Coronavirus-Gefahr im Flüchtlingslager: Eine Katastrophe bahnt sich an

Coronavirus-Gefahr im Flüchtlingslager: Eine Katastrophe bahnt sich an
Die Lager auf den griechischen Inseln sind überfüllt, Sanitäranlagen und Wasser knapp - das Virus würde sich sehr schnell ausbreiten, berichtet ein Arzt.

Zwei Meter Abstand halten, Einkaufen und Spazieren nur, wenn es nötig ist - diese Anweisungen liest und hört man derzeit in vielen europäischen Ländern, wo man versucht das Coronavirus mit körperlicher und sozialer Isolation zu bekämpfen. In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ist das unmöglich.

Besonders prekär ist die Lage der Menschen im Camp Moria, auf Lesbos, wo derzeit 22.000 Menschen in einer für 2.480 Personen ausgelegten Anlage leben. "Es ist für die Menschen fast unmöglich, sich sozial oder räumlich zu distanzieren", sagt George Makris, Allgemeinmediziner. Er arbeitet für "Ärzte ohne Grenzen" vor Ort und berichtet dem KURIER am Telefon von katastrophalen Zuständen. Die Menschen leben teils in Sommerzelten, die Hygiene- und Sanitärmöglichkeiten sind nicht einmal das Minimum an humanitärem Standard. In den wild enstandenen Siedlungen in den Olivenhainen rund um Moria haben mehr als 5.000 Menschen keinen Zugang zu Wasser und Strom. "Genau deswegen sind wir auch sehr besorgt. Sollte es einen Infektionsfall im Lager geben, würde sich das Virus sehr schnell verbreiten. Es wäre fast unmöglich, das einzugrenzen." Die gesundheitlichen Folgen für die Menschen wären unvorhersehbar, so der Arzt. Schwer erkrankte müssen im Spital behandelt werden, doch davon gibt es auf der Insel nur eines.

Bisher gibt es drei bestätigte Fälle von Corona-infizierten Menschen auf der Insel - Bewohner griechischer Nationalität, die im Ausland waren, berichtet Makris. Zwei von ihnen leben in der Hauptstadt Mytilini, knapp sieben Kilometer von Camp Moria entfernt.

Nur eine Frage der Zeit

Aus Sicht der Helfer ist es nur eine Frage der Zeit, wann sich das Virus dort verbreitet. Ärzte ohne Grenzen, die Caritas und das Rote Kreuz fordern seit Wochen die Räumung des Lagers. Sie unterstützen die Forderung des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR) demnach, Griechenland und die EU-Staaten die Menschen in großer Zahl schnell in geeignete Unterkünfte unterbringen soll.

Im EU-Parlament beobachtet man diese Entwicklungen ebenfalls mit Sorge. In den überfüllten Camps gebe es weder die Chance, sozialen Abstand einzuhalten noch angemessene Hygiene-Bedingungen, schrieb der Vorsitzende des Innenausschusses, Juan Fernando López Aguilar, am Montag in einem Brief an den EU-Kommissar für Krisenmanagement. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson schlug vor, ältere und kranke Menschen auf andere Teile der griechischen Inseln zu bringen.

Doch die konservative Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis (Nea Dimokratia) hat bisher eine Umsiedlung von Flüchtlingen auf das Festland mit der Begründung verweigert, dass es keine Coronavirus-Fälle in den Lagern gebe. Ob sich die Lage für Geflüchtete nach dem Regierungswechsel verändert hat? Makris merke keine Unterschied - "die Situation ist seit vielen Jahren eine Katastrophe".

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