"Katastrophe für den Klimaschutz"

Pünktlich zum UN-Klimagipfel gibt EU Startschuss für neues AKW in England – Signal für Temelin.

Schwerer Rückschlag für Atomkraftgegner und die Energiewende in Europa. Nach jahrelangem Tauziehen in Brüssel ist in der EU-Kommission Montag Abend eine erste Entscheidung gefallen, die nicht nur den Startschuss für den Bau neuer AKW-Reaktorblöcke in Großbritannien gibt, sondern auch für eine Renaissance der Atomkraft in ganz Europa.

Der Ausbau des AKW Hinkley Point durch den französischen Energieriesen EDF und einen chinesischen Energiekonzern bekommt massive Rückendeckung aus Brüssel. Dort hat die EU-Wettbewerbskommission beschlossen, den Strompreis, den die Regierung in London den AKW-Betreibern garantieren will, zu akzeptieren.

"Katastrophe für den Klimaschutz"
APA20143798-2_05092014 - LINZ - ÖSTERREICH: Der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) am Freitag, 5. September 2014, anlässlich einer Pressekonferenz der Grünen Obsterösterreich in Linz. FOTO: APA/RUBRA
Damit wird Strom aus dem AKW an der Küste Südenglands zu Preisen verkauft, die sogar weit über den geförderten Tarifen für erneuerbare Energien liegen, also etwa Strom aus Wind- oder Sonnenenergie. Damit wird der eigentlich finanziell unattraktive Bau neuer Atomkraftwerke wieder zum lukrativen Geschäft. Denn liegt der Strompreis so wie derzeit weit unter dem vertraglich vereinbarten Tarif, zahlt der Staat den Rest.

Rückenwind für Temelin

"Katastrophe für den Klimaschutz"
A bee flies to collect pollen on a mustard field in front of the cooling towers of the Temelin nuclear power plant near the South Bohemian city of Tyn nad Vltavou April 12, 2014. The Czech Republic wants to continue expanding nuclear energy capacity despite cancelling a tender to build two new units and believes the European Union should be more supportive of atomic power, Industry Minister Jan Mladek said April 14, 2014. Majority state-owned CEZ cancelled a tender last week to build two new 1,200 MW units at the Temelin nuclear power station. The move followed a sharp fall in European power prices, and the government's denial of price guarantees had made the $10-15 billion project uneconomical. In an interview, Mladek suggested that the best hope for the future expansion of nuclear power would be a shift in EU policy away from priority support for renewable energy towards more backing for the nuclear option. To match story CZECH-NUCLEAR/ Picture taken April 12, 2014. REUTERS/David W Cerny (CZECH REPUBLIC - Tags: BUSINESS POLITICS ENERGY ENVIRONMENT ANIMALS)
"Förderung von Atomenergie auf Kosten der Steuerzahler", ärgert sich Oberösterreichs grüner Landesrat Rudi Anschober gegenüber dem KURIER: "Da werden Milliarden, die in Förderung von Energiesparmaßnahmen oder Anlagen für erneuerbare Energie gesteckt werden könnten, sinnlos in eine nicht zukunftsträchtige Energieform gesteckt. Das ist eine Katastrophe für den Klimaschutz."

Was Anschober vor allem Sorgen macht, ist der Effekt, den die Hinkley-Point-Entscheidung auf AKW-Neubauten in ganz Europa haben könnte – unter anderem auf den tschechischen Reaktor Temelin. Dort hat der Betreiber CEZ im Frühjahr die Pläne für den Bau von zwei neuen Reaktoren auf Eis gelegt – wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit. Das aber hat sich durch die jetzige Entscheidung grundlegend geändert. Wenn Atomstrom auf die für Hinkley Point nun genehmigte Weise gefördert werden kann, zahlt sich auch Temelin für die Betreiber wieder aus.

Noch könne man in Brüssel ein Umdenken erzwingen, macht sich Umweltminister Rupprechter gegenüber dem KURIER noch Hoffnung.

Minister will klagen

Endgültig abgesegnet werde die Entscheidung der Kommission erst Anfang Oktober. Bis dahin, so Rupprechter, werde auch EU-Kommissar Hahn versuchen, ein Umdenken in Brüssel zu bewirken. Bleibe die EU bei ihrer Entscheidung, werde er sich für eine Nichtigkeitsklage Österreichs stark machen. Damit lande der Fall beim Europäischen Gerichtshof. Rupprechter: "Dieser Skandal muss mit allen rechtlichen Mitteln bekämpft werden."

Seit 15 Jahren steckt Leonardo DiCaprio Geld, Verstand und Herz in den Umweltschutz. Am Dienstag hatte der Hollywoodstar und UN-Sonderbotschafter die Ehre, beim UN-Klimaschutzgipfel in New York zu reden. Er appellierte eindringlich an die Teilnehmer, zu handeln: „Mein Job ist es, Dinge vorzuspielen. Ihrer nicht.“ UN-Generalsekretär Ban Ki-moon fand drastische Worte: „Der Klimawandel bedroht den so hart errungenen Frieden, unseren Wohlstand und die Chancen für Milliarden Menschen. Er ist die prägende Aufgabe unserer Zeit.

Unsere Antwort wird die Zukunft mitentscheiden“, betonte er. „Wir haben uns noch nie solch einer Herausforderung gegenüber gesehen.“ Bans Appell: „Heute müssen wir die Welt auf einen neuen Kurs bringen.“ Bis zum Klimagipfel in Paris 2015 müssten alle „ernsthafte Zusagen“ zur Reduzierung ihres -Austoßes machen. Mit dem Auslaufen des Kyoto-Vertrages laufen 2020 alle Verpflichtungen aus – nicht zuletzt wegen den USA und China. Die größten Treibhausgas-Verursacher stemmten sich bisher mit Blick auf ihre Wirtschaft dagegen. Beim Gipfel gestern beteuerte US-Präsident Obama, dass die USA als größte Wirtschaftsmacht und zweitgrößter Verschmutzer eine besondere Verantwortung tragen und dieser auch nachkommen würden. Allerdings müsse jedes Land – allen voran China – mitmachen.

„Wenn wir etwas machen und andere nicht, verzerrt das den Wettbewerb.“ Keine Klimaschutzmaßnahme sei unumstritten, in keinem Land. „Ja, es wird schwer. Überall gibt es Interessen, die den Taten entgegenstehen. Aber wir, die USA, werden unseren Anteil übernehmen und Entwicklungsländern helfen, ihren zu übernehmen“, versprach Obama. Denn von allen Herausforderungen – „Terrorismus, Instabilität, Ungerechtigkeit, Krankheiten“ – werde keine das Jahrhundert so prägen wie der Klimawandel. Auch Chinas Vizepremier Zahng Gaoli versprach ein stärkeres Engagement und mehr finanzielle Beteiligung. China wolle „sobald möglich“ neue Maßnahmen für Schadstoffeinsparungen ankündigen und beim Klimagipfel in Paris 2015 konstruktiv mitarbeiten. Bundespräsident Fischer rief alle zum Handeln auf und forderte einen „ambitionierten“ Vertrag im Kampf gegen den Klimawandel. Er verwies auf die Zahlen des Klimaberichts, wonach Österreich besonders von der globalen Erwärmung betroffen sei.

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