Deutschland: Geheimdienst wird gestärkt

Ein Drittel der Führungsleute von Rechtsradikalen und Hooligans sollen dem Verfassungsschutz zuarbeiten. Bei Islamisten wird das schwerer.
Der Verfassungsschutz wird reformiert. Im Visier stehen vor allem die Islamisten.

Nie war der deutsche Inlandsgeheimdienst mit dem unverfänglichen Namen Verfassungsschutz so in der Öffentlichkeit präsent wie in den letzten zwei Jahren. Allerdings gegen seinen Willen. Anlass war das Auffliegen der Dreierbande rechtsextremer Killer, die unter dem Fantasienamen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) über Jahre zehn Morde verübten: neun weitgehend aufgeklärte an Migranten mit kleinen Geschäften und einen immer noch mysteriösen an einer jungen Polizistin.

Seither muss sich der Verfassungsschutz in Bundestags- und Landtagsuntersuchungsausschüssen peinlichen Fragen stellen. Hauptvorwurf der Politik ist, dass er das ausländerfeindliche Muster der NSU-Mörder so wenig erkannte wie alle anderen Polizeibehörden auch.

Noch schlimmer wiegt aber der noch nicht ausgeräumte Verdacht, dass zumindest einer der Morde von Agenten oder "V-Leuten" des Verfassungsschutzes informell begleitet wurde, die aber um ihrer Tarnung willen trotzdem nicht eingriffen.

V-Leute

Diese angeworbenen Vertrauensleute sind auch in Deutschland das wichtigste Mittel zur Informationsbeschaffung in Organisationen und Geheimbünden. Es sind normale, oft aber auch führende Mitglieder, die ihre Informationen an die Behörde weitergeben. Meist für Geld oder um der Strafverfolgung zu entgehen und nur selten aus Loyalität zum Staat. Ihre Informationen sind dementsprechend oft fragwürdig und schwer überprüfbar.

Unentbehrlich sind die V-Leute nach weit überwiegender Meinung der Politik dennoch: Nur mit ihnen lassen sich frühzeitig gefährliche Entwicklungen orten. Früher in rechts- und linksextremen Vereinigungen ( wobei die rechten immer mehr beobachtet wurden als die linksradikalen, obwohl die traditionell viel mehr Straftaten begehen). Inzwischen aber verlagert sich das Hauptinteresse in islamistische Kreise, weil die noch mehr Gewaltpotenzial haben. Die organisierte Kriminalität bleibe angesichts dieses großen Aufgabenfelds in Deutschland viel zu oft unbeobachtet, warnen Kenner der Szene.

Dass der Verfassungsschutz nicht nur in der NSU-Affäre unglücklich agierte, lag weniger an der Zentrale in Köln als an der Organisation: Jedes der 16 Bundesländer hat seinen Verfassungsschutz, der dem Landesinnenminister untersteht. Die operationelle Arbeit, die wichtigen Infos, werden mit Ausnahme einer relativ kleinen Truppe der Zentrale in den Landeshauptstädten gesteuert. Und von da gehen sie, wie die Untersuchungsausschüsse schockiert feststellten, stark gefiltert nach Köln. So wie bei den Polizeibehörden, wo Landeskriminalämter dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden zuarbeiten.

Wie ein Landesverfassungsschutz Spielball einer Landesregierung werden kann, führt gerade Thüringen vor: Bodo Ramelow, erster Ministerpräsident der Linken, hat vor zwei Tagen die "Abschaltung" aller V-Leute und der bisherigen Beobachtung seiner Partei angeordnet. Obwohl selbst Nachfolgerin der dem DDR-Geheimdienst Stasi eng verbundenen SED hasst die Linke den Verfassungsschutz wie kein anderes "westdeutsches" Erbe der Republik.

Reform beschlossen

Aus den Pannen zog die Regierung von Kanzlerin Merkel am letzten Mittwoch die Konsequenz. Auf Vorlage von Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) beschloss das Kabinett die Stärkung der Zentrale. Die Mittel zur Überwachung von Islamisten werden aufgestockt. Wegen Gewaltdelikten vorbestrafte V-Leute werden abgeschaltet.

Sie sollen auch keine Führungsrolle in den überwachten Gruppierungen mehr spielen. Wegen dieser Doppelrolle versagte des Verfassungsgericht in Karlsruhe bisher der Politik das dauer-diskutierte Verbot der Neonazi-Partei NPD. Auch dieser Weg wird jetzt frei.

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