"Homo-Ehe" spaltet die Union

Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften ist an sich politischer Konsens - am Adoptionsrecht scheiden sich aber die Geister.
Nach Irlands "Ja" zur Gleichstellung mit der Ehe bröckelt auch in der deutschen Politik der Widerstand.

Ich bin schwul – und das ist auch gut so!" Sein 2001 als Vorwärtsverteidigung gedachtes Bekenntnis vor der Wahl war "der wichtigste Satz in meinem Leben", sagte Klaus Wowereit (SPD) vor Kurzem: Die Berliner wählten ihn damals dafür mit einem Sympathiebonus zum Bürgermeister, der er 14 Jahre lang blieb. Wowereit war damit nach Delanoe in Paris der erste bekennende Homosexuelle Bürgermeister einer europäischen Metropole – und auch vom Dauerdruck befreit.

Dabei galt Berlin schon seit der legendär wilden Zeit ab 1920 als Eldorado für Schwule aus ganz Europa. Doch ausgerechnet das erzkatholische Irland hat es nun darin überholt: Die komplette Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der "normalen" Ehe gibt es auch in der deutschen Schwulen-Hauptstadt nicht. Aber sie ist nun wieder ein Thema.

Signal

Dass Justizminister Heiko Maas am Mittwoch im Bundeskabinett 23 Gesetzesanpassungen zugunsten homosexueller Partnerschaften einbrachte, war nur ein zeitlicher Zufall. Der aber von seiner SPD auch als politisches Signal genutzt wurde: Diese sechste, vom Verfassungsgericht in Karlsruhe geforderte Anpassung sei noch lange nicht genug, argumentierte sie mit dem fleißigsten Kläger dort, dem grünen Fraktionsvize Volker Beck: Noch diskriminierten 120 Paragrafen homosexuelle Partnerschaften.

Objektiv dürfte das stimmen, faktisch bleibt jetzt nur mehr ein gravierender Unterschied zur Ehe im Gesetz: Das Adoptionsrecht. Das erlaubt zwar schon bisher die Adoption von Kindern, die ein Partner mit in die Lebensgemeinschaft gebracht hat. Die eines "fremden" Kindes bleibt ihr aber verwehrt.

"Homo-Ehe" spaltet die Union
Denn es ist eines der letzten gesellschaftspolitischen Streitthemen. Linke, Grüne und große Teile der SPD plädieren schon lange für die totale Gleichstellung mit der Ehe. Doch CDU und CSU sperren sich dagegen. Nach Abschaffung der Wehrpflicht, dem finalen Atomausstieg und einer zunehmend Wirtschafts-kritischen Politik bleibt das volle Adoptionsrecht für Homosexuelle eines der wenigen klaren Angebote, die die von Angela Merkel weichgespülte Union Konservativen noch macht.

Aber nach Irland bröckelt auch das. Einer der ambitioniertesten jüngeren CDU-Abgeordneten, das schwule Präsidiumsmitglied Jens Spahn, plädiert nun dafür: "Was in Irland möglich ist, sollte es hier auch sein." Und die Fraktionsvize-Frau Nadine Schön: "Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften übernehmen lebenslang Verantwortung füreinander, ich bin dafür."

Am Donnerstag kam aus der CDU-Parteispitze allerdings ein überraschend klares Nein. Volker Kauder, Unions-Fraktionschef im Bundestag und wichtiger Vertrauter der Kanzlerin, lehnte die "Homo-Ehe" und das volle Adoptionsrecht kategorisch ab: "Für mich ist und bleibt im Sinne des Grundgesetzes die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau."

Doch es ist ein Rückzugsgefecht: Merkel lobte die Initiative ihres Justizministers. Und wiederholt schon länger nicht ihr Wort, sie "tue sich schwer mit der vollen Homo-Ehe". Die Grünen als ihre einzige Koalitionsalternative ab 2017 hören da genau hin– so wie viele Wähler in den Großstädten, wo die CDU immer mehr verliert. Und das nicht nur im libertären Berlin.

Wer auf eine Öffnung im Vatikan in punkto gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gehofft hatte, wurde abermals enttäuscht. Nachdem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin das Ja der Iren zur Homosexuellen-Ehe als „Niederlage für die Menschheit“ bezeichnet hat, ist selbst Optimisten klar: Auch unter Papst Franziskus ist bei diesem Thema kein Kurswechsel zu erwarten. Denn laut Vatikan-Experten dürfte Parolin – der zweitmächtigste Mann im Vatikan und rechte Hand des Papstes – seine „brachiale Äußerung“ sicherlich vorab mit dem Pontifex abgesprochen haben. Längst verhallt scheint vor diesem Hintergrund die Frage von Papst Franziskus im Sommer 2013: „Wenn eine homosexuelle Person Gott sucht, wer bin ich, um über sie zu urteilen?“

"Homo-Ehe" spaltet die Union
Cardinal Pietro Parolin, the Vatican's Secretary of State, smiles during a meeting with Belarus' President Alexander Lukashenko in Minsk March 13, 2015. REUTERS/Sergei Gapon/Pool (BELARUS - Tags: POLITICS HEADSHOT RELIGION)
Der strikte Kurs der katholischen Kirche steht im klaren Widerspruch zur Realität: Laut aktueller Meinungsumfrage stimmen mittlerweile mehr als die Hälfte aller Italiener und Italienerinnen für die Homo-Ehe. Im Internet sorgte Parolins Äußerung ebenfalls für Entrüstung und wurde von einigen als letzter Auslöser für ihren Kirchenaustritt bezeichnet.

Diskussionsbereitschaft hingegen signalisierten zwei hochrangige Vertreter des Klerus: Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Nunzio Galantino, und der sizilianische Bischof Domenico Mogavero plädieren für eine offene Debatte ohne Polemik und Ideologie. Mogavero forderte gegenüber der Tageszeitung La Stampa auch einen rechtlichen Rahmen für die Hunderttausenden gleichgeschlechtlichen Paare in Italien. Außerdem, so Mogavero, solle sich die Kirche nicht in die Politik einmischen.
Traditionsgemäß nimmt der Vatikan bei heiklen Themen starken Einfluss auf politische Entscheidungen. Derzeit diskutiert die Regierung in Rom über die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Premier Renzi möchte das Gesetz zur Gleichstellung der Homo-Ehe noch vor dem Sommer über die Bühne bringen.

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