Basta! Gabriel will raus aus Merkels Schatten

Er wäre gern ihr Nachfolger: Merkel und Gabriel
Zankapfel Flüchtlingspolitik: Vor dem Krisengipfel streitet jeder mit jedem - auch die SPD will mitreden.

Sigmar Gabriel sagt gerne "Basta". Zumindest in seiner eigenen Partei löst der deutsche SPD-Chef Streitfragen so meist zu seinen Gunsten. Jetzt hat Gabriel das "Basta"-Rezept auch in der Regierung getestet: "Erpressung" sei das, was CSU-Chef Horst Seehofer derzeit in Sachen Flüchtlingspolitik treibe, "unwürdig und verantwortungslos" der Zwist zwischen CDU und CSU, so Gabriel gegenüber Spiegel online. Seehofer hatte Merkel ja mit der Drohung, nötigenfalls die Koalition aufzukündigen, unter Druck gesetzt. Am Wochenende treffen sich nun alle drei Streitparteien zur Schlichtung (mehr dazu hier).

Morgenluft

Der Ordnungsruf, den Gabriel hier abgesetzt hat, ist ungewohnt deutlich – denn bisher hielt sich der SPD-Chef in puncto Flüchtlingskrise dezent im Hintergrund. Erste Reihe fußfrei, sozusagen: Gabriel begnügte sich damit, den Kurs der Kanzlerin abzusegnen, der – wie Merkel ja viele in der CDU übel nehmen – deutlich öfter an eine SPD-Programmatik erinnert als an die CDU-Linie.

Das mag auch der Grund für Gabriels überraschende Positionierung sein. Denn Merkel hat in der Flüchtlingsfrage bewiesen, dass sie mit ihrer Strahlkraft ihren Koalitionspartner an den Rand der Wahrnehmbarkeit zu drängen vermag. Die Welle an Kritik, die ihr nun entgegenschlägt, lässt Gabriel deshalb Morgenluft wittern.

Kanzlerkandidatur

Den ersten Schritt raus aus ihrem Schatten hat er schon vor einigen Tagen getan: Im Stern kündigte er an, 2017 selbst als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen zu wollen. Vor einigen Wochen wäre das undenkbar gewesen; so mancher Genossen hatte da gar die Frage in den Raum gestellt, ob die SPD überhaupt einen eigenen Kandidaten neben der allmächtigen Kanzlerin brauche.

Jetzt will Gabriel sich offenbar ein kantigeres Profil verpassen – etwa über eine eigenständige Außenpolitik. Am Mittwoch fuhr er überraschend nach Moskau, um dort mit Wladimir Putin über die Sanktionen zu konferieren – deren Abschaffung, so ließ er danach verlauten, er für sinnvoll hielte. Ein Affront gegenüber Merkel, die eine gegenteilige Position vertritt; vor einem Monat hatte sie ihn für ähnliche Äußerungen nämlich noch offen gerügt.

Wenig Vertrauen

In der Flüchtlingspolitik fehlt ihm eine solch deutliche Position noch. Derzeit sind die Wähler nämlich nicht von Gabriels Lösungskompetenz überzeugt: Während Horst Seehofer laut N24-Umfrage 24 Prozent zutrauen, die Lage in den Griff zu bekommen, und Merkel immerhin auf 40 Prozent kommt, liegt Gabriel bei mageren acht Prozent. Um aus diesem Tief rauszukommen, wird es wohl mehr als ein "Basta" brauchen.

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