Auf dem Holz-Weg aus dem Elend

Äthiopien, dka
Neue Chancen für Straßenkinder durch Hilfsprojekte der Sternsinger – etwa durch Tischlerlehre.

Hoch konzentriert presst Tesfaye Tole das Brett gegen das rotierende Blatt der Kreissäge. Präzise fräst sich das Gerät durch das Holz, und schon legt der junge Mann das nächste Stück an. Er wird die Teile später zu einem Bett zusammenzimmern – ein „Luxusgut“, das der 20-Jährige über so viele Jahre vermisst hat: Tesfaye Tole schlug sich hier in Diri Dawa, im Osten Äthiopiens, lange Zeit als Straßenkind durch. Bis er von einem Hilfsprojekt erfuhr, das von den Sternsingern der Dreikönigsaktion unterstützt wird und das sein Leben grundlegend veränderte.

Auf dem Holz-Weg aus dem Elend
Äthiopien, dka
„Nachdem meine Eltern gestorben sind, bin ich mit sieben Jahren von Addis(Abeba)nach Diri Dawa gekommen. Hier bin ich mit anderen Jungs durch die Stadt gezogen. Zu essen hatten wir wenig, mit Glück fanden wir Abfälle. Wir haben Qat gekaut(das eine aufputschende Wirkung hat)und unter Brücken geschlafen“, sagt Tesfaye Tole. Schule? Fehlanzeige.

18 Monate Ausbildung

Dann, der junge Mann war schon 15 Jahre alt, erzählte ihm jemand von dem Straßenkinder-Projekt. Dort werden die obdachlosen Heranwachsenden zu einer 18-monatigen Ausbildung in Privatunternehmen vermittelt. „Die ersten drei Monate waren die härtesten. Wir haben kein Geld erhalten und mussten weiter in Verschlägen auf der Straße schlafen. Die meisten meiner Kollegen haben das nicht durchgedrückt und abgebrochen.“ Tesfaye Tole hielt durch und bekam nach der Probezeit immerhin fünf Birr pro Tag (gut 20 Eurocent). Damit konnte er sich mit anderen eine winzige Wohnung leisten.

Auf dem Holz-Weg aus dem Elend
Äthiopien, dka
Der Firmen-Eigentümer war vom Eifer und Geschick des Lehrlings derart angetan, dass er ihn behielt. Heute verdient der 20-Jährige 60 Euro monatlich, hat sein eigenes kleines Häuschen – und unterweist Straßenkinder im Tischler-Handwerk. Sein Rat an die Burschen: „Seid bei der Sache, ihr könnt es schaffen, mir ist es auch gelungen.“

Zu den Job-Ausbildungen, die das Projektteam um Tewodros Amare Straßenkindern vermittelt, gehören auch Mechaniker sowie Friseurin und Kosmetikerin. Damit die Burschen (es gibt nur wenige Mädchen) gar nicht erst in der Gosse landen, setzen die Verantwortlichen schon früher an: „Grätzelweise erheben wir, welche Kinder gefährdet sind. Das sind solche aus Großfamilien, wo der Vater abgehauen oder tot ist, natürlich Waisen und ,Sozialwaisen‘. Zur letzten Gruppe zählen wir Kinder, die zwar beide Elternteile haben, diese aber aus wirtschaftlichen oder psychischen Gründen nicht in der Lage sind, ihren Nachwuchs einigermaßen großzuziehen“, sagt Tewodros Amare.

Mädchen-Förderung

Diese Kids werden im Projektzentrum schulisch begleitet oder auf den Wiedereinstieg in die Schule vorbereitet. Besonderes Augenmerk wird auf Mädchen gelegt, denn deren (Aus-)Bildung hat in der Gesellschaft einen niedrigen Stellenwert. Mit eigenen Nachhilfeklassen soll ihnen auf die Sprünge geholfen werden. Mentoren und Peer-Groups sollen die Kinder zudem mental stützen. Besonders wichtig: Im Zentrum haben sie die Möglichkeit, ihre Hausübungen zu erledigen – denn zu Hause gibt es meist nicht einmal einen Tisch.

Auf dem Holz-Weg aus dem Elend
Äthiopien, dka
Es stinkt bestialisch in dem Elendsviertel mitten in Diri Dawa – eine Mischung aus Latrinen- und Mülldeponie-Geruch nimmt einem fast die Luft zum Atmen. Dicht an dicht stehen die Lehmhütten und lassen gerade einmal 100 Zentimeter breite Durchgänge frei. In einer der armseligen Behausungen lebt die 16-jährige Gelila Solomon mit ihren zwei Brüdern und den Eltern in einem Raum. Der Vater ist krank und arbeitsunfähig. Ihre Mutter Worka Firou, 45, bringt die Familie mit Bohnen, die sie auf dem Markt erwirbt, selbst kocht und dann in den Straßen verkauft, irgendwie über die Runden.

Startkapital

Das Startkapital für ihr Business-Modell erhielt sie vom Projektzentrum in Form eines Mikrokredits. Die Investition hat sich für Gelila Solomon längst bezahlt gemacht. Die junge Frau, die ihrer des Schreibens und Lesens unkundigen Mutter bei der Buchführung des Kleinstunternehmens hilft, wird nächstes Jahr maturieren. „Dann will ich auf die Uni und Zivilingenieur werden“, sagt sie mit einer Entschlossenheit, die keine Zweifel daran aufkommen lässt, dass sie es schaffen und sich und ihre Familie am eigenen Schopf aus dem Elend ziehen wird.

Kinder 85.000 Mädchen und Burschen klappern heuer wieder Häuser, Wohnungen und Geschäfte ab, um Geld für 500 Hilfsprojekte in Asien, Afrika und Lateinamerika zu sammeln. Im Vorjahr kamen 14,7 Mio. Euro zusammen.

Schwerpunktland Das diesjährige Schwerpunktland der Dreikönigsaktion – dem Hilfswerk der Katholischen Jugend – ist Äthiopien.

Spenden Dreikönigsaktion, PSK, Kontonr.: 9,300.0330; BLZ: 60.000.

Wenn in dem 1500-Einwohner-Dorf Ano, rund 260 Kilometer südlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, die Frauen die Sinka schwingen, hat das vermeintlich starke Geschlecht nichts zu lachen. Mit dem Stock, der Kraft symbolisiert, ziehen sie laut singend zu den Häusern jener Männer, die ihre Gattinnen nicht zu den regelmäßigen Treffen der Frauengruppe gehen lassen. Diese öffentliche Anklage endet dann mit einem „Prozess“ und einer Bestrafung des Machos. Im Wiederholungsfall muss er ein bis zwei Ochsen abtreten.

„172 Frauen sind wir jetzt schon“, sagt die charismatische Nure Walfaro. Angefangen habe alles mit sieben Frauen, um deren Lebenssituation zu verbessern. In dem Projekt hier im grünen Hochland Äthiopiens, das von der Dreikönigsaktion (DKA) unterstützt wird, werden Ernährungs-, Hygiene- und Gesundheitsfragen ebenso angesprochen wie Erziehungsprobleme. Und die Frauen, viele haben erst in der Gruppe Lesen und Schreiben gelernt, erhalten Kleinkredite sowie Einschulungen in einfache Regeln der Haushaltsbuch-Führung. „Vor allem aber geht es darum, die Position der Frauen zu stärken und ihr Selbstbewusstsein zu heben“, betont Nure Walfaro. Auch die 47-Jährige war Analphabetin, heute ist sie die unumstrittene Führerin der Frauen, die sich in mühevoller Kleinarbeit auch ein eigenes Vereinslokal erbaut haben.

Klimawandel und Dürre

Schauplatzwechsel vom feucht-kühlen Hochland in die heiße Halbwüste um die zweitgrößte Stadt Äthiopiens , Diri Dawa (200.000 Einwohner). Hier versuchen viehzüchtende Halbnomaden dem trockenen Boden Mais, Zitronen, Orangen oder Pfeffer abzuringen. Und natürlich die legale Droge Qat – kaut man ihre Blätter, sorgt das für eine aufputschende Wirkung. Die Familien in den Shinile-Dorfgemeinschaften haben sich nun unter der Führung eines DKA-Mitarbeiters zusammengeschlossen, um die landwirtschaftlichen Erträge zu steigern.

„Wir diskutieren den sparsamen Umgang mit dem so kostbaren Gut Wasser“, sagt Projektleiter Hilina Mikrie. Vor allem aber gehe es darum, Strategien zu entwickeln für eine sich verändernde Umwelt: „Früher hatten wir alle zehn Jahre eine Dürre-Periode, jetzt kommt sie alle zwei bis drei Jahre. Wir müssen verhindern, dass die Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren.“

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