Til Schweiger, der Blitzableiter der Nation

Hat den Zorn der Asylgegner entfacht: Til Schweiger (51).
Schauspieler Til Schweiger ist Zielscheibe der Asylgegner, die Politik ist stumm.

800.000 Flüchtlinge, so viele wie noch nie zuvor, werden heuer in Deutschland erwartet. Um sie unterzubringen, "braucht es Wohnraum in der Größe von ganz Frankfurt", sagt Til Schweiger. Der Schauspieler, bislang als Produzent publikumswirksamer Komödien und als Haudrauf-Ermittler im Tatort bekannt, hat seit kurzem ein neues Betätigungsfeld: Er engagiert sich für Flüchtlinge, will selbst eine Unterkunft für Asylsuchende finanzieren.

Eine gute Tat, könnte man meinen. Doch die Reaktionen sind alles andere als wohlwollend. Manch einer unterstellt ihm einen PR-Coup, im Netz aber ist der Vorwurf ein anderer – die Kommentare dort strotzen vor Fremdenhass. So sehr, dass der Schauspieler sich selbst im Ton vergreift. "Verpisst euch von meiner Seite, empathieloses Pack!", schrieb er anfangs dem digitalen Mob entgegen. Am Dienstag entfuhr ihm im TV eine Schimpftirade: "Sie gehen mir auf den Sack!", zeterte er bei Menschen bei Maischberger in Richtung von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Der hatte Schweigers Ideen leicht süffisant kritisiert – der Schauspieler warf ihm im Gegenzug Untätigkeit vor.

Schweigers Schimpftirade

Der Streit zeigt eines: Der Tonfall in der Asyldebatte wird rauer – auf der Straße wie auch im Netz. "Purer, plumper Hass" schlage ihr entgegen, sagte auch NDR-Moderatorin Anja Reschke in der Diskussion – und meinte damit sowohl die Aufmärsche vor Flüchtlingsheimen als auch die Gesprächs-Unkultur in sozialen Medien. Reschke hatte sich kürzlich in einem TV-Kommentar offen gegen Flüchtlingshass positioniert und war – wie Schweiger – dafür angefeindet, sogar bedroht worden. "Es wird normaler, dass man die Übelsten Sachen sagt."

Reschkes Kommentar

Leerstelle

Dass gerade zwei Prominente diesen Zorn abbekommen, liegt auch daran, dass sie eine Leerstelle füllen, die die Politik hinterlassen hat. Kritische Wortmeldungen zu Demos vor Flüchtlingsheimen kommen nämlich zumeist aus der Regionalpolitik, in den TV-Debatten darüber sitzen stets Politiker aus der zweite Reihe. Das beklagen Schweiger und Reschke auch selbst: "Wo ist das Mitglied in unserer Regierung, das Nein sagt?"

Die Politik, die sich sonst gerne am Engagement von Prominenten wärmt, ist derzeit in Sommerpause. Der einzige, der sich bisher öffentlich an Schweigers Seite stellte, ist SPD-Chef Sigmar Gabriel – er posierte kürzlich hemdsärmelig für ein Foto mit dem Schauspieler, ließ via Twitter wissen, man habe ein "gutes Gespräch" über das Thema Flüchtlinge geführt.

Der Tatort-Darsteller hat ihn dabei zumindest zum Mitwirken im Hintergrund bewegen können. Gabriel wird neben Springer-Chef Mathias Döpfner und Schauspieler Jan Josef Liefers in einer Stiftung Schweigers aktiv sein, die ein Heim in Osnabrück unterstützt. Am Donnerstag will sich der SPD-Chef zudem erstmals selbst ein Bild von einer Erstaufnahmeeinrichtung machen – ohne die Presse allerdings.

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