Berlusconi ist "wie der Serienkiller, der verführt"

Silvio Berlusconi in Aktion: Kann er die Italiener erneut auf seine Seite ziehen?
Silvio Berlusconi ist wieder im Aufwind. Wieso die Italiener dem Cavaliere wieder verfallen.

Er verströmt Sicherheit, die Leute bewundern ihn. Die Tatsache, dass er alles und jeden kauft, skandalisiert niemanden, im Gegenteil, das lässt ihn noch stärker erscheinen als seine Gegner.“ Der 45-jährige Lehrer Salvatore A. wird Berlusconi zwar nicht mehr wählen, weiß aber, was die Italiener an dem Medientycoon finden. Nur Berlusconi schaffe es, mit ehrlicher Miene Lügen zu erzählen und dabei auf das Leben seiner Kinder zu schwören.

Sechster Wahlkampf

Und tatsächlich: Siegessicher und kämpferisch tritt Silvio Berlusconi in seinem sechsten Wahlkampf auf. Obwohl der 76-jährige Ex-Premier bisher kein Versprechen gehalten hat, verzeichnet er starken Wählerzulauf.

Wer Ex-Premier Silvio Berlusconi längst abgeschrieben hat, wird im Wahlkampf eines Besseren belehrt. Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar wächst die Anhängerschaft des Cavaliere. Laut Umfragen liegt er nur mehr fünf bis acht Prozent hinter seinem Herausforderer, dem Linksdemokraten Pier Luigi Bersani. Vergessen sind die nie gehaltenen Versprechen, die Sexskandale, die Korruptionsprozesse, die Wirtschaftspolitik, die das Land in den finanziellen Ruin getrieben hat. „Charismatischer Seiltänzer“, „größenwahnsinniger Scharlatan“, „Marktschreier“, „Märchenonkel“ – kein anderer Kandidat wird mit einer vergleichbaren Fülle an Attributen versehen.

„Er ist der Retter“

Berlusconi ist "wie der Serienkiller, der verführt"
Auch Paolo N. hegt Sympathien für Berlusconi. „Ein Haufen Leute sind enttäuscht von Monti. Sie sehen in Berlusconi einen Retter, der sie vor der strengen Steuerpolitik und dem harten Sparkurs schützt“, erklärt der 42-jährige Norditaliener.

Außerdem, so der Inhaber einer Werbeagentur, sei Berlusconi sympathischer als der „super arrogante“ Monti oder der „total langweilige“ Bersani. Traditionsgemäß wähle die Mehrheit nicht links, das sei auch eine kulturelle Frage. „Viele Familien wollen nicht links wählen, weniger weil sie große Berlusconi-Fans sind, vielmehr weil die Linken mit ihrem Stempel als ehemalige Kommunisten nerven“, erklärt Paolo N.

Stört sich niemand mehr an Berlusconis Sexskandalen und Beziehungen zu Minderjährigen? „Berlusconis Bunga-Bunga-Partys sind mittlerweile vergessen, das wird als private Schwäche abgetan, um die sich niemand mehr kümmert“, so Paolo. Wie viele seiner Landsleute reagiert auch der Werbemann empfindlich auf die Einmischung Europas in die italienische Innenpolitik. „Da setzt ein Trotzeffekt ein, der viele erst recht in die Hände Berlusconis treibt.“

„Mein Presidente“

Bei einer Straßenumfrage der Tageszeitung Il Fatto Quotidiano in der Mailänder Innenstadt outen sich viele als Berlusconi-Anhänger. Die Lombardei ist für den Ex-Premier ohnehin ein Heimspiel. „Er gibt vielen Leuten Arbeit, Bersani nicht. Natürlich werde ich ihn wählen, mit der Aussicht die Immobiliensteuer zurückzubekommen“, sagt ein Taxifahrer. Für den AC-Milan-Fan steht bereits fest: „Für mich bleibt er immer mein ‚Presidente‘. Ich werde ihn sein ganzes Leben lang wählen.“

Die Linken dürften den Cavaliere auf keinen Fall unterschätzen, warnt Obstverkäufer Andrea: „Er ist wie diese Serienkiller in einem Hollywoodfilm – eine Person, die verführt und fasziniert.“

Nur für Marina ist klar: „Wenn Berlusconi gewinnt, steige ich in das nächste Flugzeug und setze mich ins Ausland ab.“

Als exzellenten Kommunikator bezeichnet Politologin Sofia Ventura im Gespräch mit dem KURIER Berlusconi. Wie kein anderer verstehe er es virtuos, das Fernsehen für sich zu nützen. Er sei witzig und besitze Schauspieler-Qualitäten: „Viele fühlen sich von seiner einfachen, direkten Sprache angezogen. Damit erreicht er auch weniger gebildete Bürger“, so die Politologin. Außerdem kümmere er sich um konkrete Interessen der Italiener. „Auch wenn er dazu oft nicht realisierbare Versprechen gibt, bemüht er sich wenigstens, den Leuten Hoffnung zu machen“, so Ventura, die zum Kreis rechter Intellektueller Italiens zählt.

Den Vorwurf, Berlusconi erzähle nur Lügen, entkräftet die 49-Jährige, die an der Universität Bologna lehrt: „Politische Propaganda verleitet alle dazu, zu übertreiben und vage Behauptungen aufzustellen“. Dennoch räumt sie ein: Berlusconi ist derjenige, der „oft über das Ziel hinausschießt“. Auch nach zwanzig Jahren auf der Politbühne schaffe es der 76-Jährige auch heute noch, sein Image zu erneuern. „Seine Stärke beruht natürlich auch auf der Schwäche seiner Herausforderer, die in puncto Image und Führungskraft nachhinken“, findet Ventura.

Berlusconi ist "wie der Serienkiller, der verführt"

Der Schriftsteller, Philosoph und Psychoanalytiker Sergio Benvenuto (64) spart nicht mit Kritik an Berlusconi. Der KURIER traf ihn in Rom.

KURIER: Berlusconi war bereits abgeschrieben und holt nun stark auf.

Sergio Benvenuto: Berlusconi beherrscht ähnlich wie ein fliegender Teppichhändler perfekt die Taktik der falschen Versprechen. Er ist das Sprachrohr der gewöhnlichen Leute. Seine Politik lautet: Verachte den Staat, es zählen nur deine persönlichen Interessen.

Was macht ihn so attraktiv?

In Italien haben wir eine seriöse Linke (Demokratische Partei) und eine seriöse Rechte (Mario Monti). Aber Berlusconi gefällt allen, die weder links noch rechts sind, sondern ihr eigenes Ding jenseits der Politik machen wollen. Seine Botschaft ist immer die gleiche: Kümmere dich nicht um die Gesetze. Unterschlage Steuern, werde reich mit gesetzeswidrigen Methoden, fälsche Bilanzen, Schwarzarbeit ist in Ordnung. Kurzum: Sei ein Krimineller und sei auch noch stolz darauf.

Warum fallen viele erneut auf seine Versprechen herein, die er nie gehalten hat?

Berlusconi rechtfertigt einen gesetzeswidrigen, korrupten Lebensstil. Er selbst steht Modell für Millionen kleiner, italienischer Berlusconis. Sie alle sind der Hauptgrund für den wirtschaftlichen Abstieg des Landes: Nur wenige investieren in ein korruptes Italien, das von der Mafia kontrolliert wird. Möglicherweise ist der „Berlusconismus“ der Vorreiter des Verfalls der historischen Rechtsparteien in Europa und Amerika der letzten zehn Jahre, wie etwa Le Pen in Frankreich oder Palin in den USA.

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