Atomausstieg: Risiko bleibt am Bürger hängen

Acht aktive Meiler gibt es noch: Bis 2022 sollen alle vom Netz sein.
Energiewende: Konzerne kaufen sich um 23,3 Milliarden frei – Staat übernimmt teure Endlagerung.

Fünf Jahre ist es her, dass Deutschland seinen Ausstieg aus der Atomkraft verfügt hat. Nach dem GAU in Fukushima ließ sich Kanzlerin Merkel zu einer abrupten Wende hinreißen – allein, wie schwierig und langwierig der Poker mit den Konzernen sein würde, die bis dahin kräftig an der Atomkraft verdient hatten, damit hat wohl auch sie nicht gerechnet.

Bis zum gestrigen Mittwoch hat es gebraucht, um zu einem vorläufigen Deal zu kommen – und selbst der ist höchst strittig. Das Expertengremium, das die Regierung zur Streitschlichtung eingesetzt hat, verlangt von den betroffenen Konzernen nämlich so einiges: Sie müssen den Rückbau der acht Meiler, die bis 2022 vom Netz gehen sollen, finanzieren; zudem sollen die vier Anbieter 23,3 Milliarden Euro aus ihren Rücklagen in einen staatlichen Fonds überweisen. Im Gegenzug dazu erlaubt der Deal den Stromriesen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, sich aus ihrer Verantwortung freizukaufen: Mit dem Geld aus dem Fonds übernimmt der Staat alle Kosten der Zwischen- und Endlagerung der Atom-Abfallprodukte.

Dies ist auch der Punkt, der für Beobachter durchaus heikel ist. Denn der Deal, den das Gremium unter Führung der Ex-Politiker Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) vorgelegt hat, sieht ebenso vor, dass der Staat im Gegenzug alle Risiken schultert. Die Regierung müsste alle Kostensteigerungen abfangen; und die könnten durchaus beträchtlich sein.

Bis zu 170 Milliarden

Während die Verhandler von einem Gesamtbetrag von etwa 48,8 Milliarden Euro für Rückbau sowie Zwischen- und Endlagerung ausgingen, sind in der Prognose aber durchaus Kosten von bis zu 170 Milliarden bis ins Jahr 2099 möglich. Für das Expertengremium ist der Deal dennoch "fair", wie Jürgen Trittin betonte – er sichere den durch den Atomausstieg angeschlagenen Konzernen das wirtschaftliche Überleben; und die finanzielle Lücke, die sich ergeben könnte, sollte durch den Fonds erwirtschaftet werden. Kritiker hingegen monieren, dass dies eine unsichere Lösung sei, weil das volle Risiko beim Staat bleibe – und das, obwohl die Konzerne über Jahre gutes Geld verdient haben. Von einer Million Euro pro Tag und pro Reaktor ist da die Rede.

Die Konzerne selbst zeigten sich von dem Vorschlag im ersten Moment jedenfalls nicht gerade erfreut. Zwar gingen die Aktienkurse der Versorger nach oben, in den Konzernzentralen beklagte man jedoch, dass man "über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinaus" belastet würde. Man wolle den Vorschlag aber prüfen. Aus der Regierung hingegen kam Zustimmung; dort will man sich an die Umsetzung der Vorschläge machen.

Ein Punkt ist in dem Deal aber ohnehin gänzlich unberücksichtigt gelieben. Bisher hat man sich nämlich auf kein Endlager für den Atommüll einigen können. Dieser Streit wird derzeit an einer zweiten Front ausgefochten – ein Ende ist nicht absehbar.

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