Burkini-Verbot: Nizza klagt Nutzer, die Fotos teilen

Auch Korneuburg und Hainfeld erlauben keine Burkinis im Bad.
Identität der Polizisten soll geschützt werden.

Umringt von vier Polizisten kniet die Frau am Strand von Nizza, ihren Blick ungläubig nach oben gerichtet. Sie trägt eine lange schwarze Hose, eine türkise Tunika und ein dazu passendes Kopftuch. Einen Burkini trägt sie nicht. Ausziehen muss sie ihr Oberteil dennoch.

Diese Szene, festgehalten in vier Bildern, sorgte gestern weltweit für Diskussionen (siehe unten: Internationale Pressestimmen zu Burkini-Verbot). Viele Nutzer in den Sozialen Medien teilten die Bilder, die zuerst von britischen Medien veröffentlicht wurden, in ihren Twitter-Profilen.

Nun hat sich auch der Präsident des Regionalrats der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur Christian Estrosi zu Wort gemeldet - zu dem Fall selbst nahm Estrosi nicht Stellung. In einer Presseaussendung kündigte er vielmehr an, Nutzer anzeigen zu wollen, die Bilder der Aktion in den Sozialen Medien teilen. Erste Fälle sollen bereits vorliegen.

Drohungen gegen Polizisten

Laut Estrosi hätten die Polizisten, deren Gesichter auf den Bildern gut zu erkennen sind, bereits Drohungen in sozialen Netzwerken erhalten - der Präsident des Regionalrats will sie so vor weiteren Anfeindungen schützen. Auch die betroffene Muslima hat inzwischen darum gebeten, dass ihr Gesicht bei der Verbreitung der Bilder unkenntlich gemacht wird.

In 15 französischen Städten ist der Burkini inzwischen verboten. In der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur seien laut Estrosi allein am Mittwoch 24 Verstöße von der Exekutive festgestellt worden.

Regierung uneinig

Am Donnerstag erreichte die Diskussion um das Burkini-Verbot an den französischen Stränden auch die Regierung in Paris. Bildungsministerin Najat Vallaut-Belkacem kritisierte, das Verbot würde den Weg für rassistische Parolen ebnen. Dass es immer mehr (regional beschlossene) Anti-Burkini-Verordnungen gebe, sei nicht willkommen, sagte sie. "Das wirft die Frage nach den individuellen Freiheiten auf."

Premierminister Manuel Valls entgegnete, es handle sich nicht um eine Fehlentwicklung. Am Donnerstagnachmittag sollte sich der französische Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht, mit dem Burkini-Verbot befassen.

"Laizität und Religion sind hier nicht das Thema. Der Burkini ist keine Koranvorschrift, sondern die x-te Manifestation eines politischen, aktivistischen, zerstörerischen Islam, der versucht, unseren Lebensstil, unsere Kultur und unsere Zivilisation infrage zu stellen. Kopftuch in der Schule, Straßengebet, Halal-Menüs in der Schule, sexuelle Apartheid in den Schwimmbädern, den Krankenhäusern, den Fahrschulen, Niqab, Burka... Seit 30 Jahren gefährdet diese Unterwanderung unsre Gesellschaft und versucht, sie zu destabilisieren. Es ist Zeit, ihr die Tür vor der Nase zuzuknallen."

  • "Liberation" (Paris)

"Der Laizismus besteht nicht darin, die Glaubensrichtungen zu unterdrücken. Es geht vielmehr darum, sicherzustellen, dass sie nicht unberechtigterweise die Staatsgewalt oder die Entstehung der Gesetze beeinflussen. Wir hoffen, dass (Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht) der Staatsrat, der sich an diesem Donnerstag in seiner juristischen Weisheit mit den 'Anti-Burkini'-Verordnungen befasst, dieser diskriminierenden Posse ein Ende setzt. Sie schockiert die Demokraten und bringt die Polizei in eine schwierige Lage. Der Geist des Laizismus wäre am besten respektiert, wenn man die gesetzestreuen Gläubigen ohne Umschweife willkommen heißt."

  • "Les Echos" (Paris)

"Weil Frankreich den Islam und die Republik nie in Einklang bringen konnte, geht das Land das Thema jetzt auf die denkbar schlechteste Weise an. In Hektik und Angst. Und inmitten politischer Hysterie wegen eines Wahlkampfes und weil es keinen nationalen Konsens darüber gibt, was Laizismus bedeutet. (...) Die Gegner und Befürworter des Burkini werfen sich gegenseitig 'Provokationen' und Hintergedanken vor. Die Positionen werden immer radikaler. Der Kampf ist geprägt von harten Worten und gegenseitigen Verdammungen. Die Vernunft ist verschwunden."

  • "The Guardian" (London)

"Einige Politiker verweisen auf das Risiko von Unruhen und scheinen besorgt zu sein, dass wachsendes Misstrauen zwischen Teilen der Gesellschaft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führt - wie kürzlich eine Rauferei auf Korsika. Dies vor allem, seit der Chef des Inlandsgeheimdienstes gewarnt hat, dass Rechtsextreme auf Konfrontationen aus sind. Sie sehen im Verbot (von Burkinis) eine pragmatische Lösung. Tatsächlich jedoch sind sie höchst unfair, denn sie verlangen von muslimische Frauen, kriminelle Handlungen anderer Leute zu verhindern, indem sie deren Vorurteile nicht schüren. Frankreichs höchstes Gericht, der Staatsrat, wird über die Rechtmäßigkeit des Verbots entscheiden. Obwohl der politische Hintergrund komplex ist, bleibt das Thema ganz einfach: Das Recht der Frauen, sich so zu anzuziehen, wie sie es komfortabel und angebracht finden, sollte gegen all diejenigen verteidigt werden, die sie dazu zwingen wollen, sich entweder zu verhüllen oder auszuziehen. Die Körper der Frauen sind allein ihre Angelegenheit."

  • "Nepszava" (Budapest)

"Seit 2008 hat die australische Erfinderin 700.000 Exemplare dieser Badekleidung in alle Teile der Welt verkauft. Unter den Bestellern sind auch Hindufrauen und Christinnen, Mormoninnen und Jüdinnen. Es sind Frauen, die aus irgendeinem Grund eine Badekleidung brauchen, die ihren ganzen Körper verhüllt und sie dabei in ihrer Bewegungsfreiheit nicht einschränkt. All dies könnte sich schlicht auf eine Frage der Mode reduzieren - wäre da nicht eine aufgeheizte öffentliche Stimmung, die aus einem schnöden Bade-Utensil eine politische Frage macht. Heute tragen Musliminnen den Burkini noch aus religiösen Erwägungen. Aber man kann darauf wetten, dass daraus eine weltweite Mode wird, sobald man ihn verbietet."

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