Paris, 24 Stunden nach dem Attentat

KURIER vor Ort: Am Ort des Attentats wird der Opfer gedacht. Es herrscht Angst vor weiteren Anschlägen.

Rue Nicolas-Appert Nummer 10, 24 Stunden danach: Vor dem Büro von Charlie Hebdo ist die Straße gesperrt, Polizisten haben Stellung bezogen, neben ihnen senden TV-Teams live die neuesten Updates über den Anschlag auf das Satire-Magazin in die Welt hinaus. Menschen kommen, um Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden. Jemand hat ein kleines Plakat aufgehängt mit vier Bildern, sie zeigen Stephane Charbonnier, den Herausgeber von Charlie Hebdo, und drei der berühmten Zeichner des Magazins; sie alle starben bei dem Anschlag Mittwochmittag. Daneben klebt einer jener Zettel, die derzeit allgegenwärtig sind in Paris: „Je suis Charlie“, „Ich bin Charlie“, die Solidaritätserklärung mit den zwölf Todesopfern.

Die Stimmung ist angespannt, gegen halb neun macht die Meldung die Runde, Polizisten sind Donnerstagmorgen von zumindest einem schwer bewaffneten Mann unter Beschuss genommen worden, nachdem sie zu einem Verkehrsunfall gerufen worden waren. Am späten Vormittag dann die traurige Gewissheit: Eine Polizistin ist ihren Verletzungen erlegen (mehr dazu lesen Sie hier).

Gibt es einen Zusammenhang zum Anschlag von gestern? War die Attacke auf Charlie Hebdo nur der Beginn einer Serie? Und was kommt da noch alles auf Paris, auf Frankreich zu? Aus dem ganzen Land gibt es Meldungen und Gerüchte von weiteren Zwischenfällen, muslimische Gebetshäuser sollen schon in der Nacht auf Donnerstag angegriffen worden sein (mehr zur Fahndung nach den Tätern lesen sie hier).

Alltag

Um die Ecke, am Boulevard Richard Lenoir, gehen die Menschen wie gewohnt ihrem Alltag nach. Es ist Markttag, im leichten Regen sind um die Mittagszeit viele Menschen unterwegs; einige drehen nach den letzten Ständen mit Fisch, Fleisch und Gemüse nicht um Richtung Bastille, sondern gehen weiter den Boulevard entlang. Hinter dem Markt ist ein kleines Stück vom Gehsteig abgesperrt, an dieser Stelle haben die Attentäter am Mittwoch auf der Flucht einen Polizisten aus nächster Nähe erschossen. Viele kommen direkt vom Markt mit Blumen, Radler und Motorradfahrer bleiben stehen, halten einen Moment inne, schießen ein Foto des wachsenden Blumenberges.

Tag der Trauer: Schweigeminute in Frankreich

Ein Mann steigt vom Rad ab: „Hier haben sie ihn ermordet, richtig?“ Jemand hat die Exekution des Polizisten gefilmt, die meisten, die heute hier hinkommen, um zu trauern, haben das Video im Internet gesehen.

Der 18-jährige Hugo wohnt gleich um die Ecke, „das Drama hat sich vor meiner Haustür abgespielt“, sagt er. Er habe Angst vor weiteren Anschlägen; deswegen war er auch nicht unter den Zehntausenden, die Mittwochabend am Place de la Republique ihre Solidarität bekundeten. „Ich wollte hingehen“, sagt Hugo, „aber dann habe ich mir gedacht: Wenn es noch einen Anschlag gibt, dann sicher dort.“ Neben weiteren Attacken fürchtet er vor allem eines: „Dass es jetzt eine feindliche Stimmung gegenüber allen Muslimen in Paris und in Frankreich gibt. Der Islam hat schon jetzt bei vielen Menschen kein gutes Standing, der Anschlag auf Charlie Hebdo hat das sicher noch angeheizt. Es ist eine Tragödie für Frankreich und den Islam.“

Eine ausführliche Reportage aus Paris lesen Sie in unserer morgigen KURIER-Printausgabe sowie in unserem E-Paper, das ab 18 Uhr online geht.

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