Blut, Schweiß und Tränen: Wahlen im Irak

Nach blutigen Anschlägen herrscht bei der heutigen Parlamentswahl Alarmstufe Rot.

Kein Gehupe, keine Staus – die irakische Hauptstadt Bagdad ist heute eine autofreie Metropole. Nicht der Umweltschutz stand Pate für diese rigorose Maßnahme, sondern die eskalierende Gewalt vor der Parlamentswahl, die am Mittwoch über die Bühne geht. Aus Furcht vor Anschlägen wurde der gesamte Privatverkehr verboten, die Sicherheitsmaßnahmen wurden nochmals massiv hochgefahren.

Denn allein in den letzten beiden Tagen vor dem Urnengang wurden bei Attentaten im ganzen Land mindestens 80 Menschen getötet. Vor allem sunnitische Extremisten, die sich von der schiitisch dominierten Regierung unter Premier Nuri al-Maliki an den Rand gedrängt fühlen, hatten zuletzt die Gangart verschärft: Die Internet-Seite iraqbodycount.org zählt seit Jahresbeginn mehr als 3900 Menschen, die bei Gewalttaten ums Leben kamen.

Insgesamt stellen sich 9000 Kandidaten aus rund 275 Parteien den 20,5 Millionen wahlberechtigten Irakern. Wobei al-Maliki auch mangels Alternativen die besten Aussichten hat – auf eine dritte Amtszeit. Nicht zuletzt auch deswegen, weil er zuvor Schlüsselpositionen im Sicherheitsapparat mit loyalen Günstlingen besetzt und so seine strukturelle Machtbasis verbreitet hat.

Blut, Schweiß und Tränen: Wahlen im Irak
Im Wesentlichen definieren sich die vielen Fraktionen entlang religiöser und ethnischer Linien: Es gibt den schiitischen, den sunnitischen und den kurdischen Block. Letzterer hat das gewährte Autonomiestatut im Norden, wo die Lage vergleichsweise sehr stabil ist, fast schon in eine De-facto-Eigenstaatlichkeit uminterpretiert.

Diese Bruchlinien traten in den vergangenen Jahren immer klarer zutage. "Ich habe mich von meinem Mann scheiden lassen müssen, obwohl wir drei Kinder haben und ich ihn noch liebe", klagt Imam Abdullah. Ihre Familie habe sie dazu gezwungen, weil sie Schiitin, der Ehemann aber Sunnit ist.

Kein Einzelfall: Der Scheidungsrichter Adel al-Obeidi berichtet, dass sich in der Stadt Mossul im Vorjahr um 60 Prozent mehr Paare mit unterschiedlichem religiös-ethnischen Hintergrund getrennt hätten als 2012. Umgekehrt hätten entsprechende Eheschließungen dieser Gruppe stark abgenommen.

Sollte al-Maliki auch die nächste Regierung anführen, dürfte die Annäherung an den (schiitischen) Iran wohl intensiviert werden. Bereits nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein 2003 erfolgte eine gewisse Normalisierung zwischen den Nachbarstaaten, die zwischen 1980 und 1988 Krieg geführt hatten. Jetzt ist sogar schon von Waffengeschäften und einer Gaspipeline die Rede. Die USA sind über diese Entwicklungen alles andere als erfreut, ermöglichen sie doch Teheran, aus der internationalen Isolation auszubrechen.

Schiiten-Achse

Mehr noch: Die Strategen im Iran, der in der Region mit (dem sunnitischen) Saudi-Arabien um die Vormachtstellung ringt, setzen auf eine Schiiten-Achse. Diese soll von Teheran über Bagdad und das verbündete Damaskus bis in den Libanon und der dortigen Hisbollah reichen.

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