Berlusconi: Bangen um Leichtigkeit des Seins

In diesen Tagen könnte die Justiz Italiens Ex-Premier endgültig zu Fall bringen.

Schicksalswoche für Italien“, „Cavaliere vor politischem Aus?“, „Regierung steht auf dem Spiel“– titelten italienische Medien. Wieder einmal ist das Schicksal von Silvio Berlusconi, als Unternehmer und Politiker in Personalunion, auf das Engste mit der politischen Zukunft des Landes verknüpft. Am Dienstag wird es für den 76-jährigen Medientycoon sehr ernst: Das Oberste Gericht in Rom gibt seine endgültige Entscheidung im Mediaset-Prozess bekannt. Dabei wurde der Ex-Premier wegen Steuerbetrugs in seinem TV-Imperium zu vier Jahren Haft und fünfjährigem Ausschluss aus allen öffentlichen Ämtern verurteilt.

Um Lockerheit bemüht

Von der Anspannung lässt sich Berlusconi nichts anmerken, als er in einer drückend heißen Julinacht mit seiner 50 Jahre jüngeren Freundin Francesca Pascale in eine Trattoria auf der Piazza Capranica essen geht. Am Nebentisch sitzen zufällig vier Parlamentarier seiner Partei „Volk der Freiheit“ (PdL). So sehr sich der Cavaliere mit Witzen und Fachsimpeln über Wein um Leichtigkeit bemüht, steht unweigerlich auch die Entscheidung des Kassationsgerichts zur Debatte. Zwischen einem Erinnerungsfoto mit Fans und einem Schluck Rotwein beruhigt Berlusconi seine Parteigenossen: „Ich habe Enrico Letta versprochen, dass wir seine Regierung unterstützen, egal wie das Urteil ausfällt.“ Beim Abschied wird Berlusconi sentimental: „Ich hoffe, dass ich noch sehr lange bei euch sein werde.“

Berlusconi fürchtet nicht das Gefängnis. Ihm stünde als über 70-Jähriger eigentlich Hausarrest zu, am Wochenende behauptete er im Libero aber, zur Haft bereit zu sein. Die weit größere Strafe wäre nach zwanzig Jahren auf der Politbühne das drohende politische Aus. Denn mit dem Parlamentssitz verliere Berlusconi seine parlamentarische Immunität, die ihn bisher vor Strafverfolgung schützte.

Kampf gegen Justiz

Ins Visier der Justiz geriet er wegen Bestechung, Bilanzfälschung, Steuerbetrug, Amtsmissbrauch und zuletzt wegen Sex mit Minderjährigen. Bisher wurde er in letzter Instanz immer freigesprochen. Mehrfach wurden Verfahren wegen Verjährung eingestellt.

Doch in diesem Jahr jagten eine Prozessverhandlung und ein Urteil das nächste: Der Medientycoon wurde im Mediaset-Prozess wegen Steuerbetrugs in zweiter Instanz verurteilt. In der Unipol-Affäre wird ihm Veröffentlichung vertraulicher Informationen zu einem Finanzskandal vorgeworfen. Weitere Verfahren wegen Parlamentarierbestechung und Sex mit einer Minderjährigen laufen. Am meisten setzt Berlusconi der „Ruby-Prozess“ zu. Dabei ist er wegen Förderung der Prostitution Minderjähriger und – was strafmäßig noch schwerer wiegt – wegen Amtsmissbrauch angeklagt. Das „Ruby-Gate“ ließ in der medialen Aufmerksamkeit alle bisherigen Korruptions- und Steuerdelikte verblassen und fügte Berlusconi international den größten Schaden zu.

Koalition in Gefahr

Politologen sprechen angesichts der bevorstehenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von einer „extrem unsicheren Lage“. Wird das Urteil bestätigt, steht die Koalitionsregierung von Premier Enrico Letta auf dem Spiel. Berlusconis Leute drohten wiederholt damit, aus Protest gegen eine rechtskräftige Verurteilung die Regierung platzen zu lassen. Lettas Kabinett ist auf Berlusconis Mitte-rechts-Partei angewiesen.

Politologe Leonardo Morlino von der Universität Luiss skizziert im KURIER-Gespräch mögliche Szenarien. „Es könnte sein, dass das Kassationsgericht den Fall nochmal an das Berufungsgericht zurückgibt. Das Kassationsgericht könnte aber auch noch Zeit gewinnen und sein Urteil doch wie ursprünglich geplant auf Herbst vertagen“, erklärt Morlino.

Dennoch rechnet der Politologe Morlino – selbst wenn die Verurteilung in letzter Instanz bestätigt wird – nicht mit einem „unmittelbaren Sturz der Regierung“. Letta, so der Politologe, würde sicher noch ein paar Monate an der Macht bleiben. Silvio Berlusconi würde „seinen Joker“ mit der geplanten Neugründung seiner Partei erst im Herbst ausspielen, bevor es zu Neuwahlen kommt.

Grillo als Vorbild

Denn eine Vorstrafe ist in Italien längst kein Grund, auf politische Aktivitäten zu verzichten. Das zeigt der Präzedenzfall vom heurigen Überraschungswahlsieger Beppe Grillo. Der Komiker und Chef der so erfolgreichen Protestbewegung Fünf Sterne ist vorbestraft, nachdem er 1981 einen Autounfall verursachte, bei dem drei Menschen starben. Das ist der Grund, warum Grillo nicht selbst für das Abgeordnetenhaus oder den Senat kandidiert hat. Berlusconi könnte künftig – ähnlich wie Grillo – mit seiner Person im nächsten Wahlkampf werben, ohne selbst ein politisches Amt auszuüben.

Der „Cavaliere“

Silvio Berlusconi, Unternehmer, Ex-Premier und Lebemann.

– Geburtstag: 29. 9. 1936

– Geburtsort: Mailand

– Studium: 1961 Jus-Examen mit Bestnote der Uni Mailand

– Größe: 1,64 Meter

– Familienstand: seit 2009 in (teurer) Scheidung, liiert mit 50 Jahre jüngerer Frau

– Kinder: drei Töchter und zwei Söhne aus zwei Ehen

– Spitzname: „Cavaliere“ (Ritter)

– Partei: 1994 Gründung der Forza Italia, 2008 neue Partei Popolo della Liberta (Volk der Freiheit)

– Regierungschef: Drei Mal

– Besitz: rund 150 Firmen, darunter der Fußballverein AC Mailand

– Vermögen: geschätzt auf mehr als sechs Milliarden Euro

– Selbsteinschätzung: „Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa und nicht in der Welt.“

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