt der Beamte: „Diese Geste bedeutet wirklich viel.“

Die "Rockstar-Diplomatin" ist müde


Ungewiss ist, was die ehrgeizige und zielstrebige Politikerin unternehmen wird, wenn sich die Türen des Außenministeriums hinter ihr schließen. Völlig ausgeschlossen hat sie nicht, dass sie bei der Präsidentschaftswahl 2016 erneut kandidieren wird. Tyson Barker, ein Politologe aus dem Washingtoner Büro der deutschen Bertelsmann-Stiftung, sagt: „Als Präsidentschaftskandidatin würde sie eine unübertroffene Erfahrung mit sich bringen.“

Flugmeilen: Seit Amtsantritt 2009 legte die US-Außenministerin 918.375 Flugmeilen zurück (rund 1,48 Mio. km).

Verbrauchte Zeit: 1997,5 Stunden oder 83,2 Tage.

Reisetage: An 384 Tagen besuchte Clinton insgesamt 112 Länder, viele davon mehrmals.

Truppe: Die Ministerin und ihr Gefolge – stets mindestens 30 Leute – reisen in der eigenen Boeing 757 der Regierung. Clinton hat rund ein Dutzend LeibwächterInnen.

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