Das letzte Gefecht der Ex-Guerillera

Brasiliens Präsidentin Rousseff kämpfte im Senat gegen ihre Amtsenthebung – mit wenig Aussicht auf Erfolg.

Die ehemalige Guerillera, die erfolgreich Brasiliens frühere Militärdiktatur und später ein Krebsleiden bekämpfte, zeigt sich auch in ihrem politischen Überlebenskampf unnachgiebig. Und dennoch scheint sie diese finale Schlacht zu verlieren. Am Montag stellte sich die suspendierte Präsidentin Dilma Rousseff den Senatoren, um wortgewaltig gegen ihre drohende Amtsenthebung anzureden. Sie habe sich immer für eine freie und gerechte Gesellschaft eingesetzt, nun drohe sie durch eine illegitime Regierung abgelöst zu werden, sagte sie mit Blick auf die dünne Beweislage: "Wir stehen vor einem Staatsstreich."

Interimspräsident Temer siegessicher

Dilma Rousseffs Auftritt war der Auftakt einer Marathonsitzung, die mit dem historischen Votum am Dienstag oder spätestens Mittwoch enden wird. Sollten mindestens 54 der 81 Senatoren gegen den Verbleib der 68-Jährigen an der Staatsspitze stimmen, wäre sie endgültig Geschichte. Der bisherige Interimspräsident Michel Temer, ein ehemaliger Verbündeter von Rousseffs Arbeiterpartei (PT), würde regulärer Präsident Brasiliens werden – und dies bis zu Neuwahlen 2018 bleiben.

Dass er sich seiner Sache sehr sicher ist, lässt sich daran ablesen, dass er bereits Einladungen zur Teilnahme am G-20-Gipfel verschickt. Dieser findet kommenden Mittwoch statt, und Temer geht davon aus, dass er die brasilianische Delegation anführen wird.

Die meisten Kommentatoren sehen das Schicksal der zunächst nur suspendierten Präsidentin ebenfalls besiegelt. Und dies obwohl die Anschuldigungen auf wackeligen Beinen stehen: Rousseff wird vorgeworfen, im Wahljahr 2014 die Budgetzahlen geschönt zu haben, was Vorgängerregierungen allerdings ebenfalls getan hatten. Darüber hinaus soll sie milliardenschwere Kredite am Kongress vorbei bewilligt haben, wobei auch in diesem Punkt umstritten ist, ob das zu einer Amtsenthebung reicht.

In Wahrheit handelt es sich um ein Politikum. Nachdem Temer mit seiner PMDP die Seite gewechselt hat, sehen die Mitte-Rechts-Parteien jetzt eine Chance, die Ära der Linken, ab 2003 mit Präsident Inacio Lula da Silva, ab 2011 eben mit Dilma Rousseff, zu beenden, und selbst wieder ans Ruder zu gelangen.

Unzufriedenheit

Die Konservativen haben dabei den Rückhalt in breiten Bevölkerungsschichten, da die Unzufriedenheit mit den PT-Regierungen immer stärker gestiegen ist. Vor allem die Mittelklasse bangt um ihren zuvor erworbenen bescheidenen Wohlstand. Zu Recht, im Vorjahr brach die Wirtschaft um 3,7 Prozent ein, die Arbeitslosigkeit schnellte um zehn Prozent in die Höhe – aktuell sind elf Millionen der insgesamt mehr als 200 Millionen Brasilianer ohne Job. Zugleich erschüttern Korruptionsaffären das fünftgrößte Land der Welt – am gewichtigsten ist die um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras, in die allerdings auch Politiker (fast) aller Parteien involviert sind.

Unterstützung findet Dilma Rousseff bei der armen Bevölkerung. Sie profitierte von den Sozialprogrammen der vergangenen 13 Jahre. Aktivisten dieser Gruppe demonstrierten gestern in Brasilia für "ihre Präsidentin". Sie werten den gesamten Prozess genauso wie die PT-Chefin als Putsch der politischen Gegner.

Sollte die Staatschefin aus dem Amt gedrängt werden, wonach es aussieht, hat Temer einen wirtschaftsliberalen Kurs samt Privatisierungen versprochen, um das Land wieder auf die Beine zu bringen. Dabei muss er mit erbittertem Widerstand des PT-Klientels rechnen – immerhin gaben bei der Wahl 2014 54 Millionen Brasilianer Dilma Rousseff ihre Stimme.

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