Brasilien: Duell der Frauen um die Macht
Die eine war Mitglied einer linken Guerillagruppe, die in Brasilien gewaltsam für den Umsturz kämpfte. Die andere Genossin der Kommunistischen Partei. Ihre radikalen Wurzeln haben die beiden Frauen längst gekappt, sie sind moderate Politikerinnen. Eine von ihnen wird die nächste Präsidentin der größten Volkswirtschaft Südamerikas. Prognosen zufolge wird es am 5. Oktober aber ein knappes Rennen zwischen Amtsinhaberin Dilma Rousseff, 66, und Herausforderin Marina Silva, der in der wahrscheinlichen Stichwahl am 26. Oktober sogar die besseren Chancen eingeräumt werden.
Eine beachtliche Karriere für eine Tochter eines armen Kautschukzapfers aus Amazonien, die erst mit 16 Jahren Lesen und Schreiben lernte. In ihrer Kindheit litt Marina, wie die zierliche Frau von ihren Anhängern genannt wird, an diversen Krankheiten, die teilweise bis heute nachwirken. Doch sie biss sich durch, studierte Geschichte und trat der Kommunistischen Partei bei. Bald schon aber stand das Engagement als Umweltaktivistin gegen die Abholzung des Regenwaldes im Vordergrund. Sie arbeitete eng mit dem Öko-Kämpfer Chico Mendes zusammen, dessen Führungsrolle Silva (auf Deutsch Wald) übernahm, als dieser 1988 von Großgrundbesitzern ermordet wurde.
Umweltministerin
Das "Kind des Amazonas" gilt als extrem asketisch, schminkt sich nie, trinkt keinen Alkohol und lehnt auch Klimaanlagen ab. Die 56-Jährige ist Mitglied der evangelikalen Kirche "Assembleia de Deus". In diesem Wählerreservoir kann sie aus dem Vollen schöpfen: Es zählen sich schon 22 Prozent der Brasilianer zur evangelikalen, sprich buchstabengetreuen Auslegung der Bibel.
Ihr größter Trumpf aber ist, dass sie eine blütenweiße Weste trägt, was korrupte Machenschaften anbelangt. In diese sind viele Landespolitiker verstrickt, wie auch die Enthüllungen um Petrobras zeigen: So hatte der staatliche Ölkonzern Schmiergeldzahlungen an Dutzende Abgeordnete, Senatoren und sogar einen Minister getätigt – die meisten gehören der PT an.
Protestbewegung
Dies könnte sich noch als gefährlicher Boomerang für Dilma Rousseff erweisen, die ihre Guerilla-Aktivitäten während der Militärdiktatur Anfang der 70er-Jahre mit Gefängnis bezahlte. Denn die soziale Protestbewegung, die 2013 Millionen Menschen auf die Straße brachte, kritisiert neben dem darniederliegenden Gesundheits- und dem vernachlässigten Bildungswesen vor allem auch die Korruption im Land. Für viele Unzufriedene könnte die Öko-Aktivistin Marina eine Alternative zu Dilma werden, die mittlerweile als "Systempolitikerin" wahrgenommen wird. Wobei inhaltlich von beiden wenig kam, wie die lahmende Wirtschaft neu zu beleben wäre.
Die Amtsinhaberin versucht sich als Frau der Stabilität sowie Kontinuität zu präsentieren und verweist auf die Erfolge ihrer Präsidentschaft und der ihres Vorgängers und Mentors Lula, der im Wahlkampf für seine politische Ziehtochter wirbt. Tatsächlich konnten seit 2003 bis zu 40 Millionen Brasilianer durch Sozialprogramme der schlimmsten Armut entrinnen. Dennoch ist in den Städten der Frust groß – die historische Schlappe gegen Deutschland im Fußball-WM-Halbfinale (1:7) hat diesen sicher nicht verringert. Und der könnte im Match Dilma gegen Marina in der Verlängerung (sprich Stichwahl) spielentscheidend werden.
Kommentare