Bürgermeister von Kos warnt vor "Blutvergießen"

Während Touristen am Strand liegen, kommen Flüchtlinge mit einem Boot an.
Die Ferieninsel wird mit dem Flüchtlingsstrom nicht mehr fertig. Bürgermeister schreibt Brief an Athen.

Auf der griechischen Ferieninsel Kos könnte es zu einem Blutvergießen kommen, wenn nicht sofort Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ordnung getroffen werden. Dies schrieb der Bürgermeister der Insel, Giorgos Kyritsis, am Dienstag an die Regierung in Athen.

Auf Kos seien mehr als 7.000 Migranten angekommen. Man könne mit dem Problem nicht mehr fertig werden. "Ich warne davor, die Gefahr eines Blutvergießens ist real", erklärte der Bürgermeister. Der Brief wurde am Dienstag in der griechischen Presse veröffentlicht.

Chaotische Zustände

Wie Reporter vor Ort berichteten, blockierten Migranten am Dienstagmorgen die Küstenpromenade des Hauptortes der Insel. Sie forderten lautstark Papiere, um die Insel zu verlassen und weiter nach Mitteleuropa zu reisen. Im kleinen Stadion der Insel ist es nach Augenzeugenberichten zu Schlägereien zwischen Migranten gekommen. Zudem seien auch Polizisten angegriffen worden, die Schlagstöcke einsetzten, um sich zu wehren, hieß es.

Auf der Insel Kos herrschen chaotische Zustände. Hunderte Migranten kommen täglich von der wenige Seemeilen entfernten türkischen Küste. Hilfsorganisationen, der Staat und die Bevölkerung sind restlos überfordert. Ähnlich ist die Situation auf zahlreichen anderen Inseln im Osten der Ägäis.

„Für die Flüchtlinge ist die Unterbringung auf Kos gerade die Hölle auf Erden“

„Für die Flüchtlinge ist die Unterbringung auf Kos gerade die Hölle auf Erden“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). Die deutsche Bundestagsvizepräsidentin war am Montag zu ein 2-tägigen Besuch nach Kos gereist, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Roth beklagte, für die Flüchtlinge auf Kos gebe es keine Versorgung. „Es fehlt an allem“, sagte sie. „Das ist eine Verweigerung von Erster Hilfe für die Flüchtlinge.“ Die Menschen bräuchten dringend Essen, Kleidung, Unterkünfte und eine medizinische Versorgung. Es gebe die fast kafkaeske Situation, dass verschiedene Stellen zuständig seien, aber der eine die Verantwortung zum anderen schiebe. Und die Hilfsorganisationen und ehrenamtlichen Helfer seien allmählich am Ende ihrer Kräfte.

Flüchtlinge, die auf der Straße und in Parks campierten, würden von dort verscheucht und in ein kleines Stadion auf der Insel geschickt, berichtete Roth. Dort sei es barbarisch heiß. Es gebe nur zwei Toiletten für Hunderte Flüchtlinge. „Das ist unmenschlich“, sagte sie. „Ich habe so etwas noch nie gesehen.“ Die Lage sei wirklich dramatisch. „So kann es nicht weitergehen.“

Roth appellierte an die Regierung in Athen, sich endlich um eine Versorgung der schutzsuchenden Menschen zu kümmern. „Die Tragik ist, dass zwei Krisen zusammenkommen“, sagte die Grünen-Politikerin. Die griechische Regierung müsse aber trotz der Finanzkrise dringend handeln. Auch Europa müsse helfen.

Touristen, die sich an den nordöstlichen Stränden der griechischen Insel Kos in der Sonne aalen, können fast täglich zuschauen: Auf heillos überfüllten Schlauchbooten landen erschöpfte Flüchtlinge, von der nur fünf Kilometer entfernten türkischen Küste kommend. Dutzende stranden vor den Augen der Urlauber, oft mehrere Hundert pro Tag. Insgesamt waren es heuer bereits 7000.

Ein anschwellender Flüchtlingsstrom, der die Urlauberinsel vollkommen überfordert. Denn vom krisengeschüttelten Staat Griechenland kommt so gut wie keine Unterstützung. Nur dank Spenden der Inselbewohner, vieler Touristen und einiger Hilfsorganisationen kommen die Flüchtlinge zu Essen, Wasser und, wenn überhaupt, zu einem Schlafplatz in einem aufgelassenen, desolaten Hotel der Inselhauptstadt.

Transport nach Athen

Einziger Beitrag der Regierung: Nach ihrer Registrierung werden die Ankömmlinge nach einigen Wochen nach Athen gebracht – wo sich die meisten Flüchtlinge über die Balkanroute sofort auf den Weg Richtung Norden machen.

Mehr als 150.000 Flüchtlinge, die Mehrheit Syrer, sind heuer in Griechenland angekommen. Allein 50.000 waren es im Juli – mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Erste Ziele der von der türkischen Küste aus losgeschickten Flüchtlinge sind abgesehen von Kos die Inseln Chios, Samos, Lesbos und Agathonisi. Um den Zustrom der Flüchtlinge besser bewältigen zu können, hat die EU-Kommission Athen nun für die kommenden fünf Jahre 474 Millionen Euro zugebilligt. Das Problem dabei: Noch hat Griechenland überhaupt keine Strukturen, um die Programme managen zu können. So etwa scheiterte die Verlegung von Flüchtlingen aus Athens Stadtzentrum an ein neu errichtetes Camp am Stadtrand an fehlenden Klimaanlagen: Die schnell hochgezogenen Metallcontainer waren unter der glühenden Sonne Athens schlicht unbenutzbar.

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