Die krude Welt des Tobias R.: Täter von Hanau hasste Ausländer – und Frauen

Tobias R. Hanau, Täter
Der mutmaßliche Schütze war ein rechtsradikaler "Incel": Er wollte die Auslöschung ganzer Völker, fühlte sich von Geheimdiensten verfolgt und hatte ein Problem mit Frauen.

Wer war der Täter von Hanau?

Tobias R., der mutmaßliche Schütze, der in der deutschen 100.000-Einwohner-Stadt zehn Menschen ermordet haben soll und sich selbst danach gerichtet hat, hat ein Bekennerschreiben und mehrere Videos hinterlassen. In den Dokumenten, die dem KURIER vorliegen, gibt er einen Einblick in sein Geisteseleben, der sich recht simpel zusammenfassen lässt: "Rechtsextrem, ein Incel und etwas, das aussieht wie eine handfeste Geisteskrankheit", beschreibt es Terror-Experte Peter R. Neumann.

"Er hasst Ausländer und Nicht-Weiße. Auch wenn er den Islam nicht direkt erwähnt, ruft er zur Vernichtung von verschiedenen Ländern in Nordafrika, im Mittleren Osten und Zentralasien auf (die alle mehrheitlich muslimisch sind)", schreibt Neumann auf Twitter. Tatsächlich hat der Täter, ein deutscher Staatsbürger, der laut eigenen Angaben 1977 geboren wurde und in Bayreuth BWL studiert hat, seine Wut auf Personen mit Migrationshintergrund gerichtet: Ziel seiner Anschläge waren Shisha-Bars; er mordete in einer migrantisch geprägten Gegend mit Spielhallen, Wettlokalen und Döner-Imbissbuden.

Absurde Rassentheorien

In dem Video, das auf Youtube und seiner eigenen Homepage zu sehen war, ist Tobias R. offenbar in seiner eigenen Wohnung zu sehen. In dem Manifest, das auch auf seiner Homepage zu finden war, rechtfertigt er seine Taten damit, dass die "Wissenschaft beweise, dass manche Rassen überlegen seien". Er spricht dezidiert davon, ganze Ethnien auszulöschen, vor allem in Afrika, Zentralasien, im Mittleren und Nahen Osten. Zwar nimmt er das Wort Islam dabei nicht in den Mund; allein: In der Aufzählung der Völker, die "komplett vernichtet werden müssen", wie der mutmaßliche Täter schreibt, sind hauptsächlich muslimische.

Amoklauf in Hanau: Der Tathergang

Sein Hass geht sogar noch weiter. Zunächst spricht er von einer "Grob-Säuberung", danach müsse die „Fein-Säuberung“ kommen, die wiederum andere Länder und auch Deutschland betreffe. Seine krude Begründung: "Wobei ich anmerkte, dass nicht jeder, der heute einen deutschen Pass besitzt, reinrassig und wertvoll ist; eine Halbierung der Bevölkerungszahl kann ich mir vorstellen."

Wir zeigen das auch uns vorliegende Bekennervideo nicht, sondern nur verpixelt als Standbild oder nur als wenige Sekunden lange Sequenzen ohne die Stimme des mutmaßlichen Täters Tobias R., weil wir Tätern, die mit ihren Taten bewusst eine Öffentlichkeit suchen, keine offene Bühne geben.

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Frauenhass

Ob sich Tobias R. von anderen Tätern hat inspirieren lassen, ist derzeit unklar. Fest steht aber, dass er mit anderen Attentätern - speziell mit jenen von Christchurch oder Halle - viel gemein hat: Die beiden Männer verübten ebenso rassistisch motivierte Attentate. Im neuseeländischen Christchurch starben 51 Menschen in einer Moschee, der Täter streamte das Verbrechen live; im deutschen Halle attackierte der Täter eine Synagoge und ermordete zwei Menschen – und gab als Vorbild Christchurch an.

Erst vor einigen Tagen wurde zudem in Deutschland eine rechtsradikale Gruppierung ausgehoben, die Anschläge auf Moscheen plante - auch diese Männer wollten nach dem Vorbild Christchurch handeln.

Neben dem Ausländerhass verbindet R. auch die Verachtung von Frauen mit den beiden anderen Gewalttätern: Auch Tobias R. dürfte ein sogenannter Incel gewesen sein, also jemand, der niemals eine Beziehung mit einer Frau hatte – für die letzten 18 Jahre, so schreibt er, aus eigenem Entschluss heraus. "Incel" steht für "involuntary celibate", also "unfreiwillig enthaltsam"; Incels geben Frauen, die ihrer Ansicht nach zu selbstbewusst geworden sind, die Schuld an ihrem Single-Dasein.

In seinem Manifest schreibt Tobias R., dass er noch nie eine Freundin hatte, weil ihm keine gut genug gewesen sei: 2Allerdings kam ein Kompromiss, den ich mit Sicherheit hätte öfters schließen können, nämlich eine weniger gut aussehende Frau zu nehmen, mit der ich mich irgendwie verstand, nicht in Frage – ich wollte das Beste haben oder gar nichts." Dass R. auch in den Foren der Incels unterwegs gewesen sei – beliebt ist da vor allem 4Chan -, glaubt Neumann eher nicht: "Es gibt kein Shitposting, keine Anspielungen an Memes. Er sieht eher wie jemand aus, der die ganze Nacht Verschwörungsvideos auf Youtube ansieht."

Verfolgungswahn

Das passt auch gut zu dem, was Tobias R. in seinem Video und in seinem Manifest beschreibt: Er erwähnt etwa, dass öffentliche Personen wie Donald Trump und Jürgen Klinsmann seine Ideen "umsetzen" würden; dies funktioniere über "Fernsteuerung".

Dazu schreibt er, dass er schon von klein an von einem speziellen "Geheimdienst" überwacht worden sei – klar sei ihm das am 11. September 2001, am Tag der Anschläge auf das World Trade Center geworden. Ohnehin scheint er eine starke innere Verbindung zu den USA gespürt zu haben, auch sein Video richtet sich in einer "persönlichen Botschaft an alle Amerikaner".

Ähnlich ist übrigens auch der Wortlaut in einer 19.seitigen Strafanzeige, die der Täter einem niederösterreichischen Esoteriker zukommen hat lassen. Im Herbst vergangenen Jahres hatte sich Tobias R. per Email an Bernd G. gewandt und um dessen Hilfe als spiritueller Trainer gebeten. Bernd G. nahm das Ganze allerdings nicht ernst - und antwortete nie, wie er dem KURIER sagte. Mehr dazu lesen Sie hier:

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