Härte gegen Sozialtourismus

Armenquartiere in Deutschlands Hauptstadt: Ein Rom aus Bulgarien wärmt sich in einem Abbruchhaus
Die Regierung in Berlin droht Einwanderern bei Sozialmissbrauch mit schärferen Strafen.

Die schwarz-rote Koalition setzt Zeichen gegen den offenbar steigenden Missbrauch von Sozialleistungen durch EU-Bürger. Ob die geplanten Maßnahmen dagegen tatsächlich so angewendet werden, bleibt aber weitgehend offen. Fix ist nur die gleichzeitige Anhebung der finanziellen Hilfen.

Der Zuzug aus der EU betrug 2013 über 400.000 Personen netto und war damit größer als in jedem der 20 Jahre zuvor. Und er wächst weiter: Ein Regierungsbericht erwartet mit der seit Anfang 2014 vollen Personenfreizügigkeit allein heuer zusätzliche 130.000 Bulgaren und Rumänen. Die Zahl der "Hartz-IV"-Sozialhilfe-Empfänger aus dieser Gruppe stieg schon bis April um 66 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Er bleibt aber anteilsmäßig immer noch unter den 16,3 Prozent aller Ausländer, wo Türken und Araber die Hauptempfänger sind.

"Es gibt kein flächendeckendes Problem", erklärte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU), "aber es gibt erhebliche Probleme in einigen Regionen". Das sind meist die ohnehin sozial schwachen wie Berlin, Bremen und das Ruhrgebiet.

Die dort überwiegend SPD-dominierte Politik und Verwaltung zögert schon jetzt mehr mit der Anwendung bestehender Restriktionen als die im Süden und Südwesten. So etwa geht Berlin gegen Tausende neue Scheinselbstständige ohne Einkommen und Sprachkenntnisse aus dem Balkan kaum vor, obwohl deren Missbrauch des Kindergelds längst evident ist.

Innerhalb der Koalition bremste die SPD denn auch bei den vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen. Die hatte die bayerische CSU im letzten Wahlkampf mit dem Populär-Slogan "Wer betrügt, fliegt", gefordert.

Unrealistisch

Das Maßnahmenpaket von de Maiziere und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) enthält nun vor allem Drohungen: Wer falsche Voraussetzungen für Sozialleistungen vortäuscht, dem soll "von Amts wegen" eine Wiedereinreise nach Deutschland für eine gewisse Zeit verboten werden. Bisher ist dies nur bei erheblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglich. Ferner soll das Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche nur dann sechs Monate überschreiten, wenn es begründete Aussicht auf Arbeit gibt. Den hauptbetroffenen Kommunen gibt der Bund weitere 65 zu den schon fixierten 200 Millionen Euro Hilfe für die Versorgung der Neueinwanderer.

Realistischerweise wird diese Erhöhung auch die einzige relevante Maßnahme bleiben: Die verschärften Bestimmungen seien "schwer exekutierbar", räumte de Maiziere ein. Vor allem aber muss der Gesetzentwurf durch den Bundesrat, wo Schwarz-Rot keine Mehrheit hat. Und die Grünen haben in Einigkeit mit der kommunistischen "Linken" angekündigt, die Verschärfungen ganz verhindern zu wollen.

Seit 1993 kamen nicht mehr so viele Asylbewerber nach Deutschland wie heuer. Weil von den 200.000 Antragstellern allein ein Drittel aus Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien stammt, will die Bundesregierung diese nun als normale Armutseinwanderer behandeln. Der Status der drei Länder soll auf "sicheres Herkunftsland" erhöht werden, was den Behörden langwierige Verfahren und Kosten ersparte: Einwanderung unter dem Asyl-Vorwand gäbe es für deren Bürger nicht mehr.

Zuletzt hatte auch die SPD dieser Hochstufung zugestimmt, weil es vor allem die ohnehin überschuldeten SPD-regierten Kommunen sind, die unter der Last der von ihnen zu betreuenden Asylbewerber ächzen. Die haben Rechtsanspruch auf Hartz-IV-ähnliche Leistungen, besonders Kinder aus solchen Familien sind fast voll integrationsberechtigt. Das und die juristisch langen Prüfverfahren stärken den Anreiz für Asylansuchen politisch nicht Verfolgter.

Die Grünen und die kommunistische "Linke" wollen die Hochstufung der Balkanländer aber im Bundesrat blockieren: Sie sei "Türöffner in ein inhumanes Asylrecht, das auch weiteren Bevölkerungsgruppen pauschal drohe ", so Grünen-Chefin Simone Peter.

Das Thema war auch auf der von Kanzlerin Merkel gestern in Berlin einberufenen "Westbalkankonferenz" präsent, an der Bundeskanzler Werner Faymann teilnahm. Es ging dabei vor allem um Rechtsstaatlichkeit.

"Nicht ausgeschlossen".Der Flüchtlingsstrom nach Österreich ist laut Innenministerium in den letzten Wochen "massiv" angestiegen. Die Zahl der Asylanträge werde sich im August voraussichtlich um die 50 Prozent steigern. "Die humanitäre Katastrophe in Nahost erreicht Österreich mit voller Wucht", kommentierte man im Ressort von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Entwicklung. So habe es allein vergangene Woche 610 Anträge, großteils von Flüchtlingen aus Syrien, gegeben.

Habe man "Zeltstädte" für Flüchtlinge wie jene in Duisburg bisher abgelehnt, könnten sie solche nicht mehr ausschließen. Der Appell, etwa Kirchen und Pfarrhöfe für Asylwerber zu öffnen, geht nun an Hilfsorganisationen wie die Caritas. "Es wäre hoch an der Zeit, dass diejenigen, die diese dramatische Entwicklung als ,Sommertheater‘ bezeichnet und den Kopf in den Sand gesteckt haben, endlich die Augen öffnen und sich bei der Suche nach Quartieren beteiligen", hieß es aus dem Ministerium.

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