Brexit-Folgen: Auch Österreich betroffen

Brexit-Folgen: Auch Österreich betroffen
Laut Experten werden der Personenverkehr und das Vergaberecht als erste leiden.

"Don't panic" lautet die wichtigste Empfehlung mehrerer Expertinnen und Experten nach dem Votum der Briten, die EU verlassen zu wollen. Mindestens zwei Jahre sollte es dauern, bis die "wirklich gravierenden" Folgen sichtbar werden. Als erstes seien baldige Änderungen beim freien Personenverkehr und beim Vergaberecht zu erwarten, heißt es in einem Expertenpapier der Agentur Kovar & Partners.

Bei der Personenfreizügigkeit seien deswegen baldige Änderungen zu erwarten, weil die innereuropäische Migration eines der Hauptmotive auf Seiten der Leave-Befürworter gewesen sei. "Daher ist davon auszugehen, dass vor allem bei der Niederlassungsfreiheit und beim Recht in Großbritannien zu arbeiten, so früh wie vertraglich möglich Einschränkungen erlassen werden", heißt es. Dies würde auch Österreicherinnen und Österreicher betreffen, die in Großbritannien arbeiten und österreichische Unternehmen, die Tochtergesellschaften auf der Insel unterhalten.

Vergaberecht

Ein zweite rasch bevorstehende Änderung könnte das Vergaberecht betreffen. Die Leave-Fraktion habe immer wieder auch mit protektionistischer Rhetorik aufhorchen lassen, daher sei zu erwarten, dass die Verpflichtung, Aufträge ohne Diskriminierung EU-weit auszuschreiben, rasch gekippt werden könnte.

Eine unterschätzte politische Folge der Austrittsbefürworter könnte sein, dass das Vereinte Königreich - bestehend aus England, Wales, Schottland und Nordirland - auseinanderbricht.

In Brüssel werde erwartet, dass sich die Vertreter Großbritanniens aus den EU-Gremien zurückziehen, so auch der britische EU-Kommissar Jonathan Hill, der "absurderweise" noch dazu für Banken zuständig sei, heißt es. Nicht akzeptieren würden die restlichen 27 Mitglieder auch eine ab Juli 2017 vorgesehene EU-Ratspräsidentschaft von Großbritannien.

Die vielen Briten, die als Beamte in Brüssel arbeiten, könnten theoretisch bleiben, denn sie sind direkt von der EU angestellt worden. Sie dürften aber kaum mehr mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut werden, weshalb in der Praxis wohl die meisten gehen werden.

Fraktion wird geschwächt

Schließlich wird im Europäischen Parlament die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) merklich geschwächt. Derzeit ist sie die größte Fraktion - doch 21 ihrer 74 Abgeordneten kommen aus Großbritannien oder Nordirland.

Die Experten rechnen mit zwei Szenarien für die EU: Eine Stärkung Europas könnte eintreten, Europa könnt homogener werden. Viele nicht mehr wegzukriegenden Ausnahmen und Privilegien fallen mit dem Austritt weg. Zudem verliert die EU einen starken Gegner der politischen Einigung Europas. Großbritannien war immer ein Verfechter einer reinen Wirtschaftsunion.

Als zweites Szenario könnte es zu einem Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten kommen. Ein echter Dominoeffekt mit weiteren Austritten sei zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber es könnten sich mehr und mehr Länder ein "Opt-out" aus weiteren Integrationsschritten wünschen. Schon jetzt sei ja Schengen oder die Eurozone nicht deckungsgleich mit der EU. Es könnte sein, dass noch mehr solcher Zonen innerhalb der EU entstehen. Im positiven Fall würden solche Zonen dazu führen, dass Nichtteilnehmer aufschließen, im negativen Fall entstünden dauerhafte Unterschiede.

Positive Folgen für Österreich

IV-Chefökonom Helmenstein rechnet damit, dass jetzt nach der Brexit-Entscheidung als erstes die Investitionen in Großbritannien einbrechen werden. Angesichts der Unsicherheit würden viele Firmen kein Geld in die Hand nehmen wollen - darunter möglicherweise Autokonzerne wie BMW und Daimler. Da sich aber kein Unternehmen leisten könne, zwei Jahre lang - so lange sollen die Austrittsbedingungen mindestens verhandelt werden - nicht in neue Technologien zu investieren, sei eine Abwanderung eine Option.

Das wiederum eröffnet für Österreichs Ostregion Chancen, sagt Helmenstein. Zuletzt habe es einen starken Anstieg britischer Investitionen gegeben, im Osten Österreichs arbeiteten schon 8.000 Menschen bei Firmen britischer Investoren. Auf dieser Basis könnten neue Deals an Land gezogen werden.

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