Kern schließt EU-Referendum in Österreich aus

Christian Kern in Brüssel
Der SP-Bundeskanzler will Österreich nicht einem Referendum aussetzen. Kern zieht Resümée über ersten EU-Gipfel.

Nach dem EU-Austrittsvotum der Briten hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ein EU-Referendum für Österreich ausgeschlossen. In der Regel würden Referenden "mit artfremden Diskussionen überfrachtet", sagte Kern am Mittwoch nach dem Brexit-Gipfel in Brüssel. "Vor diesem Hintergrund werden wir Österreich keinem Referendum aussetzen."

Kern betonte, er setzte vielmehr auf politische Führungskraft und wolle analysieren, ob dies dem Land etwas bringe. Es gehe um komplexe Fragestellungen. Im Kreise der EU 27 habe es "weitgehende Übereinstimmung" darüber gegeben, sich auf pragmatische konkrete Lösungen zu konzentrieren. Dabei stünden die Bereiche Sicherheit und Migration einerseits und Jobs, Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung im Mittelpunkt. Kern wünscht sich beim EU-Sondergipfel in Bratislava im September bereits eine Konkretisierung zum Migrationspaket.

Kein Zeitpunkt für große Reformen

"Es ist jetzt kein Zeitpunkt, über große Reformen, riesige Visionen und einen Neubeginn zu diskutieren", sagte Kern. Dies würde an den Problemen vorbeigehen. Es gehe um Alltagsprobleme, Sorgen vor einem abnehmendem Wohlstand, die nicht die Elite, sondern hart arbeitende Menschen betreffen. Auch die Flüchtlingskrise sei in nicht betroffenen Gegenden "ein bestimmendes Thema".

Eine aktuelle Meinungsumfrage ergab, dass sich nur noch 51 Prozent der Österreicher für einen Verbleib in der EU aussprechen.

Keine Spekulationen zu Brexit

Spekulationen über einen Rückzieher vom Brexit wollte Kern nicht unterstützen. "Damit sollten wir uns nicht beschäftigen, sondern es ist eine Entscheidung, die ist gefallen, die ist wie sie ist", sagte er. Der britische Premier David "Cameron war da völlig klar. Er geht von einem Austritt aus".

Nach Camerons Ausführungen habe man festgestellt, "dass wir es hier mit einem Partner zu tun haben, der keinen Plan hat". Cameron habe einen Nachfolger für Anfang September in Aussicht gestellt. Doch dürfe man nicht erwarten, dass dieser dann bereits Stunden danach einen EU-Austrittsantrag stelle, sagte Kern.

Die Frage der EU-Ratspräsidentschaften soll im Laufe des Sommers gelöst werden. Dies sei aber kein besonders vordringliches Problem. Großbritannien wäre eigentlich 2017 an der Reihe, dürfte den EU-Vorsitz aber nicht mehr wahrnehmen. Dadurch könnte Österreich bereits auf die zweite Jahreshälfte 2018 vorrücken, anstatt wie ursprünglich geplant die erste Jahreshälfte 2019. In diesem Fall fänden die nächsten Nationalratswahlen, sofern sie nicht vorgezogen werden, inmitten der österreichischen Ratspräsidentschaft statt.

Gipfel-Premiere als "freundlicher Empfang"

Für Kern (SPÖ) war der Gipfel in Brüssel der erste Auftritt im Rahmen der europäischen Staats- und Regierungschefs. "Es war ein freundlicher Empfang", resümierte Kern. "Das war ein harmloses Entree". Er habe den einen oder anderen Regierungschefs bereits aus bilateralen Gesprächen gekannt, etwa Ungarns Premier Viktor Orban, sagte Kern. Einen "Kulturschock" sehe er nicht durch seinen Wechsel aus der Wirtschaft in die EU-Politik, sagte der frühere ÖBB-Chef. "Es war eine sehr vernünftige Situation auf sehr hohem Niveau" Zweifellos sei es aber für die EU "eine schwierige historische Stunde".

"Was ich mir ein bischen abgewöhnen muss, ist die Ungeduld", fügte der Bundeskanzler selbstkritisch hinzu. Beim Stahl-Dumping durch China (siehe unten) gehe es für die betroffenen Unternehmen um Tage und Monate. Er könne seinen Kollegen aus der Wirtschaft nur schwer erklären, warum die EU Monate brauche, um Entscheidungen zu treffen.

Als große Arbeitsschwerpunkte für die EU sieht Kern den EU-Außengrenzschutz und die geplante Hilfe für Nordafrika nach Vorbild des Marshall-Planes. Ziel sei auch eine Bearbeitung von Asylanträgen vor Ort. "Wenn wir es nicht schaffen, die Leute, die fliehen, vor Ort zu betreuen, sondern erst am Brenner, wird das eine ganz schwierige Situation."

Kern forderte außerdem ein Vorgehen gegen chinesisches Stahl-Dumping. Dieses sei "eine letale Bedrohung der europäischen Grundstoffindustrie" und nicht nur ein Problem für den Stahlsektor, sondern auch für die Bereiche Aluminium, Glas, Keramik und Papier. "Da heißt es, entschlossen zu handeln", so Kern. Während Europa 14 Prozent Zölle auf chinesische Stahlimporte habe, würden diese in den USA bei 260 Prozent liegen.

EZB-Präsident Mario Draghi habe bei dem Gipfel Auswirkungen des Brexit auf die Wachstumsperspektive prognostiziert. Österreich sei diesbezüglich aber besser aufgestellt. "Wir werden wahrscheinlich deutlich geringer betroffen sein als andere EU-Länder", sagte Kern.

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